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Robert Bouchal, Brigitte Huber: Marchfeld#

Bild 'Bouchal'

Robert Bouchal, Brigitte Huber: Marchfeld. Das stille Paradies Österreichs. Mit Aquarellen von Bruno Wegscheider. Kral Verlag Berndorf. 324 S., ill., € 29,90

Die Niederösterreichische Landesausstellung von März bis November 2022 steht im Zeichen des Marchfelds. Unter dem Titel "Marchfeld Geheimnisse - Mensch.Kultur.Natur." und dem Motto "1 Landstrich. 1.001 Geheimnisse" geht es um die Beziehung zwischen Mensch und Natur im Lauf der Geschichte. Schauplatz ist das Barockschloss Marchegg im gleichnamigen Ort an der March. Dafür wurde das nach dem Zweiten Weltkrieg stark devastierte und dann eher provisorisch genutzte Gebäude umfassend revitalisiert. Das neueste Bouchal-Buch kommt zur Ausstellung gerade recht.

Im Vorjahr hat der Bildautor Robert Bouchal dem Burgenland zum 100-Jahr-Jubiläum mit einem Buch aus dem Kral-Verlag ein repräsentatives "Geburtstagsgeschenk" gemacht. Nun ist das stille Paradies in Niederösterreich Thema eines ebenso faszinierenden Bandes. Ergänzt werden seine rund 700 Fotos durch Aquarelle zur Fauna von Bruno Wegscheider. Den informativen Text schrieb die Reisebloggerin Brigitte Huber. Gemeinsam stellen sie alle 23 Gemeinden des Bezirks Gänserndorf vor, die im Regionsverband Marchfeld zusammengeschlossen sind. Da es nicht aus allen Gemeinden besonders viel Bemerkenswertes zu erzählen gibt, ergänzen dazu passende allgemeine Themen die jeweiligen Kapitel.

Geht man von der traditionellen Vierteleinteilung Niederösterreichs aus, so zählt das Grenzland an der March zum Weinviertel. Das Autorenteam nennt den Landstrich eine Region stiller und großer Schönheit - und eine Region der Superlative. Die erste Dampfeisenbahnstrecke Österreichs ließ das Marchfeld zum Vorreiter der Mobilitätswende werden, aber auch das erste Naturschutzgebiet Österreichs findet sich im nordöstlichen Zipfel des Landes. Für die Bewässerung der Felder sorgt heute das größte künstliche Gewässernetz Österreichs, während die unberührten Aulandschaften von Donau und March Heimat für ganz einzigartige - und in den Sanddünen von Oberweiden sogar ganz eigenartige - Fauna und Flora bieten.

Mit 900 km² ist das Marchfeld eine der größten Ebenen Österreichs. Man kennt es als Kornkammer und Gemüselieferant Wiens, denkt an den Nationalpark Donau-Auen, die Erdölvorkommen im Norden und besonders an die Marchfeldschlösser. Schloss Hof, Niederweiden, Orth, Marchegg und Eckartsau sind unter der Marke Marchfelder Schlösserstraße touristisch vernetzt. Dazu kommt das versteckte Kleinod Obersiebenbrunn, das seit 2001 als Kloster der Koptisch-Orthodoxen Kirche nicht mehr öffentlich zugänglich ist. Der Gartenpavillon nach Plänen Lucas von Hildebrandts, mit Groteskenmalereien aus dem Land- und Jagdleben geziert, liegt in einem 49 Hektar großen Park. Kaiser Karl VI. hatte das Anwesen samt Jagdrevier dem Türkensieger Prinz Eugen geschenkt.

Die Rundreise startet an der Grenze Wiens, im "Stadtl" Groß-Enzersdorf. Seine Geschichte begann anno 870 als "Encinesdorf" auf einer Donauinsel. Die Stadtmauer ist mehr als 600 Jahre alt. Wie bei jedem Kapitel bietet ein Kasten Kurzinformationen. Hier erfährt man, dass die Stadtgemeinde 11,740 Einwohner hat und aus neun Katastralgemeinden besteht. Jene von Oberhausen besitzt mit Schloss Sachsengang die älteste Befestigungsanlage des Marchfelds (1030 erwähnt). Aus der Auvorstadt gelangt man in den Nationalpark. Dann kann man gleich in den Lebensraum Donau "eintauchen". Hochwasserschutz, Donauarme und die umgebende Fauna und Flora sind hier einige Schwerpunkte. Die wunderbaren Fotos machen Lust auf einen Ausflug ins Grüne, der am besten im Nationalparkzentrum im Schloss Orth beginnt. Dieses präsentiert sich seit kurzem vorbildlich revitalisiert. Als nächster Herrschaftssitz lädt Eckartsau zum Besuch ein. Im versteckten Märchenschloss im einstigen Jagdgebiet endete 1919 de 640-jährige Monarchie der Habsburger. Schloss Hof in der Marktgemeinde Engelhartstetten ist der Klassiker schlechthin. Es grenzt an ein Wunder, dass die größte Landschlossanlage Österreichs und ihre "kleine Schwester" Eckartsau mit den überwältigenden Gartenanlagen vor einigen Jahren wieder hergestellt wurden. Wie man sieht, lohnen sich Investitionen in Kulturgüter. Professionell betrieben, können sie sogar zu Publikumsmagneten werden. Das wäre auch Marchegg zu wünschen. Das Schloss wurde für die heurige Landesausstellung revitalisiert. Als Treffpunkt der Störche war es schon länger bekannt. Die Zahl der Brutpaare verdoppelte sich seit den 1970er Jahren. Ihnen zuliebe hat man die Restaurierung der Kaminköpfe durchgeführt, als die Zugvögel ausgeflogen waren. Interessant sind hier die Vorher-nachher-Fotos. An Stelle des schönbrunnergelben Anstrichs der Fassaden ist der ursprüngliche helle Grauton getreten.

In Angern an der March verwandelte sich der ehemalige Eiserne Vorhang in einen Grüngürtel mit spezieller Tier- und Pflanzenwelt. Artenreichtum wie sonst nirgendwo entdeckt man nicht nur in der Au. Die Gemeinde Haringsee, in der sich Museums- und Kulissendepots befinden, hat sich seit 1975 mit der Eulen- und Greifvogelstation einen Namen gemacht. Mehr als 70 Volieren und Gehege bieten auf 12.000 m² Vögeln und Wildtieren Erholung. Dazu kommt ein 16.000 Hektar großes Trappenschutzgebiet des World Wildlife Fund. Großtrappen sind - mit bis zu 16 kg - die schwersten flugfähigen Vögel Europas. Weikendorf repräsentiert stellvertretend die Landwirtschaft mit den unübersehbaren Lagerhaustürmen für Getreide. Gänserndorf ist mit 11.832 Einwohnern die Bezirkshauptstadt, an deren Rand, in Baumgarten, eines der wichtigsten Erdgas-Verteilerzentren Europas liegt. An den Safaripark, der bis 2004 bestand, erinnern Säulen, die mit Fellmustern von Wildtieren bemalt sind. Sonst aber hat sich der Ort gans der Gans verschrieben. Strasshof verweist mit dem Namenszusatz "an der Nordbahn" auf seine ehemalige Vorreiterrolle im Zugsverkehr. Hier war der größte Verschubbahnhof der Monarchie. Als Eisenbahnmuseum lässt "das Heizhaus" heute die Herzen der Bahnfans höher schlagen. In Aderklaa findet man keine Wege aus Stahl, aber solche mit Vergangenheit: Die Gemeinde liegt an der Bernsteinstraße, dem wichtigsten Nord-Süd-Handelsweg der Bronzezeit.

Das gleichermaßen schöne, wie ausführliche und gut lesbare, Buch deckt die vielen Aspekte der Region, in der noch so vieles unbekannt ist und in der es noch so viel zu entdecken gibt hervorragend ab. Traurige und schreckliche Fakten wie Begegnungen der Armeen fehlen nicht, doch überwiegt das Sympathische. Es geht um Nahrhaftes, wie Bekannt in ganz Österreich, wo dem Marchfelderhof in Deutsch-Wagram sehr viel Platz gewidmet ist, den Gemüsegarten Wiens rund um Raasdorf mit den Spargeldämmen, die "neue" Landwirtschaft, beispielsweise in Glinzendorf, und die Leopoldsdorfer Zuckerfabrik, die pro Kampagne 12.500 Tonnen Rüben verarbeitet. Nostalgisch wird es beim Eintauchen in Großmutters Zeiten, Auf der Suche nach Lost Places oder Von Land und Leuten und alten Traditionen, die wieder aufleben dürfen. Die Landesausstellung verspricht "1.001 Geheimnisse", mit diesem Bild-Text-Band kann man ihnen auf die Spur kommen.

hmw