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Werner Telesko: Kosmos Barock #

Bild 'Telesko'

Werner Telesko: Kosmos Barock. Architektur, Ausstattung, Spiritualität. Die Stiftskirche Melk. Böhlau Verlag Wien, Köln, Weimar 2013. 212 S., 60 Abb., € 19.90

Beherrschend thront die Benediktiner-Stiftskirche Melk auf einem Felsen über der Donau - in Architektur und Ausstattung ein Paradebeispiel für den Barockstil. Ein ganzer Kosmos tut sich auf. Doch Detailreichtum, Überschwang und Symbolik der Zeit der Gegenreformation sind heute kaum noch nachzuvollziehen. Daher ist man froh, einen sachkundigen, reich illustrierten Führer zur Hand zur haben. Sein Autor ist Werner Telesko, Kunsthistoriker an der Akademie der Wissenschaften. Er erklärt die verwirrende Vielfalt an Farben, Figuren und Motiven, die doch einem ausgefeilten Programm folgen. Dabei stellt er die einzelnen Elemente stets in einen größeren Kontext, wie er in der damaligen Literatur zu finden ist. So gelingt es, die barocke Bildersprache mit ihren vielfältigen Bezügen als Erzählung lesbar zu machen.

Melk, wie man es kennt, ist das Werk des "Bauabtes" Berthold Dietmayr (1670-1739). Er wurde als Dreißigjähriger zum Abt gewählt und übte das Amt fast vier Jahrzehnte lang aus. Gleich nach seiner Bestätigung durch den Papst ließ er die Mitbrüder über das weitere Aussehen des im 11. Jahrhundert gegründeten Klosters abstimmen. Man entschied sich, was auch seinem Wunsch entsprach, für den völligen Neubau der Kirche als repräsentative Kuppelbasilika mit einer Doppelturmfassade. Schon ein Jahr später (1702) begannen die Arbeiten. Den Architekten Jakob Prandtauer verpflichtete Abt Dietmayr vertraglich, keine Planänderung ohne seine Zustimmung durchzuführen. Auch für die Freskierung sicherte er sich ein Mitspracherecht. Diese führte der Maler Johann Michael Rottmayr aus, wahrscheinlich nach dem Programm des italienischen Dekorationskünstlers Antonio Beduzzi, aber auch nach Dietmayrs Vorstellungen.

Das Hauptthema im Langhaus ist die Aufnahme des Ordensgründers Benedikt in den Himmel. Die literarische Grundlage bilden die "Dialoge" Gregors des Großen, die zu den wichtigsten hagiographischen Texten des Mittelalters zählen. Im zentralen Mitteljoch kommen zahlreiche allegorische Elemente, wie Sterne, dazu. Die Vita visualisiert den Triumph des Heiligen über alle Untugenden, verherrlicht den Bauherrn und verfolgt ein erzieherisches Ziel. Die Betrachter sollten aufgefordert werden, nach dem Beispiel des Ordensgründers zu leben. Dies geschieht "in raffinierter Weise", durch das Zusammenführen verschiedener Überlieferungen. "In Melk kommt damit die Heiligenlegende im Langhaus zu ihrem Recht, aber damit nicht genug: Sie wird in vielfältiger Weise allegorisch, moralisch und zeitpolitisch ausgedeutet und erhält damit eine inhaltliche Dichte, Aktualität und Strahlkraft, die man in anderen Ausstattungen dieser Zeit vergeblich sucht", schreibt Werner Telesko.

Kuppel, Chor und Hochaltar versinnbildlichen den Triumph der Ecclesia, der römisch-katholischen Kirche. Die 1718 vollendeten Kuppelfresken entstanden etwas früher als jene im Langhaus. In der Kuppel sind die Versammlung der Heiligen und Gestalten des Alten Testaments in konzentrischen Kreisen angeordnet, gekrönt von der Darstellung der Dreifaltigkeit. Weitere Fresken zeigen die Evangelisten und Kirchenväter. Das Presbyterium beherrschen die drei theologischen Tugenden Liebe - als Mutter mit Kindern -, Hoffnung - mit dem Anker als Attribut -, und Glaube - mit Kelch, Hostie und Kreuz. Der riesige, aus rotem und grauem Marmor bestehende Hochaltar der Stiftskirche hat den Charakter einer repräsentativen Schauwand. 1732/33 führte ihn Peter Widerin nach einem Entwurf von Guiseppe Galli-Bibiena aus, der auf die Motive der Fresken Bezug nahm.

Nach dem Hochaltar schufen die selben Künstler eine Reihe von Seitenaltären für die Langhauskapellen. Von besonderer Bedeutung ist jene des hl. Koloman, des früheren Niederösterreichischen Landespatrons. Seine Gebeine befinden sich seit 1014 in Melk. Nach der mittelalterlichen Legende war der irische Königssohn unterwegs in das Heilige Land. Bei Stockerau geriet er in Verdacht, ein ungarischer oder böhmischer Spion zu sein und wurde an einem Holunder erhängt. Der verdorrte Stamm trieb wieder aus und es ereigneten sich Wunder. Im 14. und im 16. Jahrhundert wurde die Grabstätte in Melk renoviert und im Zuge des barocken Baus völlig neu gestaltet. Das Pedant zum Koloman-Altar im Norden bildet der Benedikt-Altar im Süden des Querhauses der Stiftskirche.

Abt Dietmayrs Bauwut führte auch zur Zerstörung historischer Teile, wie des gotischen Kolomans-Grabs. Dies forderte schließlich die Kritik der Melker Benediktiner heraus. 1708 fand man das Abtwappen in der Sommersakristei zerkratzt vor - wahrscheinlich störte es jemand, dass sich der Abt ein persönliches Denkmal" setzen wollte. "Es ist diese charakteristische Spannung zwischen Abt und Institution, zwischen der römischen Kirche bzw. dem Stift auf der einen und den fast monarchischen Ansprüchen des Klostervorstehers auf der anderen Seite, die den Charakter aller Melker Bildprogramme umgreift und auszeichnet," schreibt Werner Telesko. Seine Ausführungen belegen, wie man aus dem Alten Testament und dem Frühchristentum eine Vorstellung von der universalen Bedeutung der katholischen Kirche als "Heilsinstitution" entwickelte, "auf deren reiches Arsenal an Persönlichkeiten man durchgehend zurückgriff und deren facettenreiche Visualisierung als das eigentliche Ziel des barocken 'Kosmos' Melk bezeichnet werden kann."