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23. Dezember - Christbaum-Mode#

© Dr. Helga Maria Wolf


Bis ins 19. Jahrhundert blieb der Christbaumbrauch in Deutschland auf Protestanten, Adelige und wohlhabende Bürger beschränkt. Zur Zeit des Wiener Kongresses eroberte er Wien. Hierher verpflanzten ihn ebenso deutsche Innovatorinnen und Innovatoren wie nach Dänemark (1811), Norwegen (1830), London und Paris (1840). Früher Weihnachtsschmuck bestand aus "Rauschgold" und Früchten, natürliches Material wie Tannenzapfen, Nüsse oder Eier wurden vergoldet oder versilbert. Der Biedermeier-Christbaum stand auf dem Tisch und trug, neben den Geschenken und Zuckerwaren, Schmuck aus Tragant. Diese Masse ließ sich gut formen oder in Model pressen, blieb nach dem Trocknen hart und dauerhaft. Manche Konditoren bemalten und vergoldeten solche Dekorationen. Nachdem Kinder davon genascht und sich vergiftet hatten, durften nur noch natürliche Farben verwendet werden.


Die ersten Zierstücke aus Glas knüpften an die bekannten Formen an: Kugeln, Nüsse, Trauben, Eier. In den 1830er Jahren noch dickwandig und undurchsichtig, wurden sie zunehmend eleganter. Ein Zentrum der Christbaumschmuck-Erzeugung war Lauscha im Thüringer Wald, wo die Glasmacher auf eine dreihundertjährige Tradition zurückblicken konnten. Die Produktion großer Mengen war im Lauf des 19. Jahrhunderts einerseits durch arbeitsteilige Heimarbeit, andererseits durch das neue Leuchtgas, und die Erfindung künstlicher Farbstoffe möglich. Der Christbaumschmuck wurde aus den in der Glashütte gezogenen Röhren vor dem Bunsenbrenner mit sehr heißer, regulierbarer Flamme geblasen, mit Zangen geformt und verziert. Durch in Gipsformen geblasenes Glas entstanden Engel, Figuren, Tiere, Musikinstrumente und vieles andere. Die Herstellung war Saisonarbeit, mit bis zu 16 Stunden täglich. Um 1900 verdiente ein "Christbaumschmuckarbeiter, welcher in seinem Heim allein mit seiner Familie arbeitet", 600 bis 900 Mark im Jahr. Er durfte auch Gehilfen beschäftigen, deren Tageslohn bei 18 Mark lag.


Das Veredeln oblag den Frauen. Sie verdienten eine Mark pro Zehnstundentag. Bis in die 1870er Jahre wurden die Glaswaren bleiverspiegelt. Dann kam eine weniger gesundheitsschädliche Lösung aus Salmiakgeist, Weingeist, salpetersaurem Silber und Wasser zur Anwendung. Sie war in die Kugeln einzufüllen, die dann in heißem Wasser geschwenkt werden mussten. "Das Eintönige der Arbeit erzeugt eine mechanische Geschicklichkeit und Ausbildung, welche der Schnelligkeit zu Gute kommt", erklärte ein Zeitgenosse. Die verspiegelten Glassachen wurden mit Anilinfarben bemalt, die pulverförmig in den Handel kamen. "Zum Bemalen mit dem Pinsel verwendet man meist mit Gelatine bereitete Farbe. Es kommt da viel auf die Arbeitsmädchen an, die mit großer Schnelligkeit die mannigfachsten Muster, Streifen, Ornamente etc. auf den Glassachen entstehen lassen", heißt es um 1922, und: "Die Kugeln werden in arbeitsteiliger Weise mit einer Gelatinelösung überstrichen und mit Glasstaub bestreut, so daß dieser an den überstrichenen Stellen haften bleibt... In ähnlicher Weise kann man die Kugeln auch mit 'venetianischem Tau', winzigen kleinen Glasperlen, bestreuen."


Historischer Schmuck
Historischer Schmuck ist wertvoll geworden: Gablonzer Anhänger aus Hohlglasperlen.
"Der Baum muss glänzen, glitzern, funkeln, blenden, daß einem die Augen übergehen. Da giebt es goldig und grün schillernde Kerzenhalter, blitzende Eiszapfen, silbern schimmernde Blüthen, in deren Kelch die Lichter ihren Strahl tausendfach brechen, blau blinkende Sterne mit silbernen Kometenschweifen, goldiges und farbiges Engelshaar, Eisgirlanden aus Lametta, dazwischen farbenglühende Schmetterlinge und gaukelnde Kolibris, weiße Täubchen, schwarze Schwalben und zierliche Sammetäffchen mit Schirmen, bunte Glaskugeln, Glöckchen und unzählige bunte Nichtigkeiten", zählte die Familienzeitschrift "Die Gartenlaube" auf. Jede Vertriebsfirma hatte Tausende Modelle im Angebot, und ständig kam Neues dazu. Glasprodukte wurden auch mit Leonischen Drähten, "Engelshaar", Textilien oder Lametta verziert. Der Vielfalt an Formen und Materialien, begünstigt durch neue Techniken, schienen keine Grenzen gesetzt. Zinnfigurengießer fanden ein neues Betätigungsfeld, indem sie Metallsterne und Perlen zu glitzernden Anhängern kombinierten. Sebnitz in Sachsen produzierte typische Waren aus Metall, Textilien, Gold- und Silberfäden. Die Erzeugerfirmen stellten daraus u. a. Körbchen, Figuren, Schiffe, Schlitten, Luftballons mit Weihnachtsmännern, Wagen, Möbel, Uhren, Schirmchen, Fahrräder und filigrane Schmuckobjekte her. In der Hauptstadt Dresden spezialisierte sich eine Firma auf winzige Gegenstände aus geprägtem, bemaltem oder vergoldetem Karton, die man mit Konfekt füllen konnte.


In Gablonz in Böhmen montierte man Perlen, Tropfen und Glasröhrchen zu phantasievollen Gehängen, Sternen, Schmetterlingen und Nachbildungen von Gebrauchsgegenständen wie Autos, Fahrräder oder Luftschiffe. Eine Besonderheit waren mit Perlen verzierte Tannenzapfen, für ein schlesisches Jagdschloss, die zwischen 1890 und 1918 in das allgemeine Sortiment kamen.


1878 wurde Lametta aus gewalztem Draht erfunden. Die feinen Silberstreifen sollten den Raureif imitieren. Um 1900 wandte sich die Christbaummode vom "Zuviel des Guten" ab und bevorzugte silbernen Schmuck für den "weißen Baum". Sparsame Bürger kauften ihn aber nicht neu, sondern entfernten einfach die wasserlösliche Bemalung. Passend dazu lieferte die unbrennbare Glitzerwatte "Schnee". Schimmernde Girlanden aus Leonischen Drähten ergänzten die Dekoration der silbernen Eiszapfen und weißen Kerzen.


Im Ersten Weltkrieg gab es zusammenlegbare Christbäume, die man an die Soldaten verschicken konnte. Als Schmuck dienten nationale Symbole, Darstellungen des Kaisers, Eiserne Kreuze aus Pappe und gläserne U-Boote. Ein Gebilde, das der deutschen Pickelhaube ähnelte, ersetzte die Christbaumspitze. In der Zwischenkriegszeit engagierte sich die Heimatschutz- und Volkskunstbewegung für rustikale Weihnachtsbäume. Äpfel, Nüsse, Gebäck, Bienenwachskerzen, Strohsterne und Erzgebirge-Spielzeug schmückten den pseudobäuerlichen Baum. In der NS-Zeit tat man alles, den Christbaum zu entchristlichen und als "Julbaum" mit germanischen Wurzeln zu versehen. In den Weihnachtsfeiern der NSDAP wurde den Bürgern der neue Inhalt des "Julfestes" und entsprechender Baumschmuck nahegebracht. Es gab Anleitungen zum Basteln und Vorlagen für die entsprechenden Symbole.


Nach dem Zweiten Weltkrieg verwendete man, was übrig geblieben war und stellte selbst einfache Sterne aus Goldfolie oder Buntpapier-Ketten her. Mit zunehmendem Wohlstand wechselten die Christbaum-Moden immer rascher. Jedes Jahr gibt es eine andere Farbe und elektrische Beleuchtung löste die Kerzen ab.