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Manfred Wagner: Europäische Kulturgeschichte#

Bild 'Wagner'

Manfred Wagner: Europäische Kulturgeschichte: Gelebt, gedacht, vermittelt. Verlag Böhlau Wien, Köln, Graz 2009. 922 S. € 69,-

Univ.Prof. Dr. Manfred Wagner, ist seit 1974 Vorstand der Lehrkanzel für Kultur- und Geistesgeschichte an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen bildende Kunst, Musik, Kultur- und Bildungspolitik, Kulturförderung, Medien- und Rezeptionsforschung. Sein kulturgeschichtliches Arbeitsfeld ersteckt sich zwischen 1700 und heute. Als Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen hat er sich unter anderem mit Franz Schubert, Anton Bruckner und Adolf Frohner, "Kultur und Politik - Politik und Kunst" beschäftigt.

In 40 Arbeitsjahren ist ein reiches und vielseitiges Oeuvre entstanden. Rückblickend sieht der Autor "die Komplexität des Phänomens Kultur geradezu exponentiell wachsen." Er beobachtet, wie sich kulturelle Äußerungen vom Gruppenbezug zur Individualität entwickeln. An Stelle nationaler Phänomene trifft er regionale Übersichtsfelder oder Globalität an - und findet harte Worte für aktuelle Kunsttendenzen: " … der Künstler zum Werkzeug des Kurators oder Marktes verkommen, der gemeinsame Kanon der Akzeptanz verlassen worden zugunsten beliebiger Gleichwertigkeit oder tragischen Unverständnisses aus Wissensdefiziten." Die einst identitätsstiftende Kunst habe sich "ausdifferenzieren lassen von verschiedenen, für gleichwertig gehaltenen, Geschmacksrichtungen, die … der Alltagslaune oder dem Diktat der allmächrigen globalen Unterhaltungsindustrie entspringen."

"Europäische Kulturgeschichte: Gelebt, gedacht, vermittelt" ist jedoch keine pessimistische Kulturkritik. Der Titel verspricht nicht zu viel: Forschung und Praxis, Geschichte, Gegenwart, Zukunftsweisendes, Analysen und Kommentare kommen gleichberechtigt zu Wort. Europäisch schließt das spezifisch Österreichische, auch im Vergleich etwa zu Berlin, ein, ebenso wie "Grenz-Gänge" Im Abschnitt "Fremde Kulturen ?" findet sich u.a. als Titel die bemerkenswerte Feststellung "Der Dialog der Kulturen ist eine Schimäre."

Kulturgeschichte ging bis ins 19. Jahrhundert davon aus, dass Kultur den gesamten Lebensbereich des Menschen umfasse und es daher keinen Unterschied zwischen Kultur und Geschichte gäbe. Der im Deutschen erst seit 200 Jahren übliche Begriff "Kultur" erfuhr in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Verbreiterung in Richtung "Alltag". Eine Reihe von "Bindestrich-Kulturen" wie Werbe-Kultur, Körper-Kultur oder Ess-Kultur ist seither zum Untersuchungsgegenstand der Kulturwissenschaften (cultural studies) geworden. Kunst hingegen entziehe sich dieser Boulevardisierung, meint Wagner, der sich vehement gegen die "Verwischung und Vermischung" der Begriffe einsetzt.
Gelebt präsentieren sich Kunst und Kultur vor allem im zusammenfassenden Kapitel "Bildung". Hier finden sich Beiträge zu Fragen wie "Aufklärung in der Informationsgesellschaft", "Das Buch im Zeitalter der elektronischen Information" oder "Kunst und Schule". Dieser Beitrag erschien 1993. Weit reichende Beobachtungen, überzeugende Argumente und konkrete Ideen hat Manfred Wagner darin formuliert. Doch auch nach 17 Jahren sind die zuständigen Politiker von der Einführung eines Fachbereichs Kunst als Grundlagenfach aller Schulstufen und -typen weit entfernt.

Gedacht und formuliert hat der Verfasser in vielen Richtungen. Das zeigt schon ein Blick ins Inhaltsverzeichnis, das in zehn große Bereiche gegliedert ist. Darunter "Kunst und Gesellschaft", Künstler, Interpretationen.

Vermittelt wurden die anregenden, überzeugenden und nach wie vor aktuellen Überlegungen der vergangenen eineinhalb Jahrzehnte in Zeitschriften, Katalogen, Sammelbänden, Festgaben und Jahrbüchern, bei Vorträgen und Symposien. Man darf sich freuen, dass sie jetzt, in einem fast 1000 seitigen Band zusammengefasst, gesammelt vorliegen.