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Helga Maria Wolf

Unglück #

Das Glück ist ein Vogerl, das Unglück ein Rabe. Pechvögel machen sich oft selbst das Leben schwer, und das hat eine lange Geschichte.

Aus sprichwörtlichen Redensarten wie "Ein Unglück kommt selten allein" oder "Holz und Unglück wächst alle Tage" spicht die Lebenserfahrung früherer Generationen, die von "Self fulfilling prophecy" und "Nocebo-Effekt" noch keine Ahnung hatten. "Für eine gewisse pessimistische Grundhaltung im Volksglauben ist es bezeichnend, dass Unglückstage und ihre Betrachtung die Zahl und Bedeutung der Glückstage weit übertrifft", heisst es im "Wörterbuch der Deutschen Volkskunde". Seit dem 16. Jahrhundert konnte man in Kalendern nachlesen, wann es gut oder schlecht wäre, zu heiraten, nach Schätzen zu graben, ein Haus zu bauen, etwas zu kaufen oder zu verkaufen. Auch in der Gegenwart gibt es Empfehlungen für den richtigen Zeitpunkt von Gartenarbeit, Haareschneiden oder Zahnarztbesuche.

Im alten Ägypten (Mittleres Reich, 2010-1793 v. Chr.) exisitierte ein Schicksalskalender, der verschiedene Tage omenähnlich positiv oder negativ einstufte. Die Tagewählerei bestimmte das Tun bzw. Unterlassen gewisser Tätigkeiten, ebenso bei den Babyloniern, Hebräern, Griechen und Römern. Insofern ist der Maya-Kalender, der für Ende dieses Jahres angeblich das Ende der Welt prophezeit, keine Sensation. Aufgrund dessen erwarten esoterische Kreise seit den 1960er Jahren zur Wintersonnenwende 2012 den Weltuntergang. Nun fanden amerikanische Archäologen den ältesten Maya-Kalender - bei Wandmalereien aus dem 9. Jahrhundert in den Ruinen von Xultun (Guatemala). Der Studienleiter beruhigt: "Die alten Maya sagten voraus, dass die Welt weitergehen würde und dass die Dinge in 7.000 Jahren genauso sein würden wie heute".

Obwohl seit frühester Zeit Theologen gegen die Tagewählerei auftraten, blieb sie auch bei frommen Christen üblich. Der spätantike Schriftsteller Johannes Lydos (490-560) nannte 42 Unglückstage. Die 24 in Deutschland bekannten "verworfenen Tage" gehen auf den ägyptischen Kalender zurück. An den 32 bayrisch-österreichischen "Schwendtagen" fürchtete man das Schwinden der Gesundheit. Außerdem sollte man sich vor den Hundstagen im Juli/August, den von Mondphasen abhängigen "kritischen", wie auch den Schalttagen in Acht nehmen. Als Trost könnte nur gelten, dass nicht nur unterschiedliche Daten damit gemeint waren, sondern oft der Druckfehlerteufel seine Hände im Spiel hatte - wie sich auch beim berühmten Hundertjährigen Kalender beweisen lässt. Da war es nur ein Glück, dass es auch 52 "Glückstage" gab, darunter viele Los- und Heiligentage.

Aber welches Unglück befürchteten die Leute ? Ganz allgemein hieß es, dass alles misslingt, was man unternimmt. Ein Kind, das an einem solchen Tag geboren wird, würde nur einige Tage alt und zum Wiedergänger werden. Wer erkrankte, würde sterben. Hochzeiter würden sich trennen, streiten oder verarmen, Reisende krank heimkehren.

Magische Tagewählerei

Immer wieder fanden sich Gegner der Tagewählerei, wie Martin Luther (1483-1546), der das Wort prägte, oder der Niederösterreichische Freiherr Wolf Helmhard von Hohberg (1612-1688), dessen 1682 erschienenes Buch "Georgica curiosa" den Höhepunkt der Hausväterliteratur bildet. Andererseits frönten sogar prominente Feldherren der Superstitio. Wallenstein (1583-1634), Napoleon (1769-1821) oder Otto Bismarck (1815-1898) scheuten Schlachten am Freitag.

Nicht nur Tage, auch Zahlen wurden als unheilschwanger angesehen. Non plus ultra in dieser Hinsicht ist Freitag, der 13. Diese Kombination kommt durchschittlich zweimal im Jahr vor, und noch immer ist sie Zeitungsredakteuren und Radiomoderatoren Kommentare wert. Es ist statistisch erwiesen, dass sich an solchen Tagen weniger schwere Verkehrsunfälle ereignen als im Durchschnitt. Sollte es gar an der "Paraskavedekatriaphobie", der krankhaften Angst vor der Zahl 13, liegen, dass sich viele nicht aus dem Haus trauen ? Die Casinos Austria haben ihn jedenfalls zum Glückstag ausgerufen.

Foto: Doris Wolf
Foto: Doris Wolf

Auch Angehörige früherer Generationen wollten sich dem Unglück nicht schutzlos ausliefern und versuchten es mit "abergläubischen Zusatzversicherungen". Sie trugen ein Amulett als krafterfüllten Gegenstand zum Umhängen, der Unheil abwehrend (apotropäisch) wirken sollte. Vom Talisman versprach man sich, dass er Glück bringe. Auch solche Dinge werden heute noch gehandelt, nicht nur zu Silvester. Schweinderl und Rauchfangkehrer sind seit langem die unangefochtenen Bestseller in einschlägigen Onlineshops. Sogar das gute, alte Bettelarmband mit Kleeblatt, Schweinchen, türkischem Auge oder Buddha als Anhänger hat wieder Saison. Modisch designt nennt man die Anhänger "Charm", was zugleich an Amulett, Talisman und Zauber denken lässt.

Am Volkskundemuseum Graz läuft in Zusammenarbeit mit dem Institut für Volkskunde und Kulturanthopologie der Universität Graz das Forschungsprojekt "Superstition. Dingwelten des Irrationalen". Bei der Befragung von Schülern über Glücksbringer beobachteten die Experten: Bildungsferne Schichten zeigten sich skeptischer gegenüber dem "Aberglauben" als Gymnasiasten, die sich bei Schularbeiten Kraft und Schutz von Maskottchen erwarten oder Powerbänder tragen.

Man darf aber annehmen, dass diesen Interviewpartnern "Self fulfilling prophecy" und "Nocebo-Effekt" bekannt sind. Der Begriff der sich selbst erfüllenden Prophezeiung (eine Vorhersage, die eintrifft, weil diejenigen, die daran glauben, sich aufgrund der Prophezeiung entsprechend verhalten) stammt vom amerikanischen Soziologen Robert K. Merton (1948). Den Begriff Nocebo-Effekt (lat. nocebo - ich werde schaden) prägte der US-Mediziner Walter P. Kennedy für eine negative Reaktion auf ein wirkungsloses Medikament (1961). Beispiele aus der Ethnologie sind von Voodoopriestern verhängte Todesurteile. Dabei wird vermutet, dass die Opfer vor Angst erkranken und sterben. Wieviel Unglück Unheilserwartungen hierzulande verursacht haben, wird sich nie feststellen lassen. Eine optimistischere Weltsicht hätte aber sicher viel Pech verhindert.

Erschienen in: Schaufenster Kultur.Region, 2012