P. Benedikt Wagner - Peter Böttcher: Stift Seitenstetten und seine Kunstschätze#
P. Benedikt Wagner - Peter Böttcher: Stift Seitenstetten und seine Kunstschätze. Mit einem Beitrag zur Stiftsgalerie von P. Martin Mayrhofer. Erweiterte Ausgabe unter Mitarbeit von Franz Überlacker. Residenz Verlag Salzburg 2012. 224 S. durchgehend farbig ill. € 29,90
Seit 900 Jahren bildet das Benediktinerstift Seitenstetten, der „Vierkanter Gottes“, das geistige, kulturelle, wirtschaftliche und pädagogische Zentrum des Mostviertels. Beiträge zum Jubiläumsjahr sind der vorliegende Bild-Text-Band und die Bundesländer übergreifende Ausstellung „Leben im Vierkanthof – wo Bauern und Mönche beten und arbeiten“. 1988 war es eine Landesausstellung gewesen, die zur Herausgabe eines Buches über das Stift und seine Schätze führte. Autor war schon damals P. Benedikt Wagner. Er befasste sich mit der Baugeschichte vom ersten Kloster- und Kirchenbau über die frühgotische Kirche bis zum Neubau des barocken Klosters. Dieser Kunstband bildet die Basis des vorliegenden Jubiläumswerkes. Der Historiker Franz Überlacker, der am Stiftsgymnasium unterrichtete, besorgte die Aktualisierungen.
Bischof Egon Kapellari nannte das Kloster in Seitenstetten "wetterfester Unterstand des Glauberns und der Kunst". Doch dieser brauchte einen "zweimaligen Anfang". Die erste Stiftung erfolgte am Karsamstag anno 1109 durch die kirchentreuen und reformfreudigen Adeligen Reginbert und Udalschalk. Sie stifteten ein Chorherrenkloster, allerdings mit Vorbehalt. Dieser sollte sich schon nach wenigen Jahren auswirken, da die beiden Adeligen mit den Kanonikern nicht zufrieden waren. Das junge Kloster wurde wieder aufgehoben. Reginbert zog sich zurück, Udalschalk aber stiftete anno 1112 seinen gesamten Erbbesitz für ein Benediktinerkloster zu Ehren der Gottesmutter. 1116 weihte Bischof Ulrich von Passau die neue Kirche und verzichtete zu deren Gunsten auf seinen Zehent. Dennoch stand es in dem Kloster nicht zum Besten. "Bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts dürfte es in Seitenstetten nur wenige Äbte gegeben haben, die es verstanden, eine effiziente Verwaltung einzurichten und die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Stiftes auszuschöpfen", schreibt P. Benedikt Wagner.
Nach einer Reihe von Um- und Zubauten entschloss sich Abt Ambros Prevenhueber 1717 zum kompletten Neubau der Stiftsanlage. Kurz zuvor war die inkorporierte Wallfahrtskirche auf dem Sonntagberg von Jakob Prandtauer neu errichtet worden. Dessen Polier bei dem Projekt war Joseph Munggenast, der nun auch den Stiftsbau übernahm. Er verfasste einen Plan, der nüchtern, rational und gut durchdacht war. Vor dem Baubeginn mussten umfangreiche Arbeiten am Terrain durchgeführt, Unmengen Material herbeigeschafft und die Sonntagberger Kirche geweiht werden. 1747 war das große Werk vollendet. Seit 1984 ist Berthold Heigl der 62. Abt der Benediktinerabtei Stift Seitenstetten. In seine Amtszeit fallen die Restaurierung des gesamten Gebäudes (1985-1991) und seit 1987 des Meierhofs, die Landesausstellung 1988 und die Revitalisierung der Gärten (1994).
Das zweite große Kapitel beschreibt "Die sehenswerten Räume des Stiftes". Die Kirche mit ihren Anbauten - frühgotischer Kern, barocke Stuckaturen, Wand- und Deckengemlde, Tapetenbilder, Kreuzweg, Altäre, Grabdenkmäler - sowie die Schauräume. Wie bei einer Führung kann der Leser, unterstützt von Bildern des Kunstfotografen Peter Böttcher, einen Rundgang unternehmen. Er beginnt bei der Abteistiege mit den Altomonte-Fresken, führt in den "Maturasaal", den Abtei- oder Marmorsaal, dessen Decke ein Trogerfresko ziert, das Sommerrefektorium mit 19 Ölbildern des Kremser Schmidt, die Schatzkammer, die Sakristei, die Bibliothek, die mehr als 700 Handschriften, 230 Wiegendrucke und 60.000 Bücher umfasst, in das Mineralienkabinett und den Promulgationssaal über dem Hauptportal des Stiftes.
Die Stiftsgalerie ist größte Klostergalerie Österreichs. P. Martin Mayrhofer, Kustos der Sammlungen, stellt sie im Buch vor. Die schon in der Barockzeit gegründete Galerie ist auf über 1000 Kunstwerke auf 4000 m² angewachsen und nimmt einen Teil des ersten und zweiten Stockwerks im West- und Nordtrakt des Stiftes ein. Sie umfasst Werke von der Antike bis zur Gegenwart. Von den Malern der Barockzeit sind unter anderem Paul Troger, Alessandro Magnasco, Martino Altomonte, Franz Anton Maulpertsch und G. Bazzani mit bedeutenden Bildern zu nennen. 38 Werke des Kremser Schmidt aus verschiedenen Schaffensperioden ist ein eigener Raum gewidmet. Werner Berg, Maria Lassnig, Fritz Wotruba, Josef Pillhofer oder Wilhelm Kaiser vertreten die modernen Künstler. Stift Seitenstetten zeigt sich zukunftsorientiert. Persönliche Kontakte mit lebenden Künstlern und Sponsoring durch "Alt-Seitenstettener" sorgen stets für aktuelle Neuerwerbungen.