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Stefan Oláh (Hg): Österreichische Architektur der Fünfziger Jahre#

Bild 'Olah'

Österreichische Architektur der Fünfziger Jahre. Fotografiert von Stefan Oláh. Herausgeber: Stefan Oláh . Mit einem Vorwort von Bruno Maldoner und Beiträgen von Andrea Bina/Lorenz Potocnik, Wojciech Czaja, Martina Griesser-Stermscheg, Sebastian Hackenschmidt, Gabriele Kaiser und Helmut Lackner. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2011. 176 S., durchgehend farbig illustriert. € 29.

2010 beendete ein Knalleffekt die Existenz des Senders Bisamberg. Der ORF ließ das höchste Bauwerk Österreichs, den 265 m hohen Sendemast, ebenso wie den zweiten, sprengen. Nur die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude mit dem Senderaum blieben erhalten. Im selben Jahr wurde der größte Bahnhofs Österrreichs abgetragen. Einzig der Schriftzug "Südbahnhof" (Edelstahl und lackiertes Blech auf Eisenträgern, 90 x 1300 x 10 cm) blieb erhalten. Er kam als Schenkung der ÖBB Infrastruktur AG in das Wien Museum. Für die Modernisierung des Parlaments und seines 1955/56 gestalteten Plenarsaals fehlen - noch - die Mittel. Doch auch hier stellten Experten fest, dass "kein Gebäudeteil mehr den heutigen Anforderungen von Barrierefreiheit, Brandschutz, Erdbebensicherheit sowie der Bundes-Arbeitsstättenverordnung" entspricht.

Dies sind nur drei Beispiele für die "ungeliebte österreichische Architektur der Fünfziger Jahre. Viele charakteristische Bauwerke aus dieser Zeit gehören bereits unwiederbringlich der Vergangenheit an", schreibt der Kunsthistoriker Sebastian Hackenschmidt. Sie seien "dem Zahn der Zeit - vornehmlich in Form abgefeimter Immobilieninteressen - zum Opfer gefallen." Und das, obwohl sie "Besser als ihr Ruf" seien, wie Friedrich Achleitner schon 1982 in seinem gleichnamigen Artikel konstatierte. "Bauschäden durch mangelnde Wartung dienen oft als Vorwand, um das Vorurteil gegen die 'schlechte Qualität' der Nachkriegsbauten weiter zu schüren und profitable Neubauten zu rechtfertigen," bestätigt die Konservatorin Martina Griesser-Stermscheg.

"Wir können bei genauem Hinsehen … die maximal genutzten Chancen, den ungeheuren Fleiß, den Willen zu sorgfältiger Materialwahl und zu Qualitätsarbeit erahnen" , schreibt der Denkmalpfleger Bruno Maldoner im Vorwort zum Buch "Österreichische Architektur der Fünfziger Jahre". Der Fotodesigner und Universitätslektor Stefan Oláh hat diese fotografisch meisterhaft dokumentiert und anhand einer Auswahl von 16 Bauwerken in dem von ihm herausgegebenen Bildband vor dem Vergessen bewahrt. Es sind dies: Südbahnhof, Wien; Hotel Prinz Eugen, Wien; 20er Haus, Wien; Nationalbibliothek, Linz; Kammerspiele, Linz; Schneidersalon Bernschütz, Graz; E-Werk, St. Pölten; Paracelsusbad, Salzburg; Passionsspielhaus, Erl; Kraftwerk, Imst; Gartenbaukino, Wien; Wien Museum; Sender Bisamberg; Strandbad Gänsehäufel, Wien; Bundeskanzleramt, Wien; Parlament, Wien.

Für den Textteil sorgen anerkannte Autoren wie die zitierten Bruno Maldoner, Sebastian Hackenschmidt, Martina Griesser-Stermscheg, der Architekturjournalist Wojciech Czaja, der Technikhistoriker Helmut Lackner, die Kunstwissenschaftlerin Andrea Bina, die Architekt/innen Lorenz Potocnik und Gabriele Kaiser.

In dem Buch seien kaum "wirklich hervorragende Bauwerke" vertreten, meint Hackenschmidt, und: "Oláh stellt die Fotografie in den Dienst der Architektur, ohne dabei selbst einen künstlerischen Anspruch zu formulieren. Er betrachtet seine Fotografien als 'angewandte' Fotografie; sie muss handwerklich perfekt sein und den von einer Dokumentation geforderten Informationsgehalt erfüllen. … (er) versucht, die Architektur auf seinen Bildern so zu zeigen, wie sie ist. Er fordert konventionelle Sehgewohnheiten nicht durch Effekte oder fotografische 'Experimente' heraus". Im Gespräch mit Wojciech Czaja erläutert Oláh seine Arbeitsweise: Er fotografiert nicht gerne digital, sondern - nach ausführlichen Recherchen - mit einer "Linhof Technika". Die handgefertigte klappbare Laufbodenkamera auf einem Stativ, hinter dem der Meister unter einem schwarzen Tuch die Mattscheibe betrachtet, vermeidet stürzende Kanten und ermöglicht lange Belichtungszeiten. Fachleute sehen den Unterschied, Laien können ihn spüren.

Helmut Lackner charakterisiert die Architektur der "langen Fünfzigerjahre" (Werner Abelshauser) als "moderat modern", "sauber und kultiviert". Er zieht den historischen Bogen von der Zwischenkriegzeit bis zu den Wirtschaftswunderjahren. In den Bauten der ersten Nachkriegsjahre findet man handwerklich gediegene, mit viel Holz gestaltete Innenausstattungen, große Glasfenster, mutige Konstruktionen aus Stahl (wie beim 20er Haus) und Sichtbeton (z.B. Uhrturm im Gänsehäufel), aber auch einen Hang zur Nachhaltigkeit. Damit beschäftigt sich Martina Griesser-Stermscheg im letzten Kapitel, einem "Nachruf". Sie referiert über traditionelle natürliche Baustoffe und "Neomaterialien", die vom Menschen produziert als besonders modern galten, wie Beton, Chrom oder Kunststoff. Darüber hinaus war "immaterielles Material" von Bedeutung, wozu Lichtstimmungen und das vermittelte Raumgefühl zählen. Der Einsatz unterschiedlicher Lichtfarben, das Wechselspiel von Tages- und Kunstlicht, waren typische atmosphärische Gestaltungsmittel der Fünfzigerjahre - einer Zeit, "in der man an eine bessere Welt glaubte".

Beim Plenarsaal des Parlaments und der "modifizierten Rekonstruktion" des 20er Hauses war das Institut für Konservierung und Restaurierung mit der Erfassung des Bestandes beauftragt und Stefan Oláh mit der Fotodokumentation betraut. Wenn er auch meint, die Fünfziger Jahre seien für ihn "eine Epoche wie jede andere auch", beweist er besondere Sensibiliät im Umgang mit Räumen und Details.

"Die hier vorgelegten Fotodokumente erweisen sich als geeignet, unseren Blick zu erweitern und zu schärfen. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist dem Buch große Verbreitung zu wünschen", schreibt Bruno Maldoner. Dem kann sich die Rezensentin nur vollinhaltlich anschließen.