__Helga Maria Wolf__ \\ \\

!!!Jungbrunnen

[{Image src='Jungbrunnen-Lucas-Cranach.jpg' class='image_left' caption='"Der Jungbrunnen" von Lucas Cranach d. Ä.\\Foto/Quelle: The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei. DVD-ROM, 2002. ISBN 3936122202. Distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH. Aus: [Wikicommons|https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lucas_Cranach_d._%C3%84._007.jpg]' alt='"Der Jungbrunnen" von Lucas Cranach d. Ä.' width='250' height='172'}]

Der bekannteste Jungbrunnen ist wohl jener, den Lucas Cranach d. Ä. 1546 malte. Er inszeniert theatralisch die Sehnsucht des Menschen nach Schönheit, Kraft und langem Leben - und deren Erfüllung. 

Die linke Bildhälfte des Ölgemälde zeigt eine unwirtliche Felsenlandschaft. Von hier humpeln alte Frauen her, werden herbeigekarrt  oder zum Bassin getragen, das die Bildmitte dominiert. Unbekleidet vergnügen - und verjüngen - sie sich im Wasser. Nach dem Bad werden die Damen - am rechten Rand - von jungen Kavalieren erwartet. Modisch gewandet, betreten sie eine idyllische Landschaft, in der es sich leben, tafeln und feiern lässt. 

Vom Wasser des Lebens wissen Mythen ebenso wie die Wissenschaft. Wasserwunder finden sich in römischen Mythen wie in der Bibel. Doch das Element zeigt sich ambivalent: Leben spendend und höchst bedrohlich. In der Literatur hat die Urangst vor dem Wasser seit den ältesten überlieferten Dichtungen Niederschlag gefunden. Aus den unterschiedlichsten Kulturen und Weltteilen sind 268 Sintflutgeschichten bekannt.

Niederösterreich gilt mit seinen zahlreichen Mineralquellen als Bäderland. Allein im Wiener Becken soll es 4.000 Mineralwasser-Thermalvorkommen geben, doch die wenigsten sind als Heilbad erschlossen. "Schon die alten  Römer" nützten sie. Auch im Mittelalter und in der Neuzeit war die Wirkung der heißen Quellen bekannt, doch erst im 18. Jahrhundert kam die Badekur in Mode. Kaiserin Maria Theresia (1717-1780) nannte die Heilquellen "natürliche Gesundheitsapotheken". 1914 zählte der österreichische Teil der Monarchie 283 Heil- und Mineralquellen. Allerdings waren sie meist Adeligen und Großbürgern vorbehalten. 

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Der sprechende Ortsname Baden bezeichnet die Erwerbsgrundlage der Stadt: Im römischen Straßenverzeichnis Itinerarium Antonini Augusti um 300 n. Chr. hieß die Siedlung "Aquae", in einer Urkunde von 869 übersetzt "Padun". Das zur Stadterhebung 1480 verliehene Wappen nimmt darauf Bezug. Die 14 Schwefelquellen sind bis zu 36°C warm und kommen aus einer Tiefe von 1000 m. Gezielte Kurortpolitik betrieb Baden ab 1716, als die Gemeinde die Ursprungsquelle erwarb. Der Aufstieg zum Nobelkurort begann unter Kaiser Franz II. (I., 1768-1835), der sich seit 1803 alljährlich in seiner Sommerresidenz Baden aufhielt. 

Bad Deutsch-Altenburg verfügt über das Wasser mit der höchsten Jod-Schwefel-Konzentration Österreichs. Schon die Römer nutzten diese Quellen.1549 wurde vom Wiederaufbau des "Wildbades zu Teutsch-Altenburg" berichtet. 

In Bad Pirawarth bestand um 1306 eine Badestube. Der reguläre Kurbetrieb begann 1816, als Kaiser Franz II. die Quelle unter ärztliche Aufsicht stellte. Der prominenteste Gast war 1829  Erzherzogin Sophie (1805-1872). 1830 stellte sich, nach sechs kinderlosen Ehejahren, der lang erhoffte Thronfolger - Franz Joseph - ein. In Bad Pirawarth sah man dies als Erfolg der Kur an, wie übrigens auch in Bad Ischl, wo sich die Erzherzogin Solekuren unterzog.

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In Bad Vöslau begann der Tourismus mit dem Erwerb des „warmen Baches“ durch Moritz I. Graf Fries (1777-1826). 1888 verkaufte August Graf Fries die Quellen, Badeanlagen und Grundstücke mit dem Kurpark an die Gemeinde. 1904 wurde Vöslau zum definitiven Kurort ernannt,  den Angehörige der Ringstraßengesellschaft zum Zweitwohnsitz erkoren. So wurde Vöslau in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine "architektonische Pflanzstätte Wiens." Bekannte Architekten des Historismus - wie Ludwig Förster, Theophil Hansen, das Büro Romano & Schwendenwein - bauten nicht nur an der Ringstraße, sondern auch die Landsitze ihrer wohlhabenden Auftraggeber.

Bad Schönau war bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts ein Bauerndorf. 1913 hatte man gehofft, ein abbauwürdiges Kohlenflöz zu entdecken. Statt dessen erbrachte die Probebohrung in  283 m Tiefe warmes, kohlensäurehältiges Wasser. Kriegsbedingt interessierte man sich nicht weiter dafür. Erst 1953 wurde das Vorkommen amtlich zur Heilquelle erklärt, 1973 erfolgte die offizielle Anerkennung als Kurort, in dem auch Kohlensäure-Trockengasanwendungen verabreicht werden.

Die jüngste Kurgemeinde ist Bad Erlach, mit der 2008 eröffneten Therme. Ihr Mineralthermalschwefel-Heilwasser  sprudelt mit 36 °C aus der Erde. Mit inzwischen mehr als 700.000 Besuchern hat sich das luxuriöse Thermenresort einen festen Platz im Spitzenfeld österreichischer Wellnessdienstleister erobert. Der Traum vom Jungbrunnen ist wieder ein Stück näher gerückt…


__Brauch-Wasser__

Wasser war bei Rechtsbräuchen, Orakeln, Zauber, kirchlichen Ritualen, Lebens- Jahres- und Berufsbräuchen von Bedeutung. 

Aus einem Rechtsbrauch leitet sich die Redensart "seine Hände in Unschuld waschen", jede Schuld von sich weisen, ab. Der Brauch geht auf die mosaischen Sühneopfer beim Mord durch einen unbekannten Täter zurück. (Dtn. 21, 1-9). Bevor Pontius Pilatus Jesus verurteilte, ließ er sich "Wasser bringen, wusch sich vor allen Leuten die Hände und sagte: Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen." (Mt 27, 24).

[{Image src='Bäckerschupfen.jpg' class='image_left' width='200' height='179'}]	

In Wasser getaucht zu werden, war eine Schandstrafe. Die Ehrenstrafe des Bäckerschupfens war in mehreren europäischen Städten - wie 1282 in Zürich - üblich. In Wien hieß es 1340: "die Bäcker sollen geschupft werden nach altem Gebrauch". Die Erzeuger zu kleinen oder zu teuren Brotes wurden in einen Korb gesetzt, der an dem Ende eines langen Balkens hing, und damit ins Wasser getaucht. 1550 (nach anderen Quellen 1590) starb ein Delinquent in Wien. Die Strafe, bei der die schadenfrohen Zuschauer ihrer Spottlust freien Lauf ließen, bestand bis 1773. Zuletzt wurde sie am Donaukanal in der Rossau (Wien 9) vollstreckt. 

Gottesurteil (lat. ordalium) nennt man eine auf ein übernatürliches Zeichen zurückgeführte Entscheidung in einem Rechtsstreit. Erste Beschreibungen von Ordalen stammen aus Mesopotamien um 2100 v. Chr. Man findet sie im Alten Testament (Num 5, 11-31; 1 Sam 10-17-27) ebenso wie im alten China, Japan, Indien und Ägypten. In der griechischen und römischen Kultur waren sie weniger gebräuchlich. Bedeutung erlangten Gottesurteile im Frühmittelalter, bei den Franken seit dem 6. Jahrhundert und besonders unter Karl dem Großen (747-814). Bei der Wasserprobe wurde der Beweisführer mit gefesselten Händen und Füßen ins Wasser geworfen. Der Beweis galt als erfolgreich erbracht, wenn ihn das reine Element aufnahm, wonach er gerettet wurde. Man ging davon aus, dass das geheiligte Wasser den Schuldigen abstößt, so dass er schwimmt. Obwohl Kirche und Staat seit dem 13. Jahrhundert Gottesurteile untersagten, bestanden solche Vorstellungen noch lange weiter. In der frühen Neuzeit wurden sie bei Hexenprozessen ("Hexenbad") wieder eingesetzt.

Wasserorakel (fontium augura) verbot Papst Gregor III. schon im Jahr 731, doch glaubte man weiterhin an Wasser und Brunnen als Zukunftskünder. Im Spiegel von Brunnen oder Kübeln wollten die Mägde das Bild ihres Bräutigams erkennen. Die Wiener Schriftstellerin Karoline Pichler (1769-1843) schilderte das "wohlbekannte Lesseln" am Weihnachtsabend: "Viel Lachen erregten die Nussschalen, deren jede ein kleines Lichtchen und den Namen von einer Person der Gesellschaft trug und die so als leuchtende Flotte auf dem Teich eines Beckens mit Wasser gesetzt wurden. Eine überzählige Nussschale hatte den Namen des Pfarrers und es gab nun zu allerlei Scherz Anlass, wenn die rechten oder auch die unrechten Schalen zusammen schwammen und vielleicht der Zufall den Pfarrer mit einem dieser Pärchen vereinigte, was dann eine sichere Heirat bedeuten sollte."  

Auf einem Grundstück des Stiftes Klosterneuburg entspringt in Weidling an der Wiener Stadtgrenze eine Quelle, die als Agnesbrünnl Eingang in Brauch und Sage fand. Die Quelle bei einer Buche galt als Jungbrunnen. Selbst, nachdem die Behörde 1817 die Quelle zuschütten und den Baum fällen ließ, kamen viele Leute. Sie hofften, dort Aufschluss über gewinnbringende Lottozahlen zu erhalten. 1859 wurde von Frauen berichtet, "die mit Glücksnummern und sympathetischen Mitteln handelten und geheimnisvoll von den Wirkungen des Agnesbrünnls sprachen." 

Bei magischen Heilungspraktiken wie dem Warzenwenden wurde die Krankheit auf einen Gegenstand übertragen und dieser dem Wasser ausgesetzt. Man vergrub z. B. einen Faden unter die Dachtraufe oder warf ihn in einen Bach. Zugleich mit dem Gegenstand würden, so hoffte man, die Beschwerden vergehen. Die angebliche Heilkraft fließenden Wassers besteht darin, dass es die Krankheit mit sich nimmt, wenn man den "Schaden" hineinwirft. Der Drei-Brunnen-Segen sollte kranke Kinder gesund machen, der "Segen Johannes des Täufers" Feuer löschen.

Die Taufe wird im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes vollzogen. Die Anrufung der göttlichen Namen verleiht dem schlichten Wasser Heiligung und Wirkkraft. Nach dem katholischen Kirchenrecht ist eine Taufe gültig, wenn sie "in Anwendung natürlichen Wassers" unter gleichzeitigem Aussprechen der Taufformel und "in der rechten Absicht" gespendet wird. Außer der feierlichen Taufe durch Priester oder Diakon in der Kirche sind die private Taufe und die Nottaufe möglich. Die Befähigung zur Taufspendung hat jeder.

Wasser, das zu "heiliger Zeit" (Mitternacht oder vor Sonnenaufgang) in feierlicher Stille geschöpft wurde, führte den Namen Heilwag. Solche heiligen Nächte waren Ostern, Weihnachten, Silvester-Neujahr, der erste mittlere oder letzte Tag der "Zwölften" (die Rauhnächte werden in der Mittwinterzeit regional unterschiedlich gezählt), Walpurgis- und Johannesnacht. Als Badewasser galt es heilend, man ließ ihm den kirchlichen Segen angedeihen, besprengte damit Haus und Hof und bewahrte es wie Weihwasser auf.


__Wunderquellen__

Quellen galten -  ebenso wie Steine oder Bäume - quer durch die Zeiten und Kulturen als numinose Orte. Ihre Zahl ist unüberschaubar. Auffallende Punkte in der Landschaft werden mit dem Göttlichen in Verbindung gebracht, Quellen reinigende und heilende Wirkungen zugeschrieben. Einzelne Pilger und organisierte Wallfahrer kamen und kommen mit der Bitte um Hilfe und Schutz oder Dank für erfahrenen Beistand. Schon die Bräuche früher Pilger im Heiligen Land bezogen sich oft auf die dem Wasser zugeschriebene Kraft: Sie wuschen sich bei der Quelle in Kana, wo Jesus bei der Hochzeit ein Wunder gewirkt hatte, badeten im Jordan oder nahmen Wasser aus dem Fluss mit. 

An Wallfahrten zu Wunderquellen beteiligten sich die Angehörigen ganzer Ortschaften oder Berufsgruppen teil. Während Pilger einzeln, zu selbst gewählten Terminen ein (Marien-) Heiligtum aufsuchten, waren die Teilnehmer "verlobter" Wallfahrten aufgrund eines Gelübdes zu einer solchen Prozession verpflichtet. Auf dem Weg und am Gnadenort fanden sie Brünnl zur Erfrischung und Heilung. Die Donauschiffer gingen vor allem nach Holzern (Gemeinde Krummnussbaum), wo sich eine Nikolauskirche mit mehreren Darstellungen des Heiligen befindet. Ihr Besuch von St. Johann im Mauerthale (Gemeinde Rossatz-Arnsdorf) war mit Bräuchen und Legenden verbunden. Die Filialkirche St. Johann vereint mehrere Wasserheilige: Johannes den Täufer, Christophorus, Nikolaus und den legendären heiligen Aldelwinus (Albinus), dessen Hochgrab bis 1862 in der Mitte des Langhauses stand. Nördlich der Kirche befindet sich ein markant überdachter Steinbrunnen. Die Flößer kamen bis 1863 in Prozession zur Kreuzkapelle in Weidling (Gemeinde Klosterneuburg). 

Die Daheimgebliebenen erhielten Andenken von  den Gnadenstätten. Wo es "heilige Brünnl" gab, nahmen die Pilger Wasser mit. Für die frommen Besucher der Heiltümer in Aachen (Deutschland) gab es Anfang des 16. Jahrhunderts Pilgerflaschen mit dem Werbetext "Kauft gleich eine Flasche aus Aachen und bewahrt darin heiliges Wasser auf, es ist gut!" Eigene Flaschen sind aus St. Wolfgang in Oberösterreich und Lourdes (Frankreich) bekannt. In jüngster Zeit sind es Plastikflaschen in Madonnenform.

Entsprechend der Bedeutung des gesunden Trinkwassers stellt man Brunnen unter den Schutz von bestimmten Heiligen. Beim weitaus überwiegenden Teil ist das die Gottesmutter Maria. Ihr sind nicht nur die Quellen bei den großen Wallfahrtsorten und die Lourdesgrotten geweiht, sondern auch zahlreiche unscheinbare Brünnl. Bei manchen Heiligen ergibt sich die Verbindung zum Wasser aus Überlieferungen, (Wunder-)Legenden und Patronaten: Quellen, die auf Fürsprache des hl. Ulrich entspringen, sollten nie versiegen. Alte populäre Wasserheilige sind Antonius von Padua, ein Patron der Schiffbrüchigen, der den Fischen predigte, die aufmerksam zuhörten, Christophorus, der das Jesuskind über einen Fluss trug, Florian, dessen Darstellungen ihm beim Löschen eines brennenden Hauses zeigen, Jakobus  d.Ä., dem auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela (Spanien) zahlreiche Brunnen geweiht waren, Johannes, der Jesus im Fluss Jordan taufte, Nikolaus als Helfer der Seefahrer und Schiffsleute. Seit der Barockzeit prägen unzählige Statuen des hl. Johannes Nepomuk "an jedem Steg, auf jeder Bruck", die Niederösterreichische Kulturlandschaft. Er fand den Märtyrertod, als man ihn in die Moldau stürzte.\\ \\

''Erschienen in: Schaufenster Kultur.Region, 2009. Historische Bilder aus: Helga Maria Wolf: Mythos Wasser, St. Pölten 2009. Gemeinfrei''



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