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Hannes Etzlstorfer/Franz Karl Ruhm: Tafeln mit dem Kaiser#

Bild 'Etzelstorfer-Ruhm'

Hannes Etzlstorfer/Franz Karl Ruhm: Tafeln mit dem Kaiser. Alltag und Geschichte rund um das Schönbrunner Menübuch von Mai 1913 bis Januar 1914. 224 S., ill., Verlag Kremayr & Scheriau. Wien 2014. € 24,-

Franz Ruhm (1886-1966), Promotor der neuen Wiener Küche und der erste Fernsehkoch Österreichs, war nicht nur ein berühmter Küchenchef. Als Redakteur der Branchenzeitschrift "Gastronom" pflegte der kollegiale Kontakte, auch zu ehemaligen Hofköchen. Einem von ihnen, der noch für Kaiser Franz Joseph tätig war, verdankte Ruhm eine Rarität.

"Menus Sr. K. und K. Apost. Majestät v. 4. Mai 1913 bis 29. Jänner 1914 Schönbrunn" steht in feinsäuberlicher Handschrift auf dem Schild eines Buches, das von außen an ein altes Schulheft erinnert. Enthalten sind die Menüvorschläge, welche die Hofköche dem Kaiser täglich präsentierten. Manches ist im wahrsten Sinn des Wortes dem Rotstift Seiner Majestät zum Opfer gefallen. Oft verzichtete er auf etliche Gänge, oder auch auf ganze Mahlzeiten. Eines Abends ist nur "Saure Milch" notiert. Höchstpersönlich bestimmte er Details wie Uhrzeit, Gästezahl oder Sitzordnung. Wurden die Schönbrunner Menübücher einst zur Vorlage der gedruckten Speisenkarten, so sind sie jetzt eine Quelle allerhöchster Alltags- und Festkultur geworden.

Ihre Aussagekraft entfalten sie erst im Kontext. Diesen hat im Band "Tafeln mit dem Kaiser", der Faksimiles des Menübuchs enthält, der Kulturhistoriker Hannes Etzlstorfer hergestellt. Franz Karl Ruhm, der Sohn des legendären Fernsehkochs und Hüter des Schatzes, verfasste eine informative Einleitung. Darin erfährt man, dass Franz Joseph zwischen 5 und 6 Uhr frühstückte, sich das Déjeuner zwischen 11 und 12 Uhr an den Schreibtisch servieren ließ und zwischen 18 und 19 Uhr mit Familienmitgliedern speiste - wenn nicht eines der zahlreichen Gala-, Militär- oder Diplomatendiners stattfand - und sich gegen 20.30 Uhr zur Ruhe begab. Zu den Gästen, die im Zeitraum dieses Menübuchs bewirtet wurden, zählten der deutsche Kaiser Wilhelm und Graf Zeppelin, dessen Luftschiff im Juni 1913 über Schönbrunn schwebte. Zum traditionellen "Diner du 1 Janvier" waren zum Jahreswechsel 1913/14 nicht weniger als 42 Hohe Herrschaften anwesend und acht Hofköche mit der gesamten Küchenbrigade im Einsatz.

Die Hofküche, deren verschiedene Abteilungen sich im Schweizerhof, unter der Burgkapelle befanden, war streng hierarchisch organisiert. Hier arbeiteten zwei Chefköche, fünf Hofköche erster Klasse, je ein Hofkoch zweiter und dritter Klasse, sowie ein Hofzuckerbäcker erster und zwei Hofzuckerbäcker zweiter Klasse. Auch mit der Ausstattung der Hoftafel war eine Reihe von Personen beschäftigt. Gruppen von je vier Tafeldeckern hatten je vier Gäste zu bedienen. Der Kommandant bot ihnen die einzelnen Schüsseln und Platten an, der Weinlakai war für die Getränke zuständig, der Saucenmann servierte die Beilagen und ein weiterer Servierlakai wechselte flink und lautlos die Teller. Franz Joseph war ein schneller Esser, ein Diner mit zwölf Gängen dauerte maximal 45 Minuten. Hatte der Kaiser das Besteck weggelegt, mussten dies, dem Hofzeremoniell entsprechend, auch die Gäste tun.

Hannes Etzlstorfer nennt seine Zusammenschau imperialer wie alltäglicher Begebenheiten treffend "eine kulinarisch-historisch-anekdotische Melange". Die in französischer Sprache kalligraphierten Eintragungen beginnen am 4. Mai 1913 mit Butternockerlsuppe und Huhn. Bei dem mit zehn Gängen vorgeschlagenenen Familiendiner machte der Allerhöchste Herrscher vom beigegebenen Rotstift Gebrauch, doch blieben immer noch sechs Gänge, darunter seine Leibspeisen Rindssuppe und Tafelspitz. Dabei war das ausgekochte Suppenfleisch für das Personal bestimmt, auf den kaiserlichen Tisch kamen nur "Gustostückerl". Auch weitere Genüsse und Vergnügungen an jenem Wochenende hat der Autor herausgefunden: Theater-Spielpläne, die Frühjahrsausstellung der Gartenbaugesellschaft, Derby-Meeting und Eröffnung der Adria-Ausstellung in der Rotunde. Außerdem brachten im Mai der Korso und viele Firmlinge Leben in den Prater. In "Tafeln mit dem Kaiser" kann man dessen gesellschaftliche Verpflichtungen und diplomatischen Bemühungen nachvollziehen: im Mai 1913 gab es bereits die Balkankriege im Vorfeld des Ersten Weltkriegs. Die Sommermonate verbrachte Franz Joseph in Bad Ischl, daher fanden sie im Wiener Menübuch keinen Niederschlag.

Bei allen Gesellschaftsschichten war die Weihnachtszeit ein besonderer Termin im Wiener Jahreslauf. Wie bei den Bürgern standen auch in Schönbrunn Familienbesuche auf dem Programm, zudem führte der Hochadel zahlreiche karitative Veranstaltungen durch. Erzherzog Karl und Erzherzogin Zita organisierten in ihrem Schloss Hetzendorf eine Bescherung für "20 der ärmsten und bravsten Kinder" des Ortes. Nach katholischem Brauch zählte der Heilige Abend zur vorweihnachtlichen Fastenzeit. Auch für den Kaiser und seine sieben Gäste gab es beim "Christbaumfest" nur Fischspeisen. Am Christtag wurde zum Déjeuner Wiener Schnitzel serviert. Das Menübuch endet mit einem prächtigen Diner am 29. Jänner 1914. Fast auf den Tag genau ein halbes Jahr unterzeichnete Kaiser Franz Joseph in Ischl die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien.