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Ernst Lauermann: Die Pyramiden des Weinviertels#

Bild 'Lauermann'

Ernst Lauermann: Die Pyramiden des Weinviertels. Gräber sprechen, wo die Geschichte schweigt. Die Hügelgräber der Hallstattzeit. Edition Winkler-Hermaden Schleinbach. 120 S., ill., € 21,90

Die niederösterreichische Marktgemeinde Großmugl verdankt ihren Namen dem Grabhügel aus der älteren Eisenzeit. 50 Meter im Durchmesser und 14 Meter hoch, ist er der höchste Mitteleuropas und zählt zu den bedeutendsten Bodendenkmälern der Hallstattzeit, die in die Jahrzehnte 800/750 bis 500/450 vor Christus datiert wird. Die Anlage ist weithin sichtbar und dominiert die Gegend. Sie wurde bisher nicht wissenschaftlich untersucht. Neben dem Riesentumulus befindet sich ein kleineres Hügelgrab. Das so genannte "Grab der Königin" war in den 1950er Jahren und ist auch derzeit Gegenstand von Ausgrabungen. Die Archäologen fanden dort Reste eines hölzernen Grabhauses und Keramikgegenstände, darunter eine Reiterfigur. Geophysikalische Messungen ergaben in 200 m Entfernung ein großes, eingeebnetes Hügelgräberfeld. Auf der Flur "Beim Leeberg" sind die beiden bekannten Tumuli jedoch die einzigen. "Lewer" bedeutete im Althochdeutschen "Grabhügel". Viele Ortsnamen weisen darauf hin, wie Gemeinlebarn - "wo die Leute bei den Grabhügeln wohnen". Dort kamen 1885 beim Eisenbahnbau hallstattzeitliche Hügelgräber und Stierkopfgefäße zu Tage.

Im Osthallstattkreis, zu dem Teile von Mähren, Niederösterreich, Burgenland, Steiermark, Kärnten, Slowakei, Westungarn, Slowenien und Kroatien zählen, fand man Fürstengräber mit bemerkenswerten Beigaben. Zur allgemeinen Orientierung stellt Ernst Lauermann zuerst den Westhallstattkreis im süddeutschen Raum vor. Als reich illustrierte Beispiele nennt er den frühkeltischen Fürstensitz auf der Heuneburg bei Sigmaringen mit den dazugehörigen Fürstengräbern, den "Keltenfürst von Hochdorf" und das jüngst entdeckte Fürstinnengrab von Bettelbühl. Die auf einem geschützten Hügel angelegte Heuneburg zählte zu den bedeutendsten befestigten stadtähnlichen Siedlungen Mitteleuropas. Sie bestand aus großen Ständerhäusern, Wirtschaftsgebäuden und Speichern. Bauweise und Objekte verweisen auf Handelsbeziehungen mit dem mediterranen Raum, doch war auch das örtliche Handwerk ausgeprägt kunstfertig. Um 500 v. Chr. versank der repräsentative Fürstensitz - wohl nach einer Eroberung - in Schutt und Asche. Der "Keltenfürst von Hochdorf" mit Grabbeigaben, wie Goldschmuck, bronzene Totenliege, Wagen, Ess- und Trinkgeschirr für neun Personen, beschäftigte die Archäologen in Württemberg rund ein Jahrzehnt. Das Fürstinnengrab von Bettelbühl in der Nähe der Heuneburg wurde erst 2010 entdeckt. Es handelte sich um ein Grab einer keltischen Fürstin, die hier 583 v. Chr. mit kostbaren Objekten aus Gold, Bernstein und Bronze bestattet wurde.

Es steht außer Zweifel, dass zu den Großgrabhügeln in Niederösterreich ein Fürstensitz gehört haben muss, weiß Ernst Lauermann. Allerdings sieht diese herrschaftliche Struktur im Weinviertel anders aus als im Westhallstattkreis. Es ist mit kleinräumigeren Herrschaftsbereichen zu rechnen. Dem früheren Niederösterreichischen Landesarchäologen ist das Thema seit seiner Studienzeit vertraut. Er schrieb 1988 seine Dissertation über die ur- und frühgeschichtlichen Fundstellen des Bezirks Stockerau. Inzwischen hat die Archäologie mit geomagnetischen Messungen und Luftbildaufnahmen neue Dimensionen erreicht. In Großmugl kommt den Wissenschaftlern zugute, dass das Gemeindegebiet zu 95 % aus Äckern besteht, sodass sie ihre Prospektionen großflächig durchführen können. Diese ergaben 81 Tumuli, von denen die Forscher je 22 als "sicher" bzw. "wahrscheinlich" und 37 als "fraglich" einstuften. Außerdem entdeckten sie einen eisenzeitlichen Altweg. Er verband die sich über mehrere Geländeteile erstreckende Siedlung mit dem Gräberfeld und der abgesetzten Großgrabgruppe. Auf der Basis der neuen Ergebnisse fand eine gezielte Grabung statt, die zehn Objekte dokumentierte. Zwar wurden Umfassungsgräben und Scherben von einfachen Urnengräbern festgestellt, doch hat das jahrhundertelange Pflügen viel zerstört.

Allgemein wirkten sich die Tätigkeiten von Grabräubern und Leichenfledderern negativ aus. Doch auch Ausgräber des 19. Jahrhunderts haben, trotz bester Absicht, viel zerstört. Es war noch nicht üblich, die Arbeiten zu dokumentieren, und viele daraus gezogene Schlüsse sind durch neue Erkenntnisse überholt. Zumindest hinterließen diese Pioniere exakte Zeichungen der Fundgegenstände (die auch nicht mehr alle vorhanden sind). Für das voliegende Buch sind es wertvolle Illustrationen. Es dokumentiert außer den Tumuli im Bezirk Korneuburg (Großmugl, Niederhollabrunn,Niederfellabrunn) hallstattzeitliche Grabhügel im Bezirk Mistelbach, Marchfeld, Raum Hollabrunn, Schmidatal, in der Donauebene (Langenlebarn, Gemeinlebarn) und am Wagram. An seinem Abbruchrand, oberhalb des Ortes Gaisruck liegt ein weithin sichtbarer Erdkegel. Da er fälschlich als "illyrisch" galt, bemühte man sich um seine Vermarktung. Man baute eine Aluminumtreppe, einen Steinkreis und eine mächtige Eisenschale für das Sonnwendfeuer. Kulturhunnen ohne Gespür und Vernunft haben hier diesen Platz der Urgeschichte, wahrscheinlich das Beste wollend, verschandelt, kritisiert der Autor. Von ihm sind in den letzten Jahren mehrere Bücher erschienen: Archälogie des Weinviertels (2017) Die dunklen Jahrhunderte des Weinviertels (2018) Der Michelberg (2019).

Seit "die Germanen" nicht mehr populär sind, müssen "die Kelten" für pseudowissenschaftliche Behauptungen herhalten. Da tut eine fundierte Darstellung wie im Buch von Ernst Lauermann richtig gut. Zu den klaren, verständlichen Texten kommen zahlreiche Fotos und Zeichnungen. So gelingt es dem Autor, einen lebendigen Eindruck von der Welt der Hallstattzeit zu vermitteln.

hmw