!!! 15 Jahre Brain-Computer Interface-Forschung (BCI) an der TU Graz


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Von

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__Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Gert Pfurtscheller__\\

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Institut für Semantische Datenanalyse/Knowledge Discovery
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[{Image src='0601_INF_15_Jahre_Brain-Computer_Interface_Forschung1.jpg' alt='Gert Pfurtscheller' caption='Gert Pfurtscheller' width='95' height='110' popup='false'}]

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%%small 
''© Forschungsjournal SS 06''
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__In den letzten 15 Jahren wurde das Graz-Brain-Computer Interface
entwickelt und dabei die Komponenten wie Parameterextraktion
und Klassifikation, mentale Strategie und die Art des Feedbacks
genauestens untersucht. Zwei aktuelle EU-Projekte beschäftigen sich
mit der Entwicklung eines asynchronen BCIs, dem Bau eines optischen
BCI-Prototyps und der Verbesserung der Dolmetscherleistung durch
eine EEG-Analyse.__

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__Grundlagen eines Brain-Computer-Interface__

[{Image src='0601_INF_15_Jahre_Brain-Computer_Interface_Forschung2.jpg' class='image_right' caption='Oben: Patient mit BCI-gesteuerter FES. Mitte: Patient schreibt mit dem BCI. Unten: Navigieren durch eine Wohnung\\© Forschungsjournal SS 06' height='450' width='203'}]


Seit Beginn der 90er Jahre konnte gezeigt werden, dass mit EEGBiofeedback
sowohl bei Gesunden als auch bei motorisch schwerstbehinderten
Patienten eine bemerkenswerte
Beeinflussung der eigenen Hirntätigkeit erzielt
werden kann. Von Bedeutung sind unterschiedliche
ereigniskorrelierte Potenzialkomponenten,
langsame Potenzialschwankungen und die
Dynamik von spontanen Hirnoszillationen. Hinzu
kommt die technische Entwicklung von Online-
EEG-Verarbeitungssystemen, die die Erstellung
von personenspezifischen, „lernfähigen“
Klassifikatoren zur Erkennung unterschiedlicher
kognitiver Prozesse im EEG unterstützen. Bei
einem derartigen Klassifikationsansatz liegt die
Hauptaufgabe des Trainings nicht nur beim
Patienten, sondern auch der Computer „lernt“,
die individuellen EEG-Muster einer Person zu erkennen
und vordefinierten Klassen zuzuordnen.

__Graz-BCI__

Das Graz-BCI erfasst definierte EEG-Muster,
klassifiziert sie in Echtzeit und setzt das Ergebnis
in entsprechende Steuerbefehle um. Die Hauptprobleme
der Umsetzung liegen in der Auswahl
geeigneter EEG-Parameter und in der Online-
Klassifikation dieser Parameter. Eine wesentliche
Voraussetzung sind unterschiedliche kortikale
Aktivierungsmuster, die willentlich reproduzierbar
sind. Während der Planungsphase einfacher
Bewegungen treten spezifische Veränderungen
bestimmter Frequenzkomponenten der
rhythmischen EEG-Aktivität über der sensomotorischen
Hirnrinde auf, wobei speziell für
Vorstellungen von Bewegungen z.B. der rechten
und linken Hand (oder Füße) unterscheidbare
Muster gefunden wurden. Für die Klassifikation
dieser EEG-Muster in Online-Experimenten,
bei denen das jeweilige Klassifikationsergebnis
unmittelbar rückgemeldet wird, haben sich individuell
anpassbare Methoden der Parameterschätzung bewährt.

__Anwendungen des Graz-BCI__

Patienten, die gelernt haben, über Bewegungsvorstellungen detektierbare
EEG-Muster zu erzeugen, können mit einem „Virtual Keyboard“
Buchstaben auf einem Bildschirm auswählen. Grundsätzlich ermöglicht
das System das freie Verfassen von Texten mit einer Geschwindigkeit
von einem Buchstaben pro Minute ohne jegliche muskuläre Kontrolle.
Die Funktionellen Elektrostimulation (FES) ermöglicht es gelähmte
innervierte Muskulatur (z.B. Armmuskulatur) aufzutrainieren und miteiner Funktion zu versehen (z.B. Greiffunktion). Eine zukunftsweisende
Möglichkeit ist die Steuerung der FES mit dem BCI. Durch wiederholtes
Fußbewegungsvorstellung, die im Bereich der motorischen
Fußregion detektiert wird, kann ein Patient seine Hand durch verschiedene
Greifphasen steuern.

Mit Hilfe des BCI ist es sogar möglich, nur durch Vorstellung von Handbewegungen
durch eine virtuelle Welt zu navigieren. In einer Studie
wurde eine Wohnung realisiert, in der die Person bei jeder Kreuzung
mit einer vorher trainierten Bewegungsvorstellung frei entscheiden
konnte, ob sie nach links, rechts oder geradeaus gehen möchte. Mit
diesem einfachen System ist es möglich durch die virtuelle Wohnung
zu wandern.

Im Rahmen des EU-Projektes EYE-to-IT soll
in den nächsten Jahren untersucht werden,
inwieweit die Übersetzungsleistung bei Dolmetschern
mit einer BCI-Anwendung verbessert
werden kann. Während des Übersetzungsvorgangs
am PC werden EEG-Muster identifiziert,
die eine ins Stocken geratene Übersetzung
und somit den Bedarf für externe Hilfestellung
in Form von automatischen Übersetzungsvorschlägen
aus einem Lexikon („prompting“)
kennzeichnen.

Referenz:\\
G.Pfurtscheller, G.R. Müller-Putz, A. Schlögl,
B. Graimann, R. Scherer, R. Leeb, C. Brunner,
C. Keinrath, F. Lee, G. Townsend, C. Vidaurre,
C. Neuper:15 Years of BCI Research at Graz
University of Technology: Current Projects. IEEE
TNSRE 14(2), in Press (June 2006)

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