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Computersteuerung mit Gedanken#

Integriertes EU Projekt: Tools for Brain-Computer Interaction (TOBI)#

von


Christa Neuper, Gernot Müller-Putz

Institut für Semantische Datenanalyse/Knowledge Discovery

Christa Neuper
Christa Neuper

Gernot Müller-Putz
Gernot Müller-Putz


Christa Neuper leitet das Institut für Semantische Datenanalyse/Knowledge Discovery. Forschungsgebiet: Entwicklung von Gehirncomputerschnittstellen sowie Neuronale Grundlagen kognitiver Informationsverarbeitung.

Gernot Müller-Putz ist stellvertretender Leiter des Instituts für Semantische Datenanalyse. Er befasst sich mit der klinischen Anwendung von Brain-Computer Interfaces sowie der Steuerung von Neuroprothesen und Rehabilitationstechnik.

© Forschungsjournal 2008/12



Forschung im Bereich Gehirn-Computer-Schnittstellen wird derzeit weltweit enorm vorangetrieben. Die TU Graz hat in diesem Bereich seit mehr als 15 Jahren international anerkannte Pionierarbeit geleistet. Mit November 2008 startet zu dieser Thematik ein von der EU gefördertes integriertes Projekt mit substanzieller Beteiligung des Instituts für Semantische Datenanalyse (ISD) der Fakultät für Informatik. Das gemeinsame Ziel besteht darin, neurowissenschaftliche Forschungsansätze mit technologischen Entwicklungen optimal zu integrieren und damit einen wesentlichen „Durchbruch“ in der Entwicklung nutzerfreundlicher und praktikabler Assistenztechnologien zu schaffen.


Gehirn-Computer-Schnittstellen

Bereits seit einigen Jahren arbeiten weltweit Forschergruppen an Systemen, die einen direkten Dialog zwischen Mensch und Maschine ermöglichen sollen. Hierzu wird eine Schnittstelle zwischen Gehirn und Rechner entwickelt, das so genannte Brain-Computer Interface (BCI). Man nutzt dazu die elektrische Hirnaktivität in Form des Elektronenzephalogramms (EEG), das mit Hilfe von an der Kopfhaut angebrachten Elektroden gemessen wird. Das EEG wird an den Computer übermittelt, der bestimmte Muster der Gehirnsignale in Echtzeit detektiert und in Steuerungssignale übersetzt. Das Funktionsprinzip des BCI basiert darauf, dass die Vorstellung einer Handlung, z.B. die einer Handbewegung, in der Hirnaktivität abgebildet ist.

Das BCI erkennt die damit korrelierenden Gehirnsignale und nutzt sie zur Ansteuerung von Geräten. Die Realisierbarkeit von BCI-gesteuerten Kommunikations- und Steuerungshilfen konnte in den letzten Jahren hinreichend nachgewiesen werden. Bislang haben derartige Neurotechnologien jedoch kaum Eingang in die klinische Routine und alltägliche Anwendung gefunden.


E-Inclusion

Partner EU Projekt TOBI
Überblick über die Partner beim EU-Projekt TOBI
© Forschungsjournal 2008/12 / TU Graz/ISD
Im Rahmen der "E-Inclusion" Initiative im 7. Rahmenprogramm der Europäischen Union wurde 2007 zu interdisziplinären Projektanträgen unter spezieller Berücksichtigung von Gehirn-Computer Schnittstellen eingeladen. Es sollte eine "kritische Masse" mobilisiert werden, welche einen wesentlichen "Durchbruch" in der Entwicklung von alltagstauglichen Technologien erlaubt.

Das Ziel dahinter ist, die Lebensqualität von Menschen mit Behinderung maßgeblich zu verbessern. Das Konsortium des Projekts "Tools for Brain-Computer Interaction (TOBI)" integriert die führenden BCI-Forschungsgruppen Europas mit Kliniken, Anwenderorganisationen und industriellen Partnern aus fünf EU-Mitgliedsländern. Von Seiten der TU Graz ist das Institut für Semantische Datenanalyse (ISD) der Fakultät für Informatik beteiligt. Vom geförderten Projektumfang von knapp 10 Millionen Euro (auf vier Jahre) gehen 960.000 Euro an die TU Graz.


Hybride Kommunikationssysteme

Die Grundidee des Projekts besteht darin, BCI Systeme mit anderen, bereits bestehenden Assistenztechnologien zu kombinieren. Um eine flexible Anpassung an wechselnde Nutzerbedürfnisse zu unterstützen, kommen neuartige hybride Systemarchitekturen, adaptive Prinzipien ebenso wie innovative EEG Hardware zum Einsatz. Die Entwicklung intelligenter adaptiver Systeme soll die praktische Anwendbarkeit des BCI forcieren, aber auch dazu beitragen, die Zugänglichkeit von Assistenztechnologien für schwerstbehinderte Menschen zu ermöglichen.


Vorrangiges Ziel ist dabei etwa die Integration verschiedener Steuerungsmöglichkeiten in einem System, wie Sprache, Muskelkontraktion, EEG-Aktivität, so dass – je nach aktueller Möglichkeit– zwischen verschiedenen Steuerungsmodi gewechselt werden kann. Für schwerstgelähmte Patienten könnte dies bedeuten, dass sie ein Kommunikationssystem durch Muskelaktivität steuern (z.B. durch Zungenbewegung) und bei Ermüdung der Muskulatur auf EEG-Steuerung umschalten.

BCI-gesteuerte Neuroprothese
Abb. 2: BCI-gesteuerte Neuroprothese: Patienten mit hoher Querschnittlähmung können mithilfe des BCI gekoppelt mit einer nicht-invasiven funktionellen Elektrostimulation einen Gegenstand ergreifen
© Forschungsjournal 2008/12 / TU Graz/ISD

BCI-gesteuerte Neuroprothese
Abb. 2:BCI-gesteuerte Neuroprothese: Patienten mit hoher Querschnittlähmung können mithilfe des BCI gekoppelt mit implantierten Stimulationselektroden einen Gegenstand ergreifen
© Forschungsjournal 2008/12 / TU Graz/ISD



BCI-Benutzer, Trainingssitzung
Abb. 3: Ein BCI-Benutzer während einer Trainingssitzung. Die mit der Vorstellung einer linken oder rechten Handbewegung korrelierenden Gehirnsignale werden in entsprechende Bewegungen der (virtuellen) Hände am Bildschirm übersetzt
© Forschungsjournal 2008/12 / TU Graz/ISD

Schwerpunkte am Institut für Semantische Datenanalyse (ISD)

Auf Basis der am ISD vorhandenen Erfahrung und Kompetenz zählt das Institut zu den zentralen Projektpartnern und ist an fast allen Einzelprojekten beteiligt. Das ISD koordiniert die Entwicklung des hybriden Systemaufbaus, welches ein Bindeglied zwischen den einzelnen Anwendungsbereichen (Kommunikation, Restauration von Bewegungen, Entertainment, Neurorehabilitation) darstellt. Ein wesentlicher Arbeitsschwerpunkt liegt in der Wiederherstellung von motorischen Funktionen bei querschnittgelähmten Personen, etwa über die Entwicklung von EEGgesteuerten Neuroprothesen zur Restitution der Handfunktion (Abb. 2).


Zudem führt das ISD unter Verwendung verschiedener "Imaging"- Methoden Grundlagenuntersuchungen über Veränderungen der Gehirnaktivität im Zuge der BCI-Nutzung durch, welche derzeit auch im Sinne einer neuen Trainingsmethode in der Neurorehabilitation etwa nach einem Schlaganfall (Abb.3) in das Forschungsinteresse rückt.