!!!Thermisch-hygrisches Verhalten von GlasDoppelFassaden unter solarer Einwirkung – Theorieevaluierung durch Vorort-Messung

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Von

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__Dipl.-Ing. Herwig Hengsberger__

Institut für Hochbau für Architekten

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__Ao.Univ.-Prof. Mag. Dipl.-Ing. Dr.iur.Dr.techn. Peter Kautsch__\\

Institut für Hoch- und Industriebau


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[{Image src='0203_BAU_Thermisch-hygrisches_Verhalten_von_GlasDoppelFassaden1.jpg' alt='Dipl.-Ing. Herwig Hengsberger' caption='Herwig Hengsberger' popup='false'}]
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[{Image src='0203_BAU_Thermisch-hygrisches_Verhalten_von_GlasDoppelFassaden2.jpg' alt='Ao.Univ.-Prof. Mag. Dipl.-Ing. Dr.iur.Dr.techn. Peter Kautsch' caption='Peter Kautsch' popup='false'}]
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''© Forschungsjournal WS 2002/2003''
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__Unter dem Gesichtspunkt einer umfassenden Bewertung
von GlasDoppelFassaden bildet die messtechnische
Erfassung der kombinierten Wärmetransportmechanismen im
Fassadenzwischenraum und die Untersuchung der Korrelation
zwischen den Messergebnissen und thermischen bzw.
fluidmechanischen Simulationsberechnungen den Schwerpunkt der
gegenständlichen Forschungsarbeit.__

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[{Image src='0203_BAU_Thermisch-hygrisches_Verhalten_von_GlasDoppelFassaden3.jpg' class='image_right' caption='Abb. 1: Südansicht des Versuchsobjektes mit Messfeldern „Fenster“ und „Wand“\\© Forschungsjournal WS 2002/2003' alt='Versuchsobjekt mit Messfeldern „Fenster“ und „Wand“' width='300' height='230'}]

__Motivation__\\
Im Zuge des sprunghaften Anstiegs der „Glas-Architektur“ werden
seit über 10 Jahren sogenannte GlasDoppelFassaden (GDF)
international äußerst kontroversiell diskutiert.

Von den einen als innovative, ökologische und zukunftsträchtige
Konzepte gepriesen, werden sie von anderen als unwirtschaftlich,
bauphysikalisch problematisch und in unseren Breiten als fehl am
Platz bezeichnet.

Grundsätzlich bestehen Glasdoppelfassaden aus einer inneren
oder Primärfassade, meist in Form einer Zweischeibenisolierverglasung,
einem Fassadenzwischenraum von etwa 20 - 100 cm Tiefe
und einer äußeren oder Sekundärfassade aus Einscheibensicherheitsglas.
Unterschiede zwischen den zahlreichen Ausführungsvarianten
bestehen vor allem in
der Unterteilung des Fassadenzwischenraumes
und in
den Lüftungskonzepten.
In Baden bei Wien wurde
1998 der vom Grazer Architekturbüro
Florian Riegler/Roger
Riewe geplante Neubau des
Bundesinstituts für Sozialpädagogik
fertiggestellt. Das
fünfgeschossige, allseitig
verglaste Gebäude bot die
Möglichkeit, zwei Extremfälle
einer vorgehängten Glasfassade
zu untersuchen: die
freie, solar- und windinduzierte
Strömung in dem 17 m
hohen und 14 cm tiefen, nicht
unterteilten Luftspalt zwischen
Beton- und Glasfassade und
den Fall der komplex turbulenten
Strömungsverhältnisse im
Bereich der doppelten Glasflächen und der „Fensterkästen“. Eine
vorgehängte Glasfassade mit Fensterkästen stellt einen interessanten
Sonderfall von GlasDoppelFassaden dar, indem sie die Vorteile
einschaliger Fassaden – wie zB die Möglichkeit der direkten Fensterlüftung
- mit den wärmetechnischen Vorteilen von „klassischen“
GDF verbindet.
Das vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie
im Rahmen der Programmlinie „Haus der Zukunft“ geförderte Projekt wurde in fakultätsübergreifender Kooperation mit den Instituten
für Wärmetechnik (Ao.Univ.-Prof. DI Dr. Wolfgang Streicher)
bzw. für Strömungslehre und Wärmeübertragung (Ass.-Prof. DI Dr.
Walter Meile) sowie dem Institut für Baustofflehre, Bauphysik und
Brandschutz, Abteilung Bauphysik der TU Wien (O.Univ.-Prof. DI Dr.
Jürgen Dreyer) durchgeführt und von der Fa. Morocutti [Stahlbau|Thema/Stahlbau]
unterstützt.

Ein Folgeprojekt, das im Zuge der laufenden Ausschreibung zum
6. EU-Rahmenprogramm für Forschung, technologische Entwicklung
und Demonstration von einem Konsortium der TU Graz in
Zusammenarbeit mit der Industrie eingereicht wird (Koordinator:
Prof. DI Dr. Wolfgang Streicher), soll die Untersuchung der Energiebilanzen
sowie der Interaktion von GlasDoppelFassaden mit dem
dahinterliegenden Gebäude unter Einbeziehung des Nutzerverhaltens
zum Inhalt haben.

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[{Image src='0203_BAU_Thermisch-hygrisches_Verhalten_von_GlasDoppelFassaden4.jpg' class='image_left' caption='Abb. 2: Computational Fluid Dynamics (CFD) Simulation der Temperaturen (°C) im Fassadenzwischenraum; Winterfall, Zu- und Abluftklappen geschlossen\\© Forschungsjournal WS 2002/2003' alt='Computational Fluid Dynamics (CFD) Simulation der Temperaturen' width='200' height='228'}]

__Die Messfassade__\\
Das 53,7 m lange, 14 m breite und 17 m hohe, Ost-West orientierte,
fünfgeschossige Gebäude ist mit einer allseitigen Glasfassade
ausgestattet, welche als sogenannte unsegmentierte Vorhangfassade
bezeichnet werden kann. Das heißt, es gibt abgesehen von einzelnen
Fensterkästen, welche
gegen den Fassadenzwischenraum
durch gedämmte
Metallpaneele
abgeschottet sind, weder
horizontale noch vertikale
Unterteilungen des Fassadenzwischenraumes.
Die Fensterkästen ermöglichen
eine direkte Lüftung
der dahinterliegenden Räume
unter Umgehung des Fassadenzwischenraumes.
Dadurch
wird im Sommer ein Hereinlüften
von warmer Spaltluft in das
Gebäude vermieden. Zudem
verhindert diese Konstruktion
weitgehend die Schall- und
Geruchs- bzw. Brandrauchübertragung
über den Fassadenzwischenraum.
Um die Ausgangssituation
für die Simulationsberechnungen möglichst genau nachbilden zu
können und Verfälschungen der Messergebnisse durch Querströmungen
zu vermeiden, wurden die beiden Messfelder – „Wand“
bzw. „Fenster“ - durch aufblasbare Kunststoff-Schläuche von der
übrigen Fassade abgeschottet (Abb. 1).

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__Vorort-Messung__\\
Zum Vergleich mit den numerischen Simulationsberechnungen wurden von Ende Oktober 2001 bis September 2002 umfangreiche
Messungen der Oberflächen- und der Lufttemperaturen, der
Luftfeuchtigkeit und der Strömungsgeschwindigkeiten im Fassadenzwischenraum,
der Strahlung im Zwischenraum und außen, des
Differenzdruckes zwischen Fassadenzwischenraum und außen, des
Außenklimas und des Wärmestroms vom Fassadenzwischenraum
nach Innen durchgeführt.

Aufgrund der hohen Kosten der
Sensorik wurden die Messungen in jeder
Jahreszeit mit jeweils dem gesamten
Gerätepark für den Messbereich
„Wand“ und unmittelbar anschließend
für den Messbereich „Fenster“ getrennt
durchgeführt.

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__Thermische Simulation__\\
Das mit dem Programmpaket
TRNSYS zu modellierende System
umfasst im wesentlichen fünf Komponenten:
Außenraum/Außenklima
* Sekundärfassade/vorgehängte Glasscheibe - Fassadenzwischenraum
* Primärfassade/Betonwand bzw. Isolierglas
* Innenraum des Gebäudes.

In den Wintermonaten (Heizperiode)
sind bei dem zu untersuchenden
Fassadensystem die Lüftungsklappen
geschlossen, wodurch der Wärmeaustausch
zwischen der Luft im Fassadenzwischenraum
und der Außenluft
primär über Wärmeleitung durch die
Glasscheibe erfolgt. Das Strömungsverhalten
der Fassadenluft entspricht
jenem eines Fluids in einem geschlossenen vertikalen Spalt, dessen
Begrenzungsflächen unterschiedliche Temperaturen aufweisen. An
der wärmeren Fläche (Betonwand) steigt die Luft auf, während sie
an der kälteren Glasscheibe absinkt.

In den Sommermonaten sind die Ein- und Auslassklappen hingegen
geöffnet. Dadurch gelangt Außenluft durch die bodennahen
Einlassklappen in den Fassadenzwischenraum und wird dort durch
die Begrenzungsflächen erwärmt.

Die sich dadurch einstellende Temperaturdifferenz zwischen Außen-
und Fassadenluft bedingt den thermischen Auftrieb, der durch
eine charakteristische, aufwärts gerichtete, mittlere Strömungsgeschwindigkeit
der Fassadenluft (freie Konvektion) quantifiziert wird.
Der Wärmeaustausch zwischen Außen- und Fassadenluft wird
also im Sommerfall sowohl über Wärmeleitung an der Glasscheibe
als auch über die zu- und abströmende Fassadenluft wirksam.
Die Übereinstimmung zwischen berechneten und gemessenen
Temperaturwerten an der vorgehängten Glasfassade, der Betonoberfläche
und der Luft an der Austrittsöffnung des Fassadenspaltes
war für die untersuchten Messreihen als gut zu bewerten, wobei
Abweichungen von maximal ± 3 °C auftraten. Die Messreihen
umfassen dabei sowohl Tag- als auch Nachtstunden und beinhalten
unterschiedlichste klimatische Bedingungen im Bezug auf solare
Einstrahlung, Außenlufttemperaturen und Windverhältnisse.
Die mittleren Strömungsgeschwindigkeiten (vm) sind ebenfalls
reproduzierbar, wobei allerdings für kleine Strömungsgeschwindigkeiten
(< 0,3 m/s) die berechneten Werte tendenziell größer sind
als die gemessenen. Die festgestellten Abweichungen liegen im Bereich von 0,05 - 0,1 m/s und können zum Teil, insbesondere nahe
der unteren Messwertgrenze der eingesetzten Hitzdrahtanemometer
von 0,125 m/s mit der maximalen Messwertungenauigkeit von ±
0,05 m/s erklärt werden.

Der Vergleich zwischen Simulation und Messung zeigt die
Komplexität und Vielfältigkeit der bei dieser Art von Fassadenkonstruktion
auftretenden physikalischen
Effekte und den damit verbundenen
Anforderungen an die Simulation.
Der messtechnisch erfasste und
simulationstechnisch untersuchte
Fassadenabschnitt stellt in diesem
Zusammenhang eine relativ einfache
Konstruktionsvariante dar. Die hierbei
gewonnenen Erkenntnisse können
als Grundlage bei der Weiterentwicklung
der Rechenmodelle für
komplexere Fassadenkonstruktionen
mit teiltransparenten Außenwänden
(Doppelfassaden) herangezogen
werden.

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__Strömungssimulation__\\
Mittels des Programmpaketes
FLUENT wurden in einem ersten
Schritt aus fluidmechanischen
Berechnungen die notwendigen
Anhaltspunkte für die Positionierung
der Fühler zur messtechnischen Erfassung
von Geschwindigkeiten und
Temperaturen gewonnen. Den Ausgangspunkt
bildeten dabei die thermischen
Simulationsberechnungen
der Temperaturen der Betonwand bzw. der vorgesetzten Glasfassade,
die als Randbedingungen für die fluidmechanischen Berechnungen
verwendet wurden. Die Übereinstimmung der Ergebnisse hinsichtlich
Lufttemperatur am Austritt des Spaltes sowie der mittleren Geschwindigkeit
mit den Ergebnissen der thermischen Simulation kann als sehr
gut bezeichnet werden.

Nach vollständigem Vorliegen der Messergebnisse bzw. nach
deren Evaluierung wurden fünf Messfälle - jeweils für Zeitpunkte mit
und ohne Strahlungseinfall (Tag bzw. Nacht) - berechnet. Die im Vergleich
zum Abschnitt „Wand“ etwas deutlicheren Abweichungen der
Strömungsgeschwindigkeiten im Bereich „Fenster“ können plausibel
erklärt werden, indem insbesondere die Geschwindigkeiten in der
Umgebung der Messpunkte in allen Richtungen deutliche Gradienten
aufweisen.

Weiters konnte festgestellt werden, dass die zum Teil nicht
unerheblichen Windbelastungen, die zu einigen Messzeitpunkten
auftraten, insbesondere bei geöffneten Lüftungsklappen aber auch
infolge von Undichtigkeiten im geschlossenen Zustand, die Strömungssituation
im Fassadenspalt gravierend beeinflussen (Ausbildung
von gerichteten vertikalen Strömungen anstelle zu erwartender
Walzenbildung).

Im Hinblick auf die baupraktische Anwendung zur Auslegung von
Doppelfassaden kann festgestellt werden, dass fluidmechanische
Simulationen in der hier angewandten Form aufgrund des enormen Bedarfes
an Ressourcen (Hardware, Rechenzeit) eher nicht geeignet erscheinen.
Zur wissenschaftlichen Bearbeitung in Einzelfällen kann diese
Art der Simulation aber mit guter Aussagekraft eingesetzt werden.


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