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1 Apokalypse, Krieg und Tod

Vorbemerkung

Die Bilder in diesem Kapitel stammen zum Großteil aus den fünfziger und sechziger Jahren, einer Zeit, in welcher die Erinnerung an die eigenen Kriegserlebnisse im Künstler noch weiter wirkte und aufgearbeitet werden wollte, in der aber auch der Kalte Krieg und die Drohung eines atomaren Desasters im Raum standen. Regscheks Jahre in Paris fielen überdies mit der Hochblüte des französischen Existentialismus (Jean-Paul Sartre, Albert Camus, Simone de Beauvoir) zusammen, einer philosophischen Richtung mit eher pessimistischer Weltsicht, die den Künstler wohl bewusst oder unbewusst mitgeprägt hat.

Apokalypse (griechisch apokalypsis, Enthüllung) ist zunächst eine Literaturgattung - vor allem im Judentum - die sich mit visionären Ansichten und auf Symbole gestützten Prophetien befasst. Eines dieser Werke, nämlich die Apokalypse des Johannes (»Geheime Offenbarung«) hat Eingang in die Bibel gefunden. Dadurch wurde sie zu einem wichtigen Topos der europäischen Kunst: von Bosch und Dürer bis Dali und Picasso haben unzählige Künstler das Thema des Weltuntergangs- und anderer Menschheitskatastrophen bildlich dargestellt.

In den siebziger Jahren tritt das Bild der zerstörten Erde, zerstörter Bindungen, verstörter Seelen, verwelkter Pflanzen, der von der Chemie zerstörten Landschaft etc. an die Stelle von Krieg und atomarer Katastrophe. Diese Themen bewegten Kurt Regschek

Werkzeug der Macht
Werkzeug der Macht (1956), Bleistift auf Papier, 28x37, PB

Nur ein Werkzeug im »bösen Spiel« der Macht

1956 - die Zeit des Kalten Krieges und des Ungarnaufstands. Kurt Regschek stellt das »böse Spiel« dar, das mit dem Menschen getrieben wird (»Das böse Spiel« war der Titel eines surrealistischen Bildes von Salvador Dali, das im Jahr 1929 einen Skandal verursachte). Obwohl ein erwachsener Mann, trägt die Figur im Vordergrund der Bühne einen Papier-Tschako und hat ein Holzschwert im Gürtel stecken. Nackt - und damit bloßgestellt - tanzt er vor der das Bild beherrschenden Gestalt des Todes und trampelt mit seinen »Knobelbechern« auf einem weißen Tuch - seine unschuldigen Opfer symbolisierend - herum. Hat sich der Künstler selbst als missbrauchtes »Werkzeug der Macht« dargestellt?

Kurt Regschek: »Das böse Spiel besteht darin, dass einer, der ohnmächtig ist, durch Accessoires, die ihm gar nicht wirklich helfen, glauben gemacht wird, er wäre mächtig. Er ist aber ein armer Irrer, der nur glaubt, mächtig zu sein. Das ist ein Spiel, das die Mächtigen mit fast allen Leuten treiben - >du bist mächtig, weil du mich alle vier Jahre wählen darfst<«.

Der Tod im Kostüm eines Richters erinnert an den Tod in Hofmannsthals »Jedermann«. In verwüsteter Landschaft mit Schützengraben und ausgebrannten Wäldern liegen die traurigen Reste des Schlach-tens: ein verstümmelter, von Schüssen durchsiebter Leichnam, eine zerschossene Lafette samt den zwei toten Pferden, die sie zogen. Die von rechts auf die Bühne stürmenden Gestalten bestehen aus leeren Uniformen. Ihre Kopflosigkeit ist ein Symbol dafür, dass ihre Träger ohne zu denken einer Idee (Ideologie) nachlaufen. Die Fahne, unter der sie zum Sturm antreten, trägt der Form nach das Symbol des Roten Kreuzes, das aber erkennbar als schwarzes Kreuz dargestellt wird - wohl ein Zeichen des unmittelbar bevorstehenden Todes. Das Bedrückende des Bildes wird durch die Technik (Bleistiftzeichnung) verstärkt. Zu dieser Zeit arbeitete der Künstler überaus akribisch. So hat er ein ca. 14 x 8 cm großes Stück aus dem Karton ausgeschnitten, offensichtlich war ermit dem darauf Gezeichneten nicht zufrieden und hat einen exakt zugeschnittenen neuen Teil hinzugefügt und damit das Bild ergänzt. Dieses Bild war eine Vorarbeit für »la danse cruelle«: Regschek selbst ist der junge Mann mit dem gealterten Gesicht. Er fragt den Tod »Warum nimmst Du nicht mich?« Dieser antwortet: »Was soll ich mit Dir tun? Ich habe schon so reiche Beute gemacht«.

La danse cruelle
La danse cruelle (1959), Mischtechnik auf Holz, 49x39, PB

Der grausame Tanz

Die Szene erinnert an das drei Jahre früher entstandene Bild »Werkzeug der Macht«. Mit beiden Werken hat sich Kurt Regschek seine eigenen Erlebnisse im Inferno von Krieg und Tod »von der Seele gemalt«: ein russischer Soldat tanzt zu den Trommelrhythmen des Todes. Der Maler: »Ich meinte eigentlichgar nicht den Russen, der Russe war mir damals nur nahe als Feindbild. Er war aber genau so ein Depp wie ich, nur auf der anderen Seite«. Auf der Strecke bleibt der Mensch und seine so fest gemauert erscheinenden Werke - Orange und Rot drücken Feuer und Schwert des Krieges aus. Das rot-orange Flammenmeer lässt an einen Weltenbrand denken. Die Opfer sind Unschuldige wie das Kind mit dem Holzbein - es mag an die schwere Verwundung des Künstlers erinnern, der nur unter größter Willensanstrengung einer Beinamputation entging. Der Tod - eine Gestalt mit Vogelkopf und Schaftstiefeln rührt die violett geflammte Landsknechtstrommel. Immer wieder hatte Kurt Regschek die Vision des Todes als Vogel:

»Der Vogel hat für mich - ich weiß nicht, wo ich das her habe - etwas Böses. Das Böse, der Killertod, ist für mich immer ein Vogel und zwar ein Hahn. Für mich gibt es keinen Totenkopf, sondern einen Hahn, vor dem ich mich fürchte ... In diesem Bild sehe ich auch Satanisches, ein Mensch, der tanzend zerstört - la danse cruelle.«

Violett sind auch das Kleid des verstümmelten Kindes und die zum Teil zerfließenden Tücher, die aus den Ruinen heraushängen und das zerschmetterte menschliche Skelett bedecken. Insgesamt machen die Farben den Schrecken des Bildes ein wenig erträglicher.

Der große Magier
Der große Magier (1959), Öl auf Leinen, 96x73, Österreichische Galerie des 20. Jahrhunderts im Belvedere

Wie von Jaspis und Sarder

Laut Johann Muschik (»Die Wiener Schule des Phantastischen Realismus«) wurde Kurt Regschek zu diesem Bild durch eine Stelle in der Geheimen Offenbarung Johannis angeregt. Über einer braunroten, vom Feuer verwüsteten Erde schwebt die mit Zeichen herrscherlicher Würde (Strahlenkrone, Spitzen, Perlen) ausgestattete Gestalt des »großen Magiers«. Kurt Regschek:

»Perlen sind Zeichen der Schönheit und Reinheit. Perlen haben eine starke Magie. Schön sind sie durch die Verbindung des Elements Wasser mit dem Tier. Perlenketten waren nicht umsonst nur Königinnen und Fürstinnen vorbehalten. Deshalb passt der Titel zum Bild: er ist genau der, der er ist, er ist mächtig und spielt mit Dingen, von denen wir nicht wissen.«

Die Gestalt des großen Magiers ist die eines Menschen, wenn sie auch nicht wirklich menschlich, sonder eher gläsern wirkt: »wie von Jaspis und Sarder«. Neben dem Zauberstab kennzeichnet den Magier das als Edelstein dargestellte »dritte Auge«. Dieses Element erinnert an die Rolle des mittleren Edelsteins in der Wiener Reichskrone und des Saphirs an der Spitze der österreichischen Kaiserkrone (vgl. Peter Diem: Die Symbole Österreichs, 1995, S. 161 ff. und 183 ff.) Der Magier wirft die sieben Schalen des Zorns (Apk 16,1, hier: Atompilze) auf die Erde, aber schon entstehen aus dem Chaos wieder neue Welten als glühende Kerne. Gesicht und Blick scheinen neben beschwörender Kraft auch so etwas wie Bedauern über das von den Menschen selbst verschuldete Zerstörungswerk auszudrücken.

Der letzte König
Der letzte König (1961), Mischtechnik auf Leinen auf Holz, 62x82, PB

Ein schrecklicher Gedanke...

Das größte Problem für den Menschen ist sein Wissen, dass er sterben muss. Irgendwann wünscht sich jeder, dass ihm das erspart bleiben möge. Das Bild zeigt die Erfüllung dieses Wunsches in seiner letzen Konsequenz. Seit undenkbar langer Zeit gibt es schon keine anderen Menschen mehr, außer ihm, dem »letzten König«. Insekten haben sich als einzige Mitbewohner auf dem völlig unwirtlich gewordenen Planeten weiterentwickelt, nur Ruinen erinnern an versunkene Zivilisationen. Ein feuerspeiender Berg und pilzförmige Gebirgsformationen deuten große Katastrophen oder Millionen Jahre währende geologische Wandlungsprozesse an, während das vorherrschende Rot-Gelb-Orange des Bildes auch als Warnung an den Menschen zu verstehen ist, sich dem Wunsch nach Unsterblichkeit nicht hinzugeben. Krone, Thron, das rote, reiche Gewand, Insignien der Macht, sind bedeutungslos geworden. Dieses auch farblich besonders eindrucksvolle Bild ist zu einem der Markenzeichen von Kurt Regschek geworden.

Hans H. Hofstätter weist darauf hin, dass der Tod als individuelles Lebensende von Künstlern in immer neuen Visionen gezeigt wird, so etwa auch von Kurt Regschek

»im Bild des allerletzten Königs, der anf den Ruinen der Welt thront. Er ist weniger König als vielmehr >allerletzter Mensch<, dem - wie der Künstler selbst interpretiert - vielleicht grausamer weise der Wunsch erfüllt wurde, nicht sterben zu müssen. Ihm fiel die Herrschaft über die entvölkerte Welt zu, die von riesenhaften Insekten bewohnt wird und auf der sein Dasein - überhaupt jegliches Dasein - überflüssig wird. Solche Visionen sind aus dem Absoluten geschaut und können nie geschichtliche Wirklichkeit werden, weil dann - um sie zu erfüllen - kein geschichtliches Bewusstsein vorhanden wäre, das sie registrieren könnte. Niemand weiß, wie weit die Welt davon entfernt ist.«
(in: Symbolismus und die Kunst der Jahrhundertwende, DuMont Verlag, 1984)

Remis
Remis (1965), Mischtechnik auf Holz, 55x125, PB

Natur gegen Technik

Wer gewinnt das Ringen um die endgültige Herrschaft über die Erde - die Natur oder die Technik? In reziprok versetzter schwebender Darstellung (die »Natur« über einem Wolkenkratzerensemble, die »Technik« über noch intakter Landschaft) kämpft ein mit großen Flossen geflügelter Riesenfisch mit dem »Feuer aus der Flasche«, indem er es zu verschlingen sucht. Die Vorstellung des feuerspeienden Drachen ist hier in ihr Gegenteil verkehrt. Die atom-pilzähnliche Flamme bricht aus einer komplexen Maschinerie hervor, die in einer breiten Flasche aus grünlichem Glas brennbares Gas produziert. In fein ziselierter Zeichnung sind dargestellt: Ein Elektromotor, der seine Kraft durch Transmissionsriemen überträgt, ein Mühlrad und ein stilisiertes Differentialgetriebe - alles Symbole der Industriegeschichte. Es entsteht der Eindruck eines gerade stattfindenden Duells zwischen gigantischen Kräften und welthistorischen Gegensätzen. Ohne Fragezeichen gesetzt, signalisiert der Bildtitel einen Gleichstand der Kräfte. »Für die damalige Zeit war das auch richtig«, meinte Kurt Regschek, »prognostisch, visionär - l'art visionaire«. Ob es auch heute noch so ist, bezweifelte freilich auch er.

Der Gekreuzigte
Die Gekreuzigten (1969), Öl auf Hartfaser, 53x74, PB

Das vergebliche Opfer

Die Darstellung erinnert an ein Altarbild - aber wie anders sieht hier der Künstler das Kreuzigungsmotiv! Über der verwüsteten Erde schweben zahllose, zum größten Teil verstümmelte Gekreuzigte, als wären sie Devotionalien zur Erinnerung an den unverstandenen Opfertod Christi. Kurt Regschek:

»Alle Devotionalien nützen nichts. Selbst dieser und noch Hunderte und Tausende Opfertode anderer haben den Menschen nicht daran gehindert, die Erde zur Wüste zu machen. Jetzt ist er selbst ein Gekreuzigter«. Die Erde, im entfernteren, bergigen Bereich noch naturbraun, ist im Vordergrund mit Blutflecken bedeckt. Im Interview mit Monika Bugs nannte Kurt Regschek dieses Bild »Geschwader Jesu«.

»Ich finde das Bild deshalb interessant, weil meines Wissens nirgendwo mehrere Gekreuzigte nebeneinander dargestellt werden. So etwas habe ich noch nie gesehen. Wir haben eine Zeit lang diese Torsi gesammelt, aber ich habe sie wieder weggehängt, weil sie mich nach der Harmonielehre des Feng Shui zu sehr bedrücken: das Geschwader Christi zieht über die Erde und die Erde ist verwüstet, es gibt kein Leben mehr. Das steht auch für die Menschen, die gleichsam auf Zeit und Raum gekreuzigt sind, also die geschundene Menschheit.«

(Lisl Regschek)

Die Umwelt stirbt...

Die Landschaft zwischen Köln und Bonn wird von einer Reihe von Erdölraffinerien und anderen Anlagen der chemischen Industrie beherrscht. Kilometerlang sieht man nichts als Rohrleitungen, Öfen, Reaktoren, Kühler, Verdampfer etc. darüber Schlote und Fackeln. Diese Anlagen stellt Kurt Regschek detailgetreu in eine Wüstenlandschaft. Links im Bild reichen sie bis an den Horizont, an dem rechts der Kölner Dom und eine Rheinbrücke sichtbar wird. Der Himmel verdüstert sich hinter den Dampfund Abgaswolken, die aus den Schloten dringen. Wir blicken in eine Industriewüste, Symbol für die Zerstörung der Natur durch den Menschen. Schon 1970 hatte sich Kurt Regschek mit dem Bild »Der Triumph der Chemie« mit der Industrielandschaft im Rheinland beschäftigt.

Der apokalyptische Reiter
Der apokalyptische Reiter (1990), Öl auf Leinen, 100x75, PB

Apokalypse

»Als das Lamm das zweite Siegel öffnete, hörte ich das zweite Lebewesen rufen: Komm! Da erschien ein anderes Pferd; das war feuerrot. Und der, der auf ihm saß, wurde ermächtigt, der Erde den Frieden zu nehmen, damit die Menschen sich gegenseitig abschlachteten. Und es wurde ihm ein großes Schwert gegeben.«

(Apk 6,3).

Getreu dem Text der Apokalypse wird das Bild durch das für Krieg und Katastrophe stehende Rot des »feuerroten« Pferdes dominiert. Dieses farbliche Signal setzt sich bis in den Himmel fort, der hinter blauvioletten Wolkenformationen in ein bedrohliches Weinrot getaucht erscheint. Der Kopf des Pferdes ist dem mittelalterlichen Pferdeharnisch angeglichen, was den unheilbringenden Eindruck des herabspringenden Tieres noch verstärkt. Aus dem Maul des Pferdes entweicht eine feurige Wolke. Unter dem Sattel wird ein Nuklearmuster sichtbar, das dem Atomium in Brüssel ähnlich ist und wohl die Vernichtungskraft der Kernenergie symbolisiert. Der Reiter, einem römischen Krieger mit Helm und fliegendem Mantel nachempfunden, schwingt sein tödliches Schwert am oberen Bildrand. Von dort herab kommt jene universelle Zerstörung, die der bekannte Wiener Tiefenpsychologe Wilfried Daim (Jahrgang 1923 wie Kurt Regschek) als eine Folge des Menschheitsselbstmords durch Atomwaffen geschildert hat (Wilfried Daim, Totaler Untergang, Manz, München, 1959).

Unter dem direkt aus dem Himmel heraussprengenden Reiter steigt eine orange Explosionswolke auf, die als doppelter Atompilz auf weißglühender Feuersäule dargestellt wird. In fahlem Licht liegt die Erde als vernichtete Stadt vor uns, deren ausgebrannte Häuser uns wie Totenköpfe mit leeren Augenhöhlen ansehen. Ein einziger verbrannter Baum erinnert noch daran, dass die Erde einst ein grünes Pflanzenkleid trug.


© Bild und Texte Peter Diem und Anton Wladar