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Stärke- und Haarpudermacher#

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"Heimatlexikon - Unser Österreich"
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Stärke- und Haarpudermacher verwendeten Weizen, Mais, Reis und Kartoffeln zur Gewinnung von Stärke (Stärke-, Satz-, Kraftmehl, Amylum), aus der dann Puder oder Haarpuder zubereitet wurde. Stärke diente zum Steifen der Wäsche, zum Leimen von Papier, zum Verdicken der Farben in der Zeugdruckerei, zur Herstellung von Kleister und Schlichte (zum Festigen schwach gedrehter Garne) sowie zur Appretur und fand Verwendung in der Küche und bei der Zuckerbäckerei. Die Kunst, Stärke aus Weizen zu bereiten, war bereits im Altertum bekannt. Nach dem griechischen Arzt Dioskurides (1. Jahrhundert nach Christus) wurde sie amylon genannt, weil sie nicht wie andere mehlartige Stoffe auf Mühlen gewonnen wurde, und nach Plinius wandten sie zuallererst die Bewohner der Insel Chios an. Im Mittelalter stand die Stärkefabrikation bei den Holländern in großer Blüte; Kartoffelstärke wurde zuerst 1816 in Frankreich hergestellt, etwas später folgte in Deutschland die Verarbeitung von Mais (Maizena) und seit 1870 von Reis zu Stärke.

Der gequollene und zerquetschte Weizen wurde in Quellbottichen mit Wasser der sauren Gärung überlassen. Die entstehende Essig- und Milchsäure lockerte den Kleber so weit, dass sich die Stärke im Tretfaß zunächst mit hölzernen Schuhen an den Füßen austreten ließ. Später verwendete man für diese Arbeit von Pferden angetriebene Quetschwalzen. Die Stärkemilch wurde nun zum Absüßen in Absatzbottiche geleert, worin sich die Stärke am Boden absetzen konnte. Das saure Wasser wurde abgezapft und die Stärke mehrmals mit Wasser angerührt, bis man schließlich reine Stärke erhielt, die in Leinwand eingeschlagen, ausgepresst und als ziegelsteingroßes Stück getrocknet wurde. Das »saure« Wasser eignete sich vorzüglich für die Schweine- und Rindermast.

Verwendete man Kartoffeln zur Stärkezubereitung, so wurden diese fein zerrieben, und der Brei wurde unter Zufluß von Wasser auf einem Sieb über einem Bottich so lange mit den Händen geknetet, bis die Stärke aus den geöffneten Zellen herausgespült war. Die Rohstärke wurde dann in gleicher Weise wie Weizenstärke verarbeitet.

Den Puder schabte man von der weißgrauen Rinde der getrockneten Stärke ab, und damit er leichter zerstäubte, feuchtete man ihn mit Weingeist an und ließ ihn langsam trocknen. Sollte er einen angenehmen Duft verströmen, so setzte man dem Puder gestoßene Veilchenwurzeln, Eichenmoos, Lavendeloder Bergamottöl (aus den Fruchtschalen von Citrus bergamia), auch Moschus zu. In Weiß und verschiedenen Farben wurde Puder zum Einstauben der Haare und Perücken und als Schminke verwendet. Wer vermögend genug war, richtete sich eine eigene Puderkammer ein und ließ sich von Kammerzofen und -dienern »überstäuben«, ansonsten besorgte dies der Perückenmacher. Das hochgeworfene Mehl rieselte dabei auf die Frisur, oder man bediente sich zum Bestäuben eines ledernen Blasebalgs. »Damit einem aber der Puder nicht in das Gesicht und die Augen falle, wenn man sich pudern läßt, so pflegen einem die Paruckenmacher gemeiniglich eine Tute zu reichen in deren obern oder weitern Theil man das Gesicht hält. In derselben befinden sich Augen von Glase; durch das spitzige Ende holet man Odem, und hält sie gemeiniglich mit der Hand fest«, heißt es in Herrn von Garsaults Paruckenmacherkunst (1769). Obwohl der Puder »eine Erfindung aus dem Fache der überflüssigen Dinge« war, wie J. S. Halle 1762 befand, konnte es durch ihn bisweilen zur Spaltung der Gesellschaft in zwei Klassen kommen, nämlich in »gepudert« und »gemein«; so geschehen auf einem Donauschiff von Regensburg nach Wien.

Quellen#

  • Verschwundene Arbeit, R. Palla, Christian Brandstätter Verlag, 2010


... mit freundlicher Genehmigung des Christian Brandstätter Verlags.