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Museumsmanagement Niederösterreich: Kaleidoskop der Dinge#

Bild 'Kaleidoskop'

Museumsmanagement Niederösterreich: Kaleidoskop der Dinge. Muster - Sammeln - Sichten - Gestalten. 136 S., ill. € 10,89. Die Publikation ist auch auf Slowakisch erschienen.

Schon die alten Griechen kannten das Kaleidoskop - ein optisches Gerät oder Spielzeug, das durch mehrfache Spiegelungen symmetrische bunte Muster erzeugt. Doch erst im 19. Jahrhundert meldete ein schottischer Physiker das Patent an. Auch viele der im Buch gezeigten Objekte stammen aus dieser Zeit - farbenfroh, phantasievoll und faszinierend wie die Gebilde in einem Kaleidoskop. Ein überaus passender Titel für die jüngste Publikation des Museumsmanagements Niederösterreich. Sie entstand im Rahmen von "Heritage SK-AT". Das Interreg-Projekt beschäftigt sich mit dem kulturellen Erbe des slowakischen Kreises Land um Bratislava und des Bundeslandes Niederösterreich.

Zehn AutorInnen haben in regionalen Museen nach Mustersammlungen verschiedener Handwerkssparten gesucht und sind in 17 Sammlungen und deren Depots fündig geworden. Die Bestände wurden digitalisiert und stehen nun auf internationalen Plattformen zur Verfügung So können sich Interessierte aller Herren Länder mit überlieferten Formen auseinandersetzen und künstlerisch inspirieren lassen. Einleitend stellt die Redakteurin Christa Zahlbruckner die Objektgruppen anhand des verwendeten Materials vor. Metallverarbeitung umfasst neben Schmiedekunst auch Gießen, Gravieren und Flechten. Zur Keramikherstellung gehören Hafnerei, Bauelemente, Haushaltsgegenstände oder Porzellanobjekte. Wachszieher und Lebzelter war lange Zeit ein Beruf. Seine Angehörigen verarbeiteten Wachs und Honig und formten Lebkuchen in meist selbst geschnitzten Holzmodeln. Die Mustersammlungen dokumentieren, wie Modeströmungen Textilien und deren Veredelung durch Drucken oder Sticken beeinflussten.

In Guntramsdorf befindet sich ein spezielles Industriemuseum. Die einst einzige Walzengravieranstalt Österreichs wurde 1909 gegründet und 1986 geschlossen. Sie produzierte Druck- und Prägewalzen für Textil-, Papier-, Metall-, Kunststoff- und Glasfabriken. 1989 wurde das - inzwischen denkmalgeschützte - Ensemble zum Museum. Sein Herzstück bildet die 250 m² große Werkshalle mit der Zentraltransmission zum Antrieb der komplett erhaltenen Maschinen. Geschichte und Produkte des Unternehmens sind perfekt dokumentiert. Alle Auftragsbücher haben sich erhalten, ebenso 4000 Moletten (Formen), zahlreiche Entwurfszeichnungen und Musterabdrucke. Eines der bekanntesten Dessins war das geprägte Spinnenpapier, das Generationen von Kindern zum Einbinden ihrer Schulhefte und -bücher diente.

Als "kulturelles Erbe im Wandel" stellt sich die Drahtbinderei dar. Zwei Jahrhunderte lang waren Wanderhandwerker aus dem armen Nordwesten der Slowakei in Europa unterwegs, um zerbrochene Gefäße zu flicken und Alltagsgegenstände aus Draht zu verkaufen. Erst im 20. Jahrhundert erkannte man das kunsthandwerkliche Potential des inzwischen fast ausgestorbenen, nicht gerade angesehenen Berufes. Seit den 1970er Jahren gibt es Ausbildungsangebote für Hobby- und kommerzielle Drahtbinderei, die seither wieder von 100 Männern (und Frauen!) ausgeübt wird. Sie produzieren keine Mausefallen mehr, sondern Schmuck oder kreativ gestaltete Zäune.

Viele Beispiele im Buch betreffen die Ton-Kunst. Das Kleinkarpatische Museum Pezinok verfügt über eine umfangreiche Sammlung von Zeichnungen und Kacheln, die als Vorlagen für das Malen auf Keramik dienten. Besonders interessant war die Entdeckung des Depots in der Kachelofenmanufaktur des ehemaligen Hoflieferanten Erndt in Klein-Pöchlarn. Bei der Inventarisierung ihrer Model tauchten solche von Öfen im Schloss Schönbrunn auf, beispielsweise für das Badezimmer von Kaiserin Elisabeth. In Wilhelmsburg wurde das ehemalige 100.000 m² große Fabriksgelände zum Geschirrmuseum. Bekannt war das dort produzierte Lilienporzellan mit dem populären pastellfarbenen "Daisy"-Service. Die Fabrik, die bis zu 800 Menschen Arbeit gab, stellte 2020, nach mehr als zwei Jahrhunderten, den Betrieb ein. Erfreulicherweise nutzen jetzt Studierende der New Design University St. Pölten das Keramikstudio des Museums.

Das Projekt "Heritage SK-AT" hat sich auch der Neuinterpretation kulturellen Erbes verschrieben. Jugendliche aus Bratislava übersetzten traditionelle Motive der Habaner Keramik in Grafitti-Tafeln, die in der alten Keramikstadt Modra zu sehen sind. Seit 1636 Sitz einer Töpferzunft, wurde sie vor allem durch die Habaner Fayencen bekannt. Ende des19. Jahrhunderts entstand hier eine Fachschule für Keramik. Ein Jahrhundert später erfuhr das traditionelle Handwerk neuen Aufschwung. Nationale Künstler und akademische Bildhauer kümmerten sich um die Produktion der "slowakischen Volksmajolika". Die Stadt war ein wichtiges Handwerkszentrum in der Westslowakei. Daher bewahrt das Kleinkarpatische Bildungszentrum in Modra auch Trachten, Stickereien und Spitzen. Einen weiteren wirtschaftlichen Schwerpunkt der Gegend bildete seit dem 13. Jahrhundert der Weinbau. Er und die Zulieferer - Fassbinder, Schmiede, Messerer, Glasmacher - sind in mit zahlreichen Objekten vertreten.

Ehe im Buch von den Online-Sammlungen im Rahmen des Projekts berichtet wird, gibt es einen Überblick über Muster und Entwürfe im Bestand der Landessammlungen Niederösterreich. Unter ihren sechs Millionen Objekten befinden sich mehr als 2000 Textilien, Musterbücher, Zeichnungen, Entwürfe und Geräte der k. u. k. priv. Modewarenfabrik Hackl & Söhne in Weitra. Die Firma produzierte seit 1860 Stoffe von Jute bis Seide und erhielt auf den Weltausstellungen in Wien (1873) und Paris (1878) Auszeichnungen. Diese Exponate und das Firmenarchiv befinden sich nun in den Landessammlungen. Ihre volkskundliche Abteilung verfügt über Muster-Konvolute, z.B. Papiertapeten, Druckmodel und Klöppelbriefe. Auch diese wurden fotografisch dokumentiert und in der Datenbank erfasst. "Kaleidoskop" bedeutet wörtlich "schöne Formen sehen". Im konkreten Fall betrifft das nicht nur die dargestellten Gegenstande, sondern die ganze Publikation, die Anna Mattes perfekt gestaltet hat.

hmw