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!!!Scharfrichter

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[{Image src='Scharfrichter.png' class='image_left' caption='Die Folter. 1782. Kupferstich. Aus: »Schauplatz der Natur und Künste«, in vier Sprachen, deutsch, lateinisch, französisch und italienisch. Achter Jahrgang. Verlag Joseph von Kurzbeck: Wien 1782.\\© Ch. Brandstätter Verlag' alt='Die Folter' height='250' width='318'}]

[{Image src='Scharfrichter2.jpg' class='image_right' caption='Die Verurteilung und Verbrennung des tschechischen Reformators Jan (Johannes) Hus in Konstanz (6. Juli). Aus: Ulrich Richenthal. »Chronik des Konzils von Konstanz«. Kolorierte Holzschnitte.\\© Ch. Brandstätter Verlag' alt='Die Verurteilung und Verbrennungvon Jan Hus' height='250' width='153'}]

Scharfrichter (auch Diller, Nachrichter, Freimänner,
Züchtiger, Strenge, Henker) waren die Vollstrecker der Todes- und
Leibesstrafen und übten diese Tätigkeit als Beruf nachweislich
schon 1276 in Augsburg, einige Jahre später auch in Braunschweig,
München und Regensburg aus. Ursprünglich war es das
Recht und die Pflicht des Geschädigten, den Missetäter zu richten,
auf welche Weise, war zunächst ganz seinem Belieben
anheimgestellt. »Der Räuber soll das Todesurteil durch die
Hände des Beraubten erleiden«, hieß es ganz allgemein, und das
Rechtsbuch nach Distinktionen, das in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts
angewandt wurde, beschrieb ausführlich, was einer zu
tun hatte, »der einen radebrechen wel«. Aber nicht nur der einzelne
übte Rache, sondern es war gang und gäbe, dass die ganze
Gemeinde »zu gesamter Hand«, wie es hieß, die Strafe vollzog,
was recht oft in wüste Lynchjustiz ausartete. Die Entwicklung der
städtischen Kultur brachte es mit sich, dass das »heilige Recht« auf persönliche Rache als unzivilisiert
und nicht mehr zeitgemäß galt. Was lag näher, als den Übeltäter zu zwingen, die Strafe an sich selbst zu
vollziehen, was vielfach geschah, oder man versprach einem mitgefangenen Spießgesellen die Begnadigung,
wenn er das Urteil vollstreckte. Friedrich Barbarossa hat einmal elf Adelige, die wegen Landfriedensbruchs
aufgeknüpft werden sollten, durch den zwölften hinrichten lassen, dem dafür das Leben
geschenkt wurde. Eine Zeitlang war es in Deutschland Sitte, dass ein freier und unbescholtener Mann,
der Fronbote, berufsmäßig, aber ehrenamtlich den »Bann«, die Strafgewalt des Richters, verkündete
und als dessen Gehilfe oder »Weibel« das Urteil vollstreckte. Er galt als der Vorläufer des Scharfrichters
und durfte »die Leut ohne Sünd wohl peinigen und töten«
(Sachsenspiegel). Waren es Verurteilte aus dem »niederen Volk«
oder Juden, die immer härter und qualvoller bestraft wurden als
andere, so überließ der Fronbote die blutige Arbeit seinen Knechten.
Auch der städtische Büttel, ursprünglich ein Gerichtsbote
und eine durchaus angesehene Person, die erst später ihre Ehre
einbüßte, trat als Vollstrecker der Bluturteile auf.


[{Image src='Scharfrichter3.jpg' class='image_right' caption='Cesare Battisti mit seinem Henker Josef Lang nach der Hinrichtung am 12. Juli 1916. Photographie.\\© Ch. Brandstätter Verlag' alt='Cesare Battisti mit seinem Henker ' height='250' width='175'}]

Im Gegensatz zum Fronboten galt der Scharfrichter bis ins 18.
Jahrhundert als unehrliche und anrüchige Person, umgeben von
Verachtung und Ekel, »weil es dem natürlichen Gefühl widerstrebte,
dass sich ein Mensch dazu hingab und gleichsam sein
Geschäft daraus machte, andere ums Leben zu bringen« (J.
Grimm). Scharfrichter waren Parias, die ihr Gewerbe zwangsweise
auf die Söhne vererben mussten – wodurch mit der Zeit
regelrechte Scharfrichterdynastien entstanden – und die ihre Kinder
nur mit ihresgleichen verheiraten durften. Das Augsburger
Stadtrecht vom Jahre 1276, das älteste, das Rechte und Pflichten
des neuen Amts genau umschrieb, nennt ihn bereits einen Hurensohn, und weitere Demütigungen blieben nicht aus. 
So mussten Scharfrichter zusätzlich Ämter verrichten,
die kein Bürger freiwillig übernehmen wollte, wie Dirnen beaufsichtigen, Aussätzige aus der Stadt
treiben, Abtritte reinigen und die Wasenmeisterei (’ Abdecker) besorgen. Der Volksmund ersann
immer neue Bezeichnungen für den unheimlichen Mann: Er wurde Teufel, Meister Hemmerling oder
Hämmerlein, Knüpfauf, Kurzab, Schnürhänschen, Angstmann, Meister Hans und Meister Fix genannt.
War es ihm erlaubt, in einer Wirtsstube »mit ehrlichen Christenmenschen seinen Schoppen zu trinken
«, so stellte man ihm einen dreibeinigen Stuhl, der den Galgen symbolisieren sollte, an die Tür, und
sein Krug durfte keinen Deckel haben. Vielfach war es ihm verwehrt, kirchlich getraut und begraben zu
werden oder am Abendmahl teilzunehmen, und wer mit ihm in Berührung kam oder mit ihm verkehrte,
dem haftete lebenslang ein Makel an. Im Jahre 1546 nahm sich in Basel ein Handwerksmann das Leben,
weil er im Rausch mit dem Scharfrichter getrunken hatte und daraufhin aus der Zunft ausgeschlossen
wurde. Der junge Heinrich Heine scheint diesen Widerwillen anders empfunden zu haben, denn »trotz
dem Richtschwert, womit schon hundert arme Schelme geköpft worden, und trotz der Infamie, womit
jede Berührung des unehrlichen Geschlechts Jeden behaftet«, schrieb er, »küßte ich die schöne Scharfrichterstochter.
Ich küßte sie nicht bloß aus zärtlicher Neigung, sondern auch aus Hohn gegen die alte
Gesellschaft und alle ihre dunklen Vorurteile.« Aber nicht nur die Scharfrichter, sondern alle, die mit
den vermeintlichen oder tatsächlichen Missetätern der Gesellschaft zu tun hatten, die als Häscher, Büttel,
Polizeidiener, (Amts-)Schließer oder Schlüter, Gefängniswärter, Pförtner, Stadt- und Stöckeknechte,
Profosse, Bruchvögte (Gerichtsdiener) der Obrigkeit dienten, galten schließlich als unehrlich,
als ''levis notae macula''.

[{Image src='Scharfrichter1.png' class='image_left' caption='Robespierre henkt eigenhändig den Henker. Um 1792. Karikatur.\\© Ch. Brandstätter Verlag' alt='Robespierre henkt den Henker' height='300' width='183'}]


Ein merkwürdiger Widerspruch bestand
in der häufig vorkommenden Verbindung
von Scharfrichter und Heilkundigem. Den
einen nahm er das Leben, verstümmelte oder
quälte sie, den anderen half er als sachkundiger
und geschätzter Arzt und Chirurg. Es
waren vor allem anatomische Kenntnisse, die
der Scharfrichter durch seinen Beruf erwerben
konnte. Das Rädern und Vierteilen von
Abgeurteilten sowie das Tranchieren verendeter
Tiere ermöglichten ihm das Kennenlernen
des menschlichen und tierischen Körperbaus.
Der Nürnberger Scharfrichter Franz
Schmidt erwähnte recht oft in seinem Tagebuch,
einen Gerichteten »adonamirt und
geschnitten« zu haben. Auch beim Foltern
musste er mit dem Körper und den Reaktionen
des Gemarterten vertraut sein, um zu
wissen, wann er die Tortur unterbrechen
musste, damit der Delinquent nicht unerwartet
starb. Hatte er sein rohes Werk beendet,
war es seine Aufgabe, dem Unglücklichen die
Glieder so gut wie möglich wieder einzurenken,
und bei Verstümmelungsstrafen hatte er
dafür zu sorgen, dass die Wunden, die durch Amputation von Armen, Fingern, Ohren oder Zungen verursacht
wurden, verheilten und nicht zum Tod führten. Theophrastus Paracelsus gab zu, viele seiner
Kenntnisse und Heilmittel bei »Nachrichtern und Scherern« gesammelt zu haben. Als Hüter der Richtstätte,
die immer schon als mysteriöser Ort galt, verfügte der Scharfrichter über einen nicht geringen
Vorteil gegenüber seinen stets eifersüchtigen Konkurrenten, den studierten Medici, Badern und Barbieren.
Mit dem Aberglauben ließen sich gute Geschäfte machen, denn alles, was von einem hingerichteten
Menschen stammte, galt als irgendwie wertvoll und glückbringend oder war als zauberkräftige Medizin
verwendbar. Ein Fingerglied oder ein anderes Knöchelchen eines
armen Sünders, im Geldbeutel aufbewahrt, sollte diesen nie leer
werden lassen; trug man es bei sich, so sollte es vor Ungeziefer
schützen; und unter der Hausschwelle vergraben schaffte es
beständigen Haussegen. Das Hirn eines Gerichteten galt als
Medizin gegen Tollwut, seine Haut half gegen die Gicht, die
Schamhaare, in einem Tuch um den Unterleib getragen, verbürgten
ersehnte Schwangerschaft. Vor allem aber versuchte man, des
frischen Blutes habhaft zu werden, denn schon ein paar Tropfen
konnten die gefährlichsten Krankheiten kurieren. Bei der Hinrichtung
des berühmt-berüchtigten Johann Bückler, genannt
Schinderhannes, und seiner Bande 1803 zu Mainz, fingen die
Henkersknechte das Blut der Geköpften in Bechern auf, die sie,
natürlich nicht umsonst, den dicht um den Richtblock gedrängten
Fallsüchtigen (Epileptikern) reichten. Der letzte Scharfrichter
im k. u. k. Österreich, Josef Lang, trug in seiner Brieftasche
immer mehrere Fasern von den Stricken der von ihm Gehenkten.
In seinen Erinnerungen berichtete er, wie er von Frauen und
Männern sogar der höchsten Gesellschaftskreise um diese
Glücksbringer bestürmt wurde. »Die Zuversicht, mit welcher die
Beschenkten mit ihrem Talisman von dannen zogen, war beneidenswert,
jedes angenehme Erlebnis wurde in Dankbarkeit dem
Talisman zu Gute gehalten, und manche vornehme Dame, die
sich nach ihrer Meinung im Segen seiner glückbringenden Wirkung
sonnte, hat es sich nicht nehmen lassen, dem gefälligen
Spender mit sehr kostbaren Gegengeschenken ihren Dank abzustatten.«



Dieser Josef Lang, der 1855 zur Welt kam, hatte nichts mehr gemein mit seinen rechtlosen und verachteten
Kollegen von früher. Der Ekel des Volkes wich einem scheuen Respekt, und sein Name löste
höchstens prickelndes Gruseln aus. Er erhielt Einladungen zu Soireen der allerhöchsten Aristokratie, zu
amourösen Abenteuern und immer wieder Heiratsangebote. Amtshandelte er, so war er mit einem
schwarzen Salonanzug bekleidet, trug einen Zylinder und schwarze Glacéhandschuhe, die er nach vollzogener
Hinrichtung unter den Galgen warf. Andere Scharfrichter, die durch die Abnahme der Todesstrafen
ab der Mitte des 19. Jahrhunderts brotlos wurden, betätigten sich als Tierärzte oder wurden
Landwirte, Viehhändler, Seifensieder oder Fuhrwerksunternehmer. Ihre Kinder ergriffen meist handwerkliche
Berufe, und schon die Enkel wussten oft nicht mehr, dass ihre Vorfahren das Richtschwert
geführt hatten.


!Quelle
* Verschwundene Arbeit, R. Palla, Christian Brandstätter Verlag, 2010

!Weiterführendes
> [Engele, R.: Von Henkern und Abdeckern|Wissenssammlungen/Damals_in_der_Steiermark/Von_Henkern_und_Abdeckern] (Essay)

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''... mit freundlicher Genehmigung des Christian Brandstätter Verlags.''
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