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Marcello La Speranza - Beppo Beyerl: Den Wurschtl kann keiner derschlagen#

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Den Wurschtl kann keiner derschlagen. Band 1 Illusion und Realität im Prater von Marcello La Speranza, Band 2 G'schichtln und Anekdoten von Beppo Beyerl. Edition Mokka Wien 2016, je 224 S. ill. , je € 18,50'

Normalerweise sollte man nicht zwei Bücher parallel lesen. In diesem Fall ist das anders. Die beiden Bände verschiedener Autoren ergänzen und überschneiden sich. Gemeinsam ergeben sie ein kunterbuntes Kaleidoskop, wie es ihrem Thema entspricht. Ihr Thema ist der Wiener Prater, der 2016 sein 250-Jahr-Jubiläum feiert. Sie illustrieren es mit vielen aussagerftigen Bildern, teils eigenen, aktuellen, teils historischen. Großteils ist die linke Seite der Bücher den Abbildungen vorbehalten, auf der rechten stehen die Texte, teils eigene, aktuelle, teils historische - aus Zeitungen, Fachbüchern oder lilterarischen Werken von Adalbert Stifter bis Karl Kraus.

Der Historiker Marcello La Speranza interessiert sich seit langem wissenschatlich für den Wiener Prater - aber auch für Bunker, Bollwerken und das unterirdische Wien. So kommen auch hier, abseits der Glitzerwelt, die dunklen Zeiten und Seiten zur Sprache. Allerdings liegt der Fokus doch auf "Illusion und Realität" vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Der Reporter Beppo Beyerl liefert hingegen "G'schichterln und Anekdoten zum Wiener Prater".

Beide Autoren gehen sehr persönlich (und manchmal wertend) an Geschichte und Geschichten heran. Der Historiker beschäftigt sich eingehend mit Projekten und Realisierung des Prater-Vorplatzes, zu dessen künstlerischen Vätern der akad. Maler Luigi la Speranza zählt. Entwürfe des Vertreters der Wiener Schule des Phantastischen Realismus wurden nur "auf Sparflamme" umgesetzt. Der Reporter unternahm mit seiner Braut samt Trauzeugen und Torte die "Hochzeitsreise" im Riesenrad . Mit dem Olympiateilnehmer und mehrfachen Staatsmeister im Laufen Volker Tulzer joggte der Autor vieler Wanderbücher über die Hauptallee. Hingegen hinkt der Vergleich mit den Wettrennen der herrschaftlichen Läufer, die dort ausgetragen wurden, wobei auch die Jahreszahlen differieren und die erstmalige Veranstaltung nicht genau datierbar ist. Doch, getreu dem Untertitel, geht es hier um "G'schichtln" und nicht um geschichtliche Fakten. Davon findet man umso mehr im Band 1.

Marcello La Speranza beginnt folgerichtig mit "Entstehung, Wandlung und Festigung des Wiener Praters", widmet sich dann einzelnen Fahrgeschäften und Schaustellungen - Ringelspiel, Autodrom, Grotten- und Geisterbahnen, Kinos, Illusionsreisen, Kaperltheater - Trickgeschöpfen - "Die Dame ohne Unterleib" - und legendären Freaks - "Der Rumpfmensch Kobelkoff". Der Zeithistoriker geht der NS-Zeit und der Zerstörung des alten Praters nach und verfolgt die Spuren der Präparate aus "Präuschers Panoptikum", ehe er mit Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett in der Gegenwart landet.

Beppo Beyerl setzt seine Schwerpunkte überblicksartig mit Feuerwerken, Ballonfahrten, Kaffeehäusern, Weltausstellung und Rotunde, "Venedig in Wien" und Riesenrad. Ein Kapitel über die "Praterdynastien" darf ebenso wenig fehlen wie eines über "Sex and Crime". Zudem vermitteln die, wie zufällig eingestreuten, ausführlichen Originaltexte Prateratmosphäre von anno dazumal. Die Auswahl umfasst auchTragisches, wie Brände, Kritisches - "Hände weg vom Prater", 1926 - und Skurriles. Ein eigenes Kapitel widmet Beppo Beyerl der Literatur. In den beiden Bänden kann man vieles finden, was bekannt vorkommt, aber auch eine Reihe Fakten und Geschichten, die wahrscheinlich nur wenige kennen. Jedenfalls sind der Unterhaltungswert und der Wissenszuwachs durch die beiden Bücher groß, und doch bleiben Fragen zum Prater, wie sie schon Adalbert Stifter stellte: "Ist es ein Park? Nein! Ist es eine Wiese? Nein! Ist es ein Garten? Nein! Ein Wald? Nein! Eine Lustanstalt? Nein! - Was denn? Alles dies zusammengenommen!"