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Wiege#

Wiege

Mütter aller Kulturen wiegen ihre Kinder mit den Armen oder schaukeln sie in Tüchern, Körben und anderen Gerätschaften. Durch sechs Jahrhunderte, zwischen 1300 und 1900, war in Europa die hölzerne Kinderwiege von Bedeutung. Das Möbel war aus Pfosten und Brettern zusammengefügt und stand auf Kufen, mit denen es geschwungen wurde. Der Wiener Schottenmeister malte 1469 bei der Geburt Mariä eine charakteristische Querschwingerwiege. In der Barockzeit wurden die Wiegen bis tischhoch, geschnitzt und bemalt. Sprüche, Jahreszahlen und religiöse Motive waren die Auszier. Häufig findet sich auf dem Kopfteil das Jesusmonogramm, auf dem Fußteil das Hexen abwehrende Pentagramm. Um das Kind vor Insekten zu schützen, wurden - oft ebenfalls geschnitzte - Holzbogen angebracht, über die man Tücher legte. Ende des 19. Jahrhunderts lösten Kinderwagen und Gitterbetten die Wiege ab. "Wiegenfest" bezeichnet im gehobenen Sprachgebrauch den Geburtstag

Als Andachtsübung im privaten und halböffentlichen Bereich, wie auch als liturgieergänzender Brauch war das Kindelwiegen beliebt. Es stand in Verbindung mit der klösterlichen Jesuskindmystik und verdankte seine Popularität den Volksmissionen der Bettelorden in Italien und Deutschland. In einer kleinen Wiege lag „ein schön aufgeputztes Christkind, zumeist aus Wachs, das von Mitgliedern der Gemeinde oder auch von umherziehenden Kindern unter Absingen entsprechender Lieder gewiegt werden durfte.“ Dazu schrieb der Mönch von Salzburg im 14. Jahrhundert das Lied „Joseph, lieber nefe mein, hilf mir wiegen mein kindelein“.  Der Brauch wurde - genau 850 Jahre nach seiner ersten Erwähnung, 2012 in der Kirche St. Gertrud in Klosterneuburg revitalisiert.

Frühe Erzeugnisse des Buchdrucks (1450-1500) werden Inkunabeln genannt. Übersetzer des 19. Jahrhunderts machten daraus Wiegendrucke (lat. incunabula - Wiege).


Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S.969 f.
Leopold Schmidt: Volkskunst in Österreich. Wien 1966. S. 112 f.
CD Eberhard Kummer - Helga Maria Wolf: Lieder zur Leier & Wissenswertes von Weihnachten. Wien 2004

Bild:
Querschwinger-Wiege, Sautens (Tirol). Foto: Alfred Wolf, 1948


Siehe auch:
Wiege in: Verschwundene BräucheDas Buch der untergegangenen RitualeHelga Maria WolfBrandstätter VerlagWien2015jetzt im Buch blättern