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Henriette Povse: Das Kochbuch der Familie Schratt#

Bild 'Schratt'

Henriette Povse: Das Kochbuch der Familie Schratt. Kulinarische Geschichten aus Baden. Herausgegeben von Rudolf Maurer, mit einem Beitrag von Manfred Ronge. Sutton Verlag Erfurt 2012. 128 S., ill., 18,95 €

Kochbücher sind gefragt, und ebenso das Geschichten erzählen im kulturellen Kontext. Beides zusammen ergibt ein Erfolgsrezept, im Fall des vorliegenden Buches ein äußerst wohlschmeckendes. Dabei erfüllt sich der Wunsch des Herausgebers, dass es als Ausnahme die Regel bestätigt, die da lautet „Viele Köche verderben den Brei.“

Das städtische Rollettmuseum in Baden bei Wien besitzt das handgeschriebene Kochbuch der Katharina Schratt, geb. Wallner (1825-1896). Sie war die Mutter der u. a. für ihre Kochkünste gerühmten Hofschauspielerin Katharina Schratt, verehel. Kiss de Ittebe (1853-1940), der „Seelenfreundin“ Kaiser Franz Josephs. Seit langem beschäftigte sich die Museumsmitarbeiterin Henriette Povse, das in Kurrentschrift und kreativer Rechtschreibung vorliegende Original des Kochbuchs in den PC zu übertragen. Sie ließ es nicht bei der Theorie bewenden, sondern probierte die Rezepte auch aus. Das mit Kaisergugelhupf etc. verwöhnte Museumsteam bekam Appetit an dem Projekt, recherchierte und fand passende Bilder. Manfred Ronge, Gastronomiecoach und Kulinarikmanager in Baden, adaptierte die fast 170 Jahre alten Angaben für den heutigen Geschmack. Museumsleiter Rudolf Maurer zeichnet für Geschichten und Geschichte im Buch verantwortlich.

Er stellt die Aufzeichnungen aus dem Jahr 1844 in einen größeren regionalhistorischen Rahmen. So wird die Lebenswelt im biedermeierlichen Baden erfahrbar. 1812 hatte ein Brand 117 Häuser vernichtet, doch schon ein Jahr später erhob sich die Kurstadt im Süden Wiens „wie ein Phönix aus der Asche“. Stararchitekten des Klassizismus wie Joseph Kornhäusel, Charles Moreau, Louis Montoyer und Peter Nobile bauten Palais, Villen und Bäder. Entscheidend für den Aufstieg war die Wahl Badens zur Sommerresidenz des Kaiser Franz II./I. (1768-1835). In den 1840er Jahren erhielt die „Schwefelstadt“ eine Bahnverbindung, das Freilufttheater „Sommerarena“ und die „Mineral-Schwimmschule“, die sich im 21. Jahrhuncert zur attraktiven „Römertherme“ entwickelte.

Der Vater Katharina Wallners profitierte vom frühen Tourismus. Als Drechslermeister fertigte er Souvenirs aus Perlmutt und Elfenbein. Er starb als Kommandant der städtischen Feuerwehr 1841 bei einem Einsatz. Ihre Mutter Aloisia war die Tochter eines Gutsbesitzers aus einem anderen Kurort, dem damals ungarischen Sauerbrunn. Sie überlebte ihren Mann nur vier Jahre. Die Tochter Katharina, mit 21 Jahren Vollwaise, heiratete den Kaufmann und späteren Polizeikommandanten Anton Schratt. Er hatte knapp ein Jahrzehnt zuvor ein Haus der Familie Wallner erworben und war bei der Hochzeit doppelt so alt wie seine Braut. Das Ehepaar hatte sechs Kinder, das dritte erhielt den Vornamen der Mutter, Katharina.

Nicht nur die Burgschauspielerin, auch andere Mitglieder der Familie Schratt hatten interessante Biographien: Der Ahnherr, Chrysostomos (1773-1851) war aus Konstanz am Bodensee zugezogen. In Baden wirkte er, u. a. in den Napoleonischen Kriegen, als Chirurg und verfasste medizinische Expertisen über die Heilquellen. Heinrich Schratt (1851-1940), ein älterer Bruder der Schauspielerin, stand als Ministerialbeamter in kaiserlichen Diensten. Er begab sich für zwei Jahre auf eine Farm in Amerika, um die neuesten Entwicklungen in der Landwirtschaft zu studieren. Heimgekehrt, eröffnete er in Baden eine Milchmeierei und eine „Börsen-Versicherungs-Agentur“. Er übersiedelte nach Kärnten, wo er am Längsee Großgrundbesitz erwarb, seine Nachfahren sind dort Hoteliers. Der jüngste Bruder, Rudolf Schratt (1860-1952) studierte Maschinenbau und war in der Gemeinde aktiv. Ihm verdankt Baden die neue Sommerarena (1906), für die er ein verschiebbares Glasdach und die Einrichtung entwarf.

Auf die Rezepte abgestimmt, verfasste Rudolf Maurer eine Reihe kulinarischer Geschichten über Baden, z. B. über den Markt, die Orangerie, in der exotische Früchte gediehen , die Tätigkeit des Stadtfischers, Jagd und Wilderei, Kellerwirtschaft oder Kaffeehäuser. Man erfährt Neuigkeiten über die älteste Suppe Badens – 2010 wurde ein Topf mit Speiseresten gefunden, wohl aus dem 16. Jahrhundert - , das Auskochrecht – Bürger durften Fremdengäste aufnehmen und verköstigen -, oder den Weichselwein, eine Spezialität zur Barockzeit.

Den Schratt’schen Köstlichkeiten aus dem 19. Jahrhundert ist der zweite Teil gewidmet. Er enthält rund 70 Rezepte. Etliche davon hat Manfred Ronge nachgekocht und aktualisiert. Man merkt dem Gemeinschaftswerk die Begeisterung aller Beteiligten an und lässt sich gerne davon anstecken. Wohl bekomm’s !