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Forschungsgeleitete Lehre als Erfolgsfaktor für Innovationen#

Von


Lothar Fickert

Institut für Elektrische Anlagen


Lothar Fickert
Lothar Fickert


Lothar Fickert ist Leiter des Instituts für Elektrische Anlagen. Das Institut beschäftigt sich u. a. mit Aufgaben der Planung und des Betriebes elektrischer Energiesysteme, der Versorgungssicherheit und Power Quality, der Einbindung dezentraler Energieerzeugungsanlagen sowie schutztechnischen Fragestellungen in Energieversorgungsnetzen


© Forschungsjournal 2009/01


Im Februar 2009 wurden in Anwesenheit von Wissenschaftsminister Johannes Hahn in Wien die Siegerprojekte des PRIZE-Erfinderwettbewerbs prämiert. Ein wesentliches Kriterium bei der Jurierung war dabei die Patentfähigkeit der Entwicklungen. Gleich zwei Forscherteams der TU Graz wurden für ihre Erfi ndungen aus dem Energiebereich1 ausgezeichnet. Dieser erfreuliche Anlass lässt die Frage zu, welche Faktoren für eine Auszeichnung dieser Art ausschlaggebend sind. Nach Meinung des Verfassers ist die forschungsgeleitete Lehre ein wichtiger Erfolgsfaktor für Innovationen dieser Art.


Was vorausging

Im Folgenden soll am Modell des Siegerprojekts "Ermitteln des Erdschlussendes in gelöschten Netzen" die Geschichte dieser Arbeit als Beispiel für eine erfolgreiche Weiterentwicklung von theoretischen Grundlagen beschrieben werden. Ausgangspunkt ist die technische Notwendigkeit, bei steigendem Energiebedarf und den daraus resultierenden Anforderungen an eine ständige Erweiterung der elektrischen Netze die Sicherheit dieser Netze zu erhalten. Eine besondere Anforderung stellt dabei die Einhaltung der so genannten Löschbedingung für elektrische Lichtbögen dar: Der Großteil der Verteilnetze in der Mittelspannungsebene wird nach dem Prinzip der Erdschlusslöschung betrieben. Dadurch gewinnen diese Netze die Eigenschaft eines "Self-healing grid". Zu diesem Zweck muss allerdings die Löschvorrichtung in Form der Petersenspulemöglichst genau an das jeweilige Netz und seinen Schaltzustand angepasst werden.

Prize-Verleihung
Prize-Verleihung
© Forschungsjournal 2009/01 / F. Kloss
Die Abstimmung der Petersenspule in gelöschten Netzen führt bei den heute üblichen großen Netzen zu immer größeren Problemen. Hier gilt es einzugreifen: Das am Institut für Elektrische Anlagen entwickelte Verfahren zum Monitoring und zur Optimierung der Petersenspule beruht auf dem Patent „Verfahren zum Nachstellen einer Löschspule“, das von Institutsmitarbeitern entwickelt und von der TU Graz erfolgreich zum Patent eingereicht wurde. Die technische Grundlage stellt die Signaltechnische Analyse eines Erdschlusswischers dar. Es wurde am Institut für Elektrische Anlagen ein Algorithmus erarbeitet, mit dessen Hilfe die tatsächliche Verstimmung der Petersenspule berechnet werden kann. Dadurch ist der Netzbetreiber in der Lage, die Verstimmung der Petersenspule zu kontrollieren bzw. die Parameter der Petersenspule gezielt umzustellen, um unter dem zulässigen Löschstrom zu bleiben. Somit gewährleistet das Verfahren eine bessere Versorgungssicherheit für den Kunden. Des Weiteren wird unter bestimmten Voraussetzungen ein weiterer Ausbau des Netzes ermöglicht. Soweit der technische Hintergrund – und welche Rolle spielt für diese Innovation die forschungsgeleitete Lehre im Sinne eines Erfolgsfaktors?


Praxistest eines Prototypen
Abb.1: Praxistest eines Prototypen
© Forschungsjournal 2009/01 / TU Graz/IFEA


Was sich dahinter verbirgt

Der Verfasser arbeitet nicht nur als aktiver Forscher auf dem Gebiet der Versorgungssicherheit, sondern erlaubt sich hier, als Institutsvorstand und Studiendekan bzw. als Stellvertretender Vorsitzender der Studienkommission, den Erfindungsprozessunter dem Aspekt der forschungsgeleiteten Lehre zu analysieren und zu kommentieren. Die Ausbildung an der TU Graz zum Dipl.-Ing. basiert ganz bewusst auf einer breiten und soliden technisch/naturwissenschaftlichen Grundlagenausbildung. Dadurch wird nicht nur das Schritthalten, sondern auch das Vorantreiben der enormen Vielfalt der Anwendungsgebiete elektrotechnischer Systeme sowie die äußerst hohe Innovation in diesem Bereich ermöglicht. Ein herausragendes Kennzeichen dieser universitären Ausbildung besteht darin, dass dem Vermitteln von nachhaltigen wissenschaftlichen Methoden der Vorzug gegenüber kurzlebigem Faktenwissen gegeben wird.

Die Interdisziplinarität der TU Graz führte im Falle der PRIZE-Verleihung dazu, dass ein Diplomand der Studienrichtung Prozessautomatisierungstechnik sich rasch und effizient in die komplexe Materie der elektrischen Energiesysteme mit dem Schwerpunkt der Schutztechnik einarbeiten konnte. Diese war nämlich bereits seit einigen Jahren von zwei Dissertanten durch Erstellen theoriebasierter Modelle und anschließende Messungen zur Verifikation weiterentwickelt worden. Gerade durch die interdisziplinäre Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit gelang es, die Charakteristika der erforderlichen Filter und Signalverarbeitungs-Algorithmen zu bestimmen und zu optimieren. Die Mitbetreuung der Diplomarbeit durch Dissertanten ist ein weiterer Schlüsselfaktor zum Erfolg, denn deren abgeschlossenes Diplom- (Master-)studium der Elektrotechnik, das auch den Grundstein für eine Universitätslaufbahn oder eine Karriere in einer außeruniversitären Forschungseinrichtung legt, befähigte sie im Sinne von Multiplikatoren zur Weitergestaltung der ersten Ansätze seitens der Signalverarbeitung.

Signalcharkteristik eines Erdschlusswischers
Abb. 2: Signalcharkteristik eines Erdschlusswischers
© Forschungsjournal 2009/01 / E. Fuchs

Nicht zu vergessen bei der Analyse der Erfolgsfaktoren ist die wirtschaftliche Zusatzorientierung in der Ausbildung zum Diplomingenieur / zur Diplomingenieurin der Elektrotechnik an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik, die sich in dem Studienzweig Elektrotechnik-Wirtschaft niederschlägt: Hier spielt die wirtschaftsorientierte Umsetzung der elektrotechnischen Kenntnisse eine zusätzliche Rolle. Soweit lässt sich die Erfi ndung auf den Erfolgsfaktor "Lehre" im Sinne von Ausbildung zurückführen. Und welchen Anteil am Erfolg hat der "forschungsgeleitete Unterricht" selbst?


Aus der Sicht eines Universitätsprofessors ist der Effekt des Strebens nach dem Wesentlichen im Sinne der grundsätzlichen Aufgabenstellung vorrangig.

Hier gilt es, die wesentlichen Aspekte zu ermitteln, diese aber anschaulich und von ihrer faszinierenden Seite her aufzuzeigen und in der Tiefe zu erklären. Das zwingt dazu, im Sinne der forschungsgeleiteten Lehre hinter den Tageskontext zu schauen und die Legitimation eines wissenschaftlichen Ansatzes im Vermögen zu suchen, ungelöste Aufgabenstellungen zu beantworten.

Darstellung eines Erdschlusswischers
Abb. 3: Darstellung eines Erdschlusswischers
© Forschungsjournal 2009/01 / E. Fuchs


Was sich daraus ableiten lässt

Ausgehend von der Erfordernis, Grundlagenwissen forschungsorientiert und damit ausgerichtet an den Erfordernissen der Realität zu fokussieren, konnte durch interdisziplinäre Zusammenarbeit im Rahmen der Ausbildung und des Studiums ein Verfahren gefunden werden, welches die "Self Healing"-Eigenschaft von elektrischen Energienetzen aufrecht erhält. Die auch wirtschaftsorientierte Positionierung der Ausbildung an der TU Graz führte zu einer Patentanmeldung und damit zu einer Verbindung von Universität und Wirtschaft. Forschungsgeleitete Lehre bestätigt sich an diesem Beispiel als Erfolgsfaktor.