Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!

Der virtuelle Mensch#

Humanexperimente im Computer#

von


Norbert Leitgeb

Institut für Health Care Engineering


Norbert Leitgeb
Norbert Leitgeb


Norbert Leitgeb ist Leiter des Instituts für Health Care Engineering und der Europaprüfstelle für Medizinprodukte und Mitglied zahlreicher internationaler Gremien. Er beschäftigt sich mit der Entwicklung und Bewertung neuer Methoden zur Gesundheitsversorgung, Patientensicherheit, mit biologischen Wirkungen elektromagnetischer Einflussfaktoren und Risikomanagement sowie mit der Konformitätsbewertung und Marktzulassung von Medizinprodukten. Er schrieb bisher über 260 Fachartikel und mehrere Fachbücher.
© Forschungsjournal 2010/03



Leistungsfähige Rechenverfahren und detailgetreue numerisch-anatomische Humanmodelle können die aus ethischen und methodischen Gründen problematischen Experimente an lebenden Menschen nicht nur ersetzen, sondern bieten heute zusätzlich faszinierende neue und schmerzfreie Forschungsmöglichkeiten zu Gesundheitsrisiken.


In der medizinischen Diagnostik und Therapie, aber auch im Alltag werden Menschen immer häufiger und immer stärkeren elektrischen und elektromagnetischen Einflussfaktoren ausgesetzt: Elektrische Ströme fließen unbeabsichtigt durch den Körper, wenn während Operationen oder auf Intensivstationen immer mehr Medizingeräte am Patienten angeschlossen sind. In der Chirurgie ermöglichen Hochfrequenzströme blutungsarme Schnitte, niederfrequente elektrische Ströme werden zur Therapie, zur Rehabilitation und in Form tragbarer Geräte zur Langzeitbehandlung chronischer Schmerzen eingesetzt.


Human Voxel Community
Die zur Verfügung stehende Human Voxel Community des Instituts für Health Care Engineering
© Forschungsjournal 2010/03 / Institute of Health Care Engineering

Elektrische Ströme werden aber auch im privaten Bereich verwendet, z. B. zum Muskelaufbau in Fitness-Centern oder für kosmetische Zwecke zur Körperformung und Reduktion von Fettgewebe. Hochspannungselektroschocks beenden Herzkammerflimmern oder behandeln psychiatrische Erkrankungen, hochfrequente elektromagnetische Felder dienen zur Wärmetherapie und zur Abtötung von Tumorzellen durch lokale Übererwärmung, "superstarke" Magnetfelder, Magnetfeldgradienten und Hochfrequenzimpulse ermöglichen die Abbildung des Körperinneren mit faszinierender Gewebsdifferenzierung und räumlicher Auflösung.

Elektromagnetische Wellen werden mithilfe von am Körper getragenen Sendern zur Übertragung akustischer Daten an Hörgeräte oder im Rahmen von Telemedizin, Telemonitoring, Telehomecare und pHealth zur Überwachung und Übertragung von Biosignalen verwendet.


Im Alltag lösen technische Einrichtungen wie Transformatoren, Hochspannungsleitungen, Handys, Mobilfunkmasten oder neue Technologien wie drahtlose Energieübertragungssysteme, Hochfrequenzidentifikations-(RFID-)Systeme, WLAN-Netze, PLAN-Anwendungen oder Nacktscanner für Sicherheitschecks Ängste vor möglichen Gesundheitsschäden aus. Im Bereich der Exekutive stellt sich die Frage nach potenziellen gesundheitlichen Auswirkungen im Zusammenhang mit der Risikoabschätzung und ethischen Rechtfertigung des Einsatzes von neuen Elektroschockwaffen (TASER).


Gebiete unbeabsichtigter Übererwärmung
Abb.2: Gebiete unbeabsichtigter Übererwärmung außerhalb des Behandlungsgebietes bei Wärmebehandlung der Hüfte mit Dezimeterwellen-Diathermie (27MHz)
Abb. 3: Untersuchung der Überexposition des Föten bei der Untersuchung der Mutter mit Magnetresonanz-Computertomografie
© Forschungsjournal 2010/03 / Institute of Health Care Engineering








Alle diese Anwendungen haben eines gemeinsam: Sie erfordern die Untersuchung, Quantifizierung und gesundheitliche Bewertung der Wirkungen elektrischer und elektromagnetischer Einwirkungen auf den menschlichen Körper. Derartige Untersuchungen können heute auch ohne ethisch problematische direkte Experimente an Menschen durchgeführt werden, indem modernste leistungsfähige Rechenverfahren und virtuelle Menschen in Form von numerisch-anatomischen Modellen von Menschen eingesetzt werden.


Das Institut für Health Care Engineering verfügt dazu bereits über zahlreiche numerisch-anatomische Humanmodelle von Männern, Frauen, Schwangeren, Jugendlichen und Kindern, in denen die anatomischen Details bis auf 2 mm aufgelöst und die Gewebe durch ihre unterschiedlichen elektrischen Gewebseigenschaften differenziert sind. Die Modelle basieren auf den Daten realer Menschen und wurden teilweise am Institut selbst entwickelt oder ihm aufgrund der internationalen Zusammenarbeit mit Großbritannien, der Schweiz, Japan und den USA zur Verfügung gestellt.

Defibrillation/Körperinneres
Abb. 4: Verteilung der elektrischen Stromdichte an der Oberfläche des Herzens bei Defibrillation
Abb. 5: Exposition des Körperinneren durch elektrische Stromdichten, die durch das Zusammenwirken des elektrischen und magnetischen Feldes einer Hochspannungsleitung verursacht wurden
© Forschungsjournal 2010/03 / Institute of Health Care Engineering


Damit verfügt das Institut für Health Care Engineering über wesentliche Voraussetzungen und das Know-how, um weiterhin im internationalen Spitzenfeld im Bereich der medizinischen Anwendungen, aber auch der Technologiebewertung und Risikokommunikation zu forschen und gesundheitliche Fragestellungen untersuchen zu können, die nicht nur auf den Bereich der Patientensicherheit und der diagnostischen und therapeutischen medizinischen Anwendungen beschränkt sind, sondern auch im Bereich der Energieversorgung, der Telekommunikation, des Handels, der Wirtschaft und der Exekutive auftreten.

Die Beiträge des Instituts werden international beachtet und sind in der Zwischenzeit bereits beispielsweise in die Bewertung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) und der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC) eingeflossen.