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Inge Friedl: So war's der Brauch#

Bild 'Friedl'

Inge Friedl: So war's der Brauch. Vom reichen Schatz an Bräuchen und Ritualen. Styria Verlag Graz 2012. 160 S., zahlreiche Abb., € 24,99

Wieder hat sich die Grazer Historikerin Inge Friedl auf's Land begeben, Bewohner interviewt und mit ihnen alte Fotos angeschaut. Wieder ist aus den Zitaten der Gesprächspartner, viel eigenem Wissen und historischem Bildmaterial ein (an-)sprechendes Buch geworden.

Man merkt die Freude der Autorin, als Gast am Küchentisch Geschichten und Gerichte zu genießen, und man bewundert ihr Talent, das Wesentliche zum Thema zusammenzufassen. Das Thema sind diesmal ländliche Bräuche in der Steiermark, in Oberösterreich und in Kärnten. Inge Friedl vermeidet zwei Gefahren, die sonst bei Büchern dieser Art oft übersehen werden: überholte Lehrmeinungen und bedauernde eigene Kommentare, obwohl sie den Bogen zur Gegenwart schlägt.

Der Bilderbogen beginnt mit den "Rhythmus des Jahres", den Bauernfeiertagen, von denen es, allen Reformen zum Trotz, noch im Jahr 1921 - zusätzlich zu den gesetzlichen Festtagen - 36 gab. Vormittags ging man zur Kirche, dann waren einige Stunden Freizeit, sofern es die Stall- und Feldarbeit erlaubte. Die Gedenktage der Heiligen, wie Blasius im Februar, Josefi im März, Georgi im April, Jakobi im Juli, Laurenzi im August, Michaeli im September, Simon im Oktober, Martini im November oder Thomas im Dezember gliederten den Jahreslauf. Eine vollständige Liste findet sich im Buch. Dieses ist, in bewährter Weise, nicht nur in thematische Kapitel gegliedert, sondern bringt auch, in "Kasten" gesetzt, Erzählungen im Originalton, G'stanzln, Spiele und Kochrezepte.

Übersichtlich gegliedert, erfährt man Wissenswertes und fast Vergessenes über die Faschingszeit, das Bienenaufwecken, Märzenkalbln und Aprilochsen, Pambuschen, Ostern, Maibaum, Erntedank, Nikolo und Krampus, den Advent, Weihnachten, Altjahrstag und die Raunächte. Den Jahresbräuchen folgen Erinnerungen an das Raufen, Singen und Tanzen, Grußsitten, Kleidung, Patenbrauch, Namenstag, Geburt und Tod. Vieles ist Bundesländer übergreifend ähnlich, doch gibt es regionale Spezialitäten. Eine Wirtin aus Kärnten erzählte über die ersten Faschingsumzüge in den 1960er-Jahren, während im Salzkammergut und Ennstal parodistische Faschingsbriefe vorgetragen wurden. Im steirischen Murtal sind am "Damischmontag" die "Faschingrenner" unterwegs. In einem 30 km langen Lauf besuchen sie an diesem Tag jeden Bauernhof eines Ortes. Der Palmbuschen ist ein anderes bekanntes Brauchrequisit. Sein Aussehen reicht von kleinen Handsträußen aus Palmkätzchen bis zu üppig geschmückten, mehrere Meter hohen Exemplaren, die wie Bäume aussehen. Kräftige Burschen trugen sie in die Kirche, um Haus und Hof und wurden dafür mit Ostereiern entlohnt. Der Buschen fand seinen Platz auf dem Acker, unter dem Hausdach oder im Herrgottswinkel der Stube. Am dort stehenden Tisch fanden sich auch Besucher wie Nikolaus und Krampus ein. Hier stand die Krippe und (später) der Christbaum.

Besondere Bedeutung kommt den Bildern zu. Erstaunlich, wie viele Fotos sich in den Bauernhäusern erhalten haben und was man alles vor 50 bis 90 Jahren einer Aufnahme wert fand. In der zeitlichen Distanz sind es kostbare Zeugnisse des Alltags und der Feste: 1932 wurde festgehalten, wie eine "Dienstweiserin" eine Magd zu ihrem neuen Dienstort bringt und wie sich diese in der "Menscherkammer" einrichtet. Eine Wetterprozession im Jahr 1939 ist ebenso zu sehen, wie eine "Faschingshochzeit" aus den 1960er Jahren. Abgelichtete Arbeitsvorgänge, die städtischen Betrachtern fremd erscheinen, sind etwa das Schweineschlachten - mit dem Brauch des Sauschädelstehlens - , die auch von Frauen ausgeübte Imkerei, händische Getreideernte, Flachsspinnen oder die Holzbringung. Ein Glossar und einige "Übersetzungen" komplettieren das äußerst lesenswerte Buch.