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Forschung an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik: Messung kleinster Kapazitäten#


Von


Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Georg Brasseur

Dipl.-Ing. Dr.techn. Univ.-Doz. Bernhard Brandstätter

Institut für Elektrische Messtechnik und Messsignalverarbeitung


Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Georg Brasseur
Georg Brasseur

Dipl.-Ing. Dr.techn. Univ.-Doz. Bernhard Brandstätter
Bernhard Brandstätter


© Forschungsjournal SS 2004


In der industriellen Elektronik wird der Einsatz von berührungslos arbeitenden Messprinzipien seit langem gefordert, um Zuverlässigkeit und Standzeit zu erhöhen. Dieser Ansatz ist jedoch nur dann tragfähig, wenn das Messverfahren auf die jeweiligen Umgebungsbedingungen abgestimmt ist. So verhindern beispielsweise starke magnetische Störungen den Einsatz induktiv arbeitender Messverfahren. Deshalb erforscht das Institut für Elektrische Messtechnik und Messsignalverarbeitung (EMT) seit Jahren kapazitive Sensoren, die speziell für raue Umgebungsbedingungen bei industriellen Anwendungen ausgelegt sind.


Aufbauend auf dieser Expertise begann man vor zwei Jahren am EMT mit Hilfe von kapazitiven Messungen Materialverteilungen ortsauflösend darzustellen. Für die Funktionsweise dieser, unter dem Namen Kapazitätstomografie zusammengefassten, Prinzipien unter industriellen Bedingungen, ist das am EMT erworbene Wissen über die robuste Messung kleinster Kapazitäten unumgänglich.

Industrielle Anforderungen und notwendige Komponenten Da die geringen Empfangssignalpegel in Verbindung mit der inhärenten Anfälligkeit gegenüber störender Konduktions- und Verschiebungsströme einer aufwendigen Signalvorverarbeitung bedürfen, können sich speziell kapazitive Systeme erst durch den Einsatz vollständig integrierter Ansteuer- und Auswerteschaltungen durchsetzen. Diese anwendungsspezifischen integrierten Schaltungen (ASICs) erlauben nicht nur die Implementierung aller erforderlichen analogen Funktionen (Erzeugung der Ansteuersignale, analoge Vorverarbeitung des Sensorsignals, analog-digital Umsetzung), sondern auch die effiziente und kostengünstige Realisierung von komplexen Algorithmen zur digitalen Signalverarbeitung.

DStruktur einer Prototypimplementierung mit Trägerfrequenzverstärker
Abb. 1. Struktur einer Prototypimplementierung mit Trägerfrequenzverstärker

Neben den herkömmlichen Anforderungen an das Sensorsignal selbst (Genauigkeit, Auflösungsvermögen, Dynamikbereich, Abtastrate etc.) muss ein industrielles, kapazitives Messsystem einigen zum Teil aufwendig zu realisierenden Randbedingungen genügen: Dazu zählen Langzeitstabilität, großer Einsatztemperaturbereich, hohe Vibrationsbelastung, Unempfindlichkeit gegenüber Verschmutzung, möglichst geringer Energiebedarf, aber auch insbesondere die Zuverlässigkeit der Messung. Das System muss entsprechend robust ausgelegt sein und in den meisten Fällen auch über Eigendiagnosemechanismen verfügen, um so fehlerhafte Eingangssignale entweder korrigieren bzw. ausfiltern zu können oder zumindest den übergeordneten Steuerrechner zuverlässig über eine Fehlfunktion zu informieren. Besonders im Automobilbau ist darüber hinaus die geringe Baugröße in Verbindung mit großen Einbautoleranzen zu beachten. Diese zwingenden Forderungen resultieren aus dem beschränkten Platzangebot beispielsweise im Motorraum eines Kfz und führen zu extrem kleinen Kapazitäten von weniger als 50 fF, die mit einer Genauigkeit von mindestens 8 Bit gemessen werden müssen. Eine diskret aufgebaute Sensorelektronik besteht im Prinzip immer aus einem leistungsfähigen μController, der die Ansteuerung der Sendesegmente, die Berechnung der Messgröße, die Ausgabe der Messwerte und die zeitliche Koordination der Messung übernimmt. Weiters ist noch Hardware zur analogen Signalvorverarbeitung notwendig, die entweder ein Ladungsverstärker oder ein Trägerfrequenzverstärker sein kann. In beiden Fällen ist die Elektronik direkt mit der Empfangselektrode der jeweiligen Sensortopologie verbunden. Für eine Ladungsverstärkervariante spricht eine einfache und kostengünstige Elektronik sowie der geringe Leistungsverbrauch des Sensors (wichtig in explosionsgefährdeter Umgebung), für ein Trägerfrequenzverfahren spricht die Unempfindlichkeit gegenüber Schmutz und Betauung, die bessere Beherrschung der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV), selbst unter Kfz- oder Prozess-Bedingungen, und der größere Freiheitsgrad in der Wahl der Ansteuermuster (bei einem Ladungsverstärker darf das Ansteuermuster keinen Gleichanteil enthalten).

Bei einem diskret aufgebauten Trägerfrequenzverfahren besteht die Elektronik aus einem 16-bit μController mit integriertem A/DWandler, aus einem Eingangsfilter, einem Hochfrequenzverstärker, einem diskret aufgebauten Spitzenwertgleichrichter und einem externen Quarzoszillator. Der Aufbau des Systems ist schematisch in Abb.1. dargestellt

Elektrische Kapazitätstomografie

Die elektrische Kapazitätstomographie ist ein Verfahren mit dem durch Messung der elektrischen Kapazität im Äußeren eines Rohres der Inhalt des Rohres räumlich aufgelöst dargestellt werden kann. Die Entstehung dieses Forschungszweiges verdankt das Institut zum einen der umfangreichen Erfahrung, die bei der Messung von kleinsten Kapazitäten gesammelt werden konnte (aufgrund der unterschiedlichen Distanzen der Elektroden, die sich am Rohrumfang befinden, treten Signaldynamikbereiche von 60 bis 80 dB auf), und andererseits der Kompetenz von Mitarbeitern auf dem Gebiet der Inversen Probleme.

Das Vorwärtsproblem bei der elektrischen Kapazitätstomografie besteht darin, von einer gegebenen Materialverteilung die Kapazitäten zwischen Elektroden zu berechnen. Dies kann effizient mittels numerischer Methoden, wie der Finiten Elemente Methode oder der Randelement Methode erfolgen, für die Mitarbeiter des Institutes maßgeschneiderte Softwarepakete erstellt haben.

Das Inverse Problem, das Kernstück der Kapazitätstomografie, besteht nun darin, aus den Kapazitätsmessdaten auf die Materialverteilung zu schließen. Hierzu wird die Materialverteilung im Vorwärtsproblem so lange variiert, bis die Differenz der errechneten Kapazitäten aus dem Vorwärtsproblem und den tatsächlich gemessenen Kapazitäten minimal wird. Wenn dies der Fall ist, entspricht die aktuelle Materialverteilung im Vorwärtsproblem der tatsächlichen Materialverteilung (Abb. 2). Anwendung findet die Kapazitätstomografie vor allem in der Prozessmesstechnik, wo die Kenntnis von Materialverteilungen für eine nachfolgende Prozessregelung unumgänglich ist.

Materialverteilung im Rohrinneren und Kapazitätstomographiesensor
Abb. 2.:Kapazitätstomographie: Oben Rekonstruierte Materialverteilung im Rohrinneren. Unten: Kapazitätstomographiesensor mit PVC-Stab als Testverteilung.

Die Kapazitätstomographie Gruppe des EMT (www.emt.tugraz.at/research/ect) beschäftigt sich derzeit neben Verbesserung mathematischer Methoden zur Lösung Inverser Probleme mit folgenden Schwerpunkten:

  • Statistische Inversion: Messsignale und Prozesszustände werden als statistische Größen aufgefasst (ein schlecht-gestelltes Inverses Problem kann durch Anwendung statistischer Methoden regularisiert werden)
  • Fusion von elektrischer Kapazitätstomographie mit Ultraschall- Messtechnik
  • Verbesserung der Bildauflösung unter Anwendung der Levelset Methode

Um das, im internationalen Vergleich, hohe Niveau dieses Forschungszweiges weiter zu erhöhen, sind in naher Zukunft Kooperationen mit internationalen Forschergruppen, mit denen schon erste Gespräche geführt wurden, geplant.


Weiterführende ausgewählte Literatur

Kapazitive Sensoren:
- Zangl, H.; Cermak, S.; Gruber, G.; Brasseur, G.: A Robust Planar Capacitive Sensor for Angular Measurement . - in: Proceedings of the 11th International Conference Sensor 2003 (2003) S. 47-51

- Steiner, G.; Watzenig, D.: Accurate Estimation of Angular Position and Speed for a Capacitive Sensor based on an Extended Kalman Filter Approach. - in: Proceedings of the 1st IEEE International Workshop on Robotic Sensing - ROSE ‚03. (2003) S. 8-10

- Watzenig, D.; Steiner, G.; Zangl, H.: Capacitive Sensor Signal Processing based on Decentralized Kalman Filtering. - in: Proceedings of the 2003 IEEE International Conference on Industrial Technology

- ICIT ‚03. (2003) S. 333-338 Brandstätter, B.; Brasseur, G.; Cermak, S.; Zangl, H.; Fulmek, P. L.: An incremental capacitive sensor for harsh environment. - in: IEEE International Conference on Sensors ; 1 (2002) S. 841-842

Kapazitätstomografie:
- B. Brandstätter, G. Holler, D. Watzenig, Reconstruction of Inhomogeneities in Fluids by means of Capacitance Tomography, Proceedings of the 10th International IGTE Symposium 2002 on Numerical Field Calculation in Electrical Engineering, Graz, September 16 –18, 2002, pp. 44 - 48.

- G. Holler, A. Fuchs, B. Schweighofer, Hardware Design and Measurement Results for an Electrical Capacitance Tomography System, Proceedings of the 6th International Conference on Electronic Measurement and Instruments (ICEMI 2003), Taiyuan, China, August 18 –21, 2003, pp. 1-6.

- A. Fuchs, B. Brandstätter, G. Holler, D. Watzenig, Flow Profile Estimator for Closed Pipes Based on Electrical Capacitance Tomography Techniques, Proceedings of the Instrumentation and Measurement Technology Conference (IMTC‘04), Como, Italy, May 18-20, pp 2326-2331, 2004.