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Spiegel#

Spiegel

In der Antike dienten polierte Scheiben aus Kupfer, Bronze, Silber oder Gold als Handspiegel, deren Rückseite Verzierungen trug. Wandspiegel waren aus undurchsichtigen Glasplatten. Im Mittelalter begann man in Deutschland, größere Spiegel mit Blei-oder Zinnamalgam zu belegen. Gegossene Glasspiegel in größeren Formaten kamen ab dem 17. Jahrhundert vor allem aus Venedig. Mit verzierten Rahmen waren sie zugleich funktionell und dekorativ. 

In Weissenbach an der Triesting (Niederösterreich) zählte die Spiegelfabrik in Neuhaus wie die Linzer Wollzeugfabrik und die Wiener Porzellanmanufaktur - zu den wichtigsten österreichischen Unternehmen des 18. Jahrhunderts. Der merkantilistische Staat hatte größtes Interesse, die Einfuhr von Luxusartikeln zu verhindern. Zwei Venezianer versprachen dem Kaiser in betrügerischer Absicht, Kristallspiegel herstellen zu können. Doch stellten sie die Fabrik nicht fertig, regionale Glasmeister erwarben die in Bau befindliche Anlage. Die Hofkammer überließ dem Fabrikanten Johann Christoph Rechberger die Herrschaft Neuhaus mit der Fabrik. Nach seinem Tod wurde diese zum Staatsbetrieb. Um 1800 gab sie hundert Menschen Arbeit. Die bis 5 m² großen Spiegel fanden international Absatz, ihre Qualität konnte mit der von Venedig konkurrieren. Nach der Verlegung der Produktion in den 1830er Jahren stellte die Neuhauser Spiegelfabrik 1844 ihren Betrieb ein.

Die Hinterglasmalerei nützte die Wirkung spiegelnder Flächen für den Hintergrund. Hingegen galt der Gebrauch des Spiegels in Vorarlberg als "hoffärtig", daher versteckte man diesen in einem doppelten Rahmen hinter einem Heiligenbild. Spiegel wurden auch im Zauber, als Amulett und Orakel verwendet. Das Zerbrechen bedeutet Unglück, da mit dem Abbild auch das "Urbild" dessen, der hineinblickt, zugrunde ginge. Weit verbreitet war der Brauch, im Sterbezimmer den Spiegel zu verhängen, um vor dem unheilbringenden Wiedergänger sicher zu sein. Im Märchen vom Schneewittchen wird der Spiegel gefragt, wer "die Schönste im ganzen Land" sei. Die Schönperchten tragen hohe Aufbauten als Kopfschmuck, in deren Mitte Spiegel glänzen.

Im übertragenen Sinn bezeichnet "Spiegel" Werke mit pädagogischer oder moralischer Tendenz (Fürstenspiegel, als Rechtssammlung Sachsen- oder Schwabenspiegel). Der Beichtspiegel als Sündenregister diente der Vorbereitung auf das Bußsakrament. Spiegelfechterei war ein Scheingefecht zur eigenen Kontrolle, später bezeichnete man damit leeres Getue und Heuchelei.


Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S.754
Lutz Röhrich: Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Freiburg/Br. 1992. Bd. 3/S. 1499
Neuhauser Spiegelfabrik

Bild:
Venezianer Spiegel von der Wiener Weltausstellung 1873. Foto: Helga Maria Wolf

Siehe auch:
Spiegel in: Verschwundene BräucheDas Buch der untergegangenen RitualeHelga Maria WolfBrandstätter VerlagWien2015jetzt im Buch blättern