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Das Humusklosett im Paradies#

20 Jahre Kunst Haus Wien - Friedensreich Hundertwassers Palast mit Fensterrecht und Baumpflicht#


Von der Wiener Zeitung (Freitag, 22.07.2011) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Brigitte Borchhardt-Birbaumer


  • Zum Jubiläum steht der „Hausherr” mit einer Schau im Mittelpunkt.
  • Das Dilemma der Personalmuseen: Meistens sind sie Rohrkrepierer.

Hundertwasser, 1971
Hundertwasser, wie man ihn kennt: „Die Häuser hängen an der Unterseite der Wiesen, 1971”.
Foto: © Kunsthaus Wien

Das Personalmuseum Friedensreich Hundertwassers kombiniert als Kunsthaus Wien zwei Stockwerke Wechselausstellungsfläche und ist heuer zwanzig Jahre alt. Bis 2007 lief es als privates Unternehmen ihres Gründers Joram Harel, der seit 1972 mit dem international bekannten Wiener Künstler befreundet war. Gekoppelt mit der gemeinnützigen Privatstiftung Hundertwasser ist es nun, unter Direktor Franz Patay, ein Teil der Wienholding (mit dem Jüdischen Museum oder Haus der Musik). Wie das 1985 in der Löwengasse erbaute Wohnhaus der Gemeinde Wien, ist die gemeinsam mit Architekt Peter Pelikan 1991 umgestaltete Thonetfabrik ein Tourismusmagnet.

Zum Jubiläum ist nun vier Monate lang der 2000 am Weg in sein letztes Paradies in Neuseeland verstorbene Hundertwasser mit der Schau „Die Kunst des grünen Weges” Alleinherr. An Hundertwassers Kunst spalten sich heute die Geister durch das Schwanken zwischen Hoch- und Trivialkultur, obwohl er mit einer Kunstrevolte begann. 1928 wurde Friedrich Stowasser in Wien geboren und überstand mit seiner jüdischen Mutter schwer traumatisiert den Krieg nach Zwangsaussiedlung zu Verwandten, ein Großteil der Familienangehörigen wurde in Konzentrationslagern ermordet. Nach der Matura 1948 ging er kurz an die Akademie zu Robin Christina Andersen und zählte zu den Mitbegründern des Art-Clubs, wo er 1952 eine seiner ersten Ausstellungen im „Strohkoffer” unter dem Clubraum hatte - auf Fotos unter Mitgliedern fällt er als sehr gut aussehender junger Mann auf. Er besuchte früh Afrika, entwickelte sich aber nicht zu einem Vertreter postkolonialer Kunst. Viele bekannte Fotografen der Nachkriegszeit haben ihn auf seinem Weg begleitet und ihre Aufnahmen sind wesentlicher Teil der Schau: Manfred Bockelmann, Franz Hubmann, Erich Lessing oder Christian Skrein.

Sein entblößtes Hinterteil hatte nachhaltige Wirkung#

1949 änderte er seinen Nachnamen, später in der pazifistischen Bewegung der siebziger Jahre auch seinen Vornamen. Friedensreich Hundertwasser wollte die Welt mit Kunst verbessern. Sein größtes Engagement galt dabei der Symbiose mit der Ökologie. Seine in naturhaften Spuren kreisenden Spiralbilder ab 1953 waren 1959 auf der Biennale in Venedig vertreten. Aus der Pariser Surrealisten- und Informelszene brachte er das „Transautomatismus”-Manifest nach Wien, es wurde abgelöst vom Stadtgespräch über skandalöse Nacktauftritte - insbesondere sein vor einer Kulturpolitikerin entblößtes Hinterteil hatte nachhaltige Wirkung. Sein Körper diente ihm später - ähnlich Yoko Ono und John Lennon - zur symbolischen Verbindung mit Friedensprotest. 1959 verlas er bei einer Tagung der Avantgarde um Monsignore Otto Mauer im Kloster Seckau das bekannte „Verschimmelungsmanifest gegen den Rationalismus in der Architektur”. Es folgte die Gründung des „Pintoariums” als Gegenakademie der kreativen Richtungen mit Ernst Fuchs und Arnulf Rainer.

Nach Ausstellungen in Paris und Deutschland unterrichtete Hundertwasser ab 1959 in Hamburg, das er jedoch nach dem Skandal um den Aktionismus einer mit Bazon Brock endlos gezogenen Linie durch die Kunsthochschule 1961 wieder verließ. 1967 hielt er in München die Nacktrede „Anrecht auf eine dritte Haut”: ein Aufruf, Häuserfassaden und Städte zu begrünen. Weg von der im Plattenbau erstarrten, funktionalistischen Architektur rief er in der TV-Show „Wünsch dir was!” 1972 zu Dachwald und Fensterrecht, aber auch Baumpflicht für jeden auf. 1975 kam zur etwas krausen Vorstellung, dass Mikroben und Schimmel den Wohnungen Leben einhauchen, das eigene Humusklosett. In seinem berühmten Atelier Ecke Graben und Spiegelgasse wurde es in die Architektur Otto Wagners völlig unpassend eingefügt. 1979 verlas Hundertwasser in Zürich das Manifest „Die heilige Scheiße”, 1981 kam er nach Jahren in Venedig und Japan als Professor an die Akademie am Schillerplatz zurück. Damals wurde seine Grafik bereits weltweit inflationär gehandelt und er fiel von der intellektuellen Höhe der Avantgarde immer mehr in das breite Feld eines Kommerzkünstlers herab. Auflehnung gegen die Atomkraft und Bundeskanzler Bruno Kreisky, der sich gern vor seinem Spiralbild fotografieren ließ, konnte am Bild des Märchenerzählers mit Narrenkappe an Stelle des Revolutionärs nichts ändern.

Das enorme Medienecho des Wohnhauses mit 70.000 Besuchern auf der Baustelle verlangte nach immer mehr Verbreitung: ein Wiener Ausflugsschiff und nach dem Museum schließlich die „Behübschung” des Heizkraftwerks Spittelau oder der Autobahnraststation Bad Fischau. Der Kosmos Hundertwasser sank zum trivialen Mainstream, wie Jugendstil am Trinkbecher, Schirm und Kopftuch gedruckt. Die Architekturideale, an die er glaubte, gingen verloren. Heutiges „Guerillagardening” oder die „vertical gardens” folgen seinen Träumen ohne Verniedlichung.

Ganz im Unterschied zum kleineren Ernst Fuchs Privatmuseum trägt sich der Betrieb seines Personalmuseums trotz Touristen und gutem Programm nicht von selbst. Das liegt vor allem daran, dass Personalmuseen eine Erfindung der Renaissance waren, die im 19. Jahrhundert ihre Blüte erlebten. Die Falle eines Museumstyps, in den nach der Eröffnung keiner wiederkehrt, weil immer nur das Gleiche geboten werden kann, war offenbar schon Harel bewusst. Er konterte mit einem ausgezeichneten Zusatzprogramm spektakulärer Präsentationen der Nouveau Réalistes Jean Tinguely, Niki de Saint Phalle, Christo und Daniel Spoerri. Die rechtzeitige Entscheidung, auch klassische fotografische Positionen zu zeigen, haben seine Nachfolger von Man Ray bis Annie Leibovitz erweitert. Selbst Tourismus hilft nicht allein gegen rote Zahlen. Die Stadt musste 2007 übernehmen, seit dem zeigen sich Verluste in anderen Kulturposten.

Von Rainer bis Nitsch - jedem sein Privatmuseum#

Ankaufsbudgets für Werke junger Kunst sind, trotz der Versicherung aus verschiedenen Töpfen bedient zu werden, kaum mehr vorhanden. Das Geld fließt in die Tanker. Der Hinweis, es sei nun in Wien halt wie in Amerika, befriedigt wenig. Der kritische Blick muss eigentlich nicht weiter schweifen als nach Niederösterreich. Der am „Pintoarium” Hundertwassers beteiligte Arnulf Rainer hat sein Privatmuseum in Baden, Hermann Nitsch in Mistelbach. Beide tragen sich nicht durch Publikum, können ohne Unterstützung des Landes nicht gehalten werden - Personalmuseen sind also in den meisten Fällen „Rohrkrepierer”; einzige Ausnahme: Namen wie Picasso oder Paula Modersohn-Becker. Niederösterreich hat die Entwicklung gestoppt und investiert im Vergleich zu Wien ein Vielfaches in Ankäufe junger Kunst.

Der Kampf mit dem veralteten Museumstyp behindert das Hochkommen aktueller Positionen. Vom Geniebegriff des 19. Jahrhunderts haben wir uns nach lang anhaltender Wirkung zwar endlich in eine kollektivere und demokratische Kunstauffassung gewendet, allerdings mit Übergangsschwierigkeiten. Kunsthallen und Kunstvereine locken heute das junge Publikum zur kritischen Debatte über eine Zukunft der Museen.

Die hilflose Mischung eines Programms von der klassischen Moderne über Fotografie, von Personalen bis hin zu einem nun auch schon veralteten Blick auf außereuropäische Kunst, müsste überdacht werden. Das wäre auch für den im „Garten der glücklichen Toten” (so ein Bildtitel) beerdigten Hundertwasser besser als im Mittelmaß unterzugehen, das er mit verschuldet hat. Im Irrglauben an die eigene Größe konnte sich nur Adolf Frohner einbremsen, sein Einraum-Forum im Kremser Minoritenkloster ist ein Ort ständigen Diskurses mit den Jungen und mit Themenkreisen im Wandel der Zeit, derzeit geht es um Abfall und Kunst.

Wiener Zeitung, Freitag, 22. 07. 2011


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