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Ist der Menschheitsselbstmord unausweichlich? (Essay )#

Die Biographie Wilfried Daims aus der Feder von Peter Diem ist im April 2011 in der Edition Steinbauer erschienen. Der folgende Essay ist die ungekürzte Version des Kapitels über die Möglichkeit eines Menschheitsselbstmordes.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch die Möglichkeit zum Menschheitsselbstmord — so sie einmal existiert und mit ihrer Existenz den Planeten nicht mehr verlässt — einmal ergreift, grenzt an hundertprozentige Sicherheit. Kein Tiefenpsychologe von Format kann der Meinung sein, dass dies nicht so wäre…
Nun hat sich der Todestrieb innerhalb der Kriegsdrohung und Großapokalypse einen sehr raffinierten Schleichweg gesucht, der die Apokalypse sozusagen in kleinen Dosen, Schritt für Schritt, zu realisieren trachtet: die sogenannte „friedliche Nutzung" der Kernenergie. (Wilfried Daim, Academia, September/Oktober 1978)


Buchumschlag (mit Klick vergrößern!) © P. Diem
Buchumschlag

Im März 1959 schloss Wilfried Daim eines seiner originellsten Werke ab, das etwas über 100 Seiten umfassende Buch „Totaler Untergang“ (Manz Verlag München).

In seinem Vorwort berief er sich auf Karl Jaspers, der in seiner dreibändigen Philosophie (1932) behauptet hatte „der Mensch werde, hätte er einmal dauernd die Möglichkeit, die Grundlagen aller Kultur zu vernichten, diese Möglichkeit zweifellos auch in die Tat umsetzen.

Eine weitere wichtige Grundlage der Daim‘schen These vom unausweichlichen Menschheitsselbstmord war neben der Geheimen Offenbarung des Johannes die „Kurze Erzählung vom Antichrist“, verfasst vom russischen Religionsphilosophen Wladimir Sergejewitsch Solowjow (1853-1900) in dessen letztem Lebensjahr. Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs, der mit der Auslöschung der beiden japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki (mit insgesamt etwa einer Viertelmillion Toten) geendet hatte, und der Kalte Krieg mit dem Rüstungswettlauf zwischen den Supermächten bildeten den Hintergrund für Daims Endzeit-Überlegungen: mit der atomaren Waffentechnik war die von Jaspers ins Auge gefasste Möglichkeit realisierbar geworden.

Der Buchumschlag war gut gelungen. Über dem bleiernen Grau des Kupferstichs „Das Ende der Welt" von William Hogarth (1697-1764) hängt in brennendroten Lettern die bange Frage „Totaler Untergang?"

Daim versuchte, seine These vom unausweichlichen Selbstmord der Menschheit möglichst nüchtern und mit wissenschaftlicher Gründlichkeit zu formulieren. Er ging dabei von vier Elementen aus:

1. Möglichkeiten zur Vernichtung der Menschheit
2. Personenkreis, der die Vernichtungsmöglichkeiten besitzt
3. Innere Kräfte, die zum Untergang tendieren
4. Vorhandene Gegenkräfte.

Gleich bei Behandlung der ersten Frage wird der Grund offenbar, warum sich Daim gerade jetzt in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts dazu gedrängt fühlte, den Untergang der Menschheit von der psychologischen Seite her zu betrachten. Der Grund liegt in den enormen Fortschritt in der Entwicklung von Vernichtungswaffen globaler, wenn nicht kosmischer Wirksamkeit. Hatte die Uranbombe von 1945 sämtliche konventionellen Sprengmittel um das Millionenfache übertroffen, standen bereits 1954 Wasserstoffbomben mit noch größerer Wirkung zur Verfügung.

Eine Vernichtung des nordamerikanischen Kontinents wurde von den Atomphysikern bereits für durchführbar erklärt. Die Entwicklung hatte somit jenen Punkt erreicht, der die Möglichkeit, das gesamte Leben auf der Erde auszulöschen, in greifbare Nähe rücken ließ: etwa durch eine Reihenreaktion innerhalb der gesamten Erdrinde.

Der Personenkreis, der Zugang zu den Vernichtungswaffen besaß, wurde immer größer. Mit dem im Februar 1960 unternommenen Atombombenversuch war Frankreich vierte Atommacht geworden. Wenn auch nur die Wissenschaftler die unmittelbare Gewalt über Vernichtungswaffen besaßen, so bildeten sie zusammen mit den Militärs und Politikern, die über den allfälligen Einsatz entscheiden konnten, doch eine ansehnliche Personengruppe.

Naturgemäß stellen Betrachtungen über die dritte der oben genannten Fragen den Kern des Buches dar, liegt ihr doch das von Wilfried Daim sehr ernst genommene tiefenpsychologische Phänomen des Todestriebs zugrunde. Vom Problem des Opfers ausgehend, betrachtet Daim die Fixierung an ein Triebobjekt, das, '“absolut gesetzt, zwangsläufig Aggressionen erzeugt: Aggressionen gegen Gott, gegen das falsche Absolute (den Götzen) und endlich gegen den Menschen selbst.“ Alle drei Formen seien potentiell im Menschen vorhanden; ihr Kern sei narzisstisch. Ihre letzte Konsequenz ist nach Daim die totale Aggression, die sich gegen die gesamte Realität richtet. Sie fand im Zeitalter unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg erstmalig reale Verwirklichungsmöglichkeiten vor. Wissenschaftler und Militärs sind nach Wilfried Daim Menschen mit eher größerem absolutem Todestrieb als normal. Die Politiker, die Daim in der ihm eigenen, oft burschikosen Ausdrucksweise als „Menschen zwar beruhigender Mittelmäßigkeit, fallweise aber besorgniserregender moralischer Fragwürdigkeit und fast immer erfüllt von Geltungsdrang" bezeichnet, steigern nur die Wahrscheinlichkeit des berühmten „Drucks auf den Knopf“.

Daim behauptet weiter, dass nicht einmal eine demokratische Staatsform mit ihren Kontrollmöglichkeiten die Gefahr der Auslösung einer Totalvernichtungswaffe ganz bannen kann, eine weitere Voraussetzung für die Möglichkeit des technisch in Szene gesetzten Menschheitsselbstmordes.

Sobald die Gewissheit des baldigen Menschheitstodes mit Hilfe der modernen Massenkommunikationsmittel den Menschen zu Bewusstsein gelangt wäre, würde sich die Menschheit in einer Lage befinden, wie sie auf einem Schiff herrscht, auf dem man eine tickende Höllenmaschine entdeckt. Wie würde sich dieses Wissen politisch auswirken?

Es ist einer der Hauptverdienste Daims, das Wesen der politischen Anziehungskraft der totalitären ideologischen Systeme der jüngeren Geschichte in ihren pseudoreligiösen Grundlagen erkannt zu haben. Sowohl Nationalsozialismus als auch Marxismus waren ihrer tiefenpsychologischen Struktur nach Zerrbilder der christlichen Erlösungsreligion, wobei die Phasen Paradies – Sündenfall – Erlöser – Weltgericht – Himmel (auf Erden) deutlich in Erscheinung traten. Auf diese Diesseitsreligionen würde nun, so führte Daim aus, das Wissen vom Menschheitssuizid eine unmittelbare Wirkung haben: da sich niemand mehr von ihnen ein irdisches Paradies zu erhoffen vermag, müssten sie zwangsläufig in sich zusammenbrechen.

Die endzeitliche Aufgabe#

Während der Menschheitstod von Menschen gewisser psychologischer Konstitution akzeptiert, ja sogar gefördert werden würde, müsste seine Erkenntnis der übrigen Menschheit eine endzeitliche Aufgabestellen: die Integration der Weltkulturen. Hierbei obliege es dem Christentum, die Initiative zu ergreifen und kraft des für Daim feststehenden Wahrheitsgehalts seiner Lehre die Positiva der anderen Religionen in gewandelter eigener Geisteshaltung emporzuheben. Daim hat also die Möglichkeit des totalen Untergangs der Menschheit mit der Utopie einer auf christliche Werte gründenden Gesellschaftsordnung verbunden. Trotz, oder besser, zufolge der Überzeugung vom baldigen totalen Untergang erginge der Auftrag zu konstruktiver (weil letztlich transzendentaler) Tätigkeit.

Theologische Spekulationen#

Der Verfasser sah sich durch die Veröffentlichung der These vom unausweichlichen Menschheitsselbstmord durch seinen Freund Wilfried Daim dazu veranlasst, in der Zeitschrift des Österreichischen Cartellverbandes Academia (11. Jgg. Nr. 8) einen Vergleich zwischen den im „Totalen Untergang“ geäußerten Ideen und der biblischen Eschatologie anzustellen. Dieser Vergleich wird im Folgenden in aktualisierter Form wiedergegeben, wobei vor allem die sechzehn Jahre nach Veröffentlichung des Buches am 26. April 1986 eingetretene Katastrophe von Tschernobyl neuerlich Anlass für weiterführende Gedanken – Gedanken eines gläubigen Christen – bietet.

Die Apokalypse#

Die hauptsächlichsten Quellen für Überlegungen betreffend die „Letzten Dinge" sind: die eschatologische Rede Christi (Mt. 24, Mk. 13, Lk. 21), die Johannesapokalypse sowie viele Stellen der Paulusbriefe und der sogenannten katholischen Briefe. Die Bedeutung, die die katholische Kirche der Eschatologie (der Lehre von den „Letzten Dingen“) beimisst, geht schon daraus hervor, dass an zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen, nämlich am letzten Sonntag im Kirchenjahr und am ersten Adventsonntag, das Evangelium vom Ende Jerusalems und der Welt gelesen wird. Der Inhalt sowohl der eschatologischen Rede als auch jener der gesamten Apokalypse ist deswegen schwerer zu verstehen als andere Schriftstellen, weil sich beide der sogenannten prophetischen Redeweise bedienen. Dies bedeutet, dass zeitlich weit auseinander liegende Geschehnisse von den Verfassern dieser Schriften gleichzeitig behandelt werden, während das dazwischenliegende Geschehen vernachlässigt wird. Dadurch ergibt sich eine eigentümliche Wirkung, die man am besten mit der eines mit starkem Teleobjektiv gemachten Lichtbildes vergleichen kann.

Die Heilige Schrift geht davon aus, dass die Geschichte dieser Welt ein Ende haben wird, so wie sie einst einen Anfang genommen hat. Wenn man dieser Überlegung folgt, tauchen zwei grundlegende Fragen auf: wann wird dies geschehen und auf welche Weise.

Zum genauen Zeitpunkt des Weltunterganges heißt es ausdrücklich, dass er nur dem Vater bekannt ist (Mt. 24:36). Jesus hatte also keinen Auftrag, direkt zu offenbaren, wann das Weltende eintreten werde. Wohl aber gibt der Nazarener indirekt darüber Auskunft, indem er bestimmte Vorzeichen anführt, die dem Jüngsten Tag vorausgehen werden. Man vermutet an Hand der Paulusbriefe, dass der Völkerapostel anfänglich selbst hoffte, die Wiederkunft Christi zu erleben. Paulus hat dies jedoch nie in die Form einer Lehre gegossen.

Wenn uns somit auch das genaue Datum des Weltunterganges unbekannt ist, so ruft uns Jesus Christus mehrfach zur steten Wachsamkeit auf. Denken wir nur an das Gleichnis vom sorglosen Oberknecht (Mt. 24:48) oder an das von den törichten Jungfrauen (Mt. 25:5) – auch Paulus sagt uns: „Der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht." (1 Thess. 5:1.) Aktuell gesprochen, bedeutet dies zweierlei: Erstens: Wachsam zu sein, mit Rücksicht auf unser eigenes Schicksal. Denn für jeden von uns kann der Jüngste Tag bereits heute hereinbrechen; wird doch der Zustand unserer Seele im Augenblick unseres Todes dem Endurteil beim Jüngsten Gericht zugrunde liegen. Ist aber damit nicht das Weltende in seiner höchstpersönlichen Wirkung in unmittelbare Nähe gerückt?

Zweitens: Dürfen wir uns Gedanken über das Schicksal des Menschengeschlechts machen? Die Antwort ist ja. Wozu sonst hätte Christus die Behandlung des Weltendes mit dem Gleichnis vom Feigenbaum geschlossen? Freilich wollen wir nicht den Eintritt jener Vorzeichen leichtfertig für unsere Zeit in Anspruch nehmen; untersuchen wir diese Vorzeichen aber einmal nüchtern im Hinblick auf die Möglichkeit ihres Eintritts zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Man könnte die Ereignisse, die dem Weltuntergang vorausgehen werden, in drei Gruppen einteilen:

1. Ereignisse, die Kirche Christi betreffend (Verkündigung des Evangeliums, Verfolgung der Kirche, falsche Propheten und Messias, Bekehrung der Juden).
2. Ereignisse unter den Menschen (Kriege, Hungersnöte, Seuchen, Gesetzlosigkeit, Auflösung der Familienbande, Angst).

3. Ereignisse in der Natur (Erdbeben, Brausen des Meeres; Ereignisse bezüglich Sonne, Mond, Sterne, Himmelskräfte).

Betrachten wir diese drei Gruppen nun im Einzelnen.

1. Ist das Evangelium bereits allen Völkern verkündet? (vgl. Mt. 24:14.)#

Die Beantwortung dieser Frage ist nicht leicht. Wenn man unter „Völker" die geschichtstragenden versteht, dann ist sie zu bejahen. Wenn darunter aber z. B. auch alle Eingeborenenstämme des Amazonasbeckens fallen, wäre sie zu verneinen. Da das Nachrichten- und Verkehrsnetz heute bereits sehr dicht sind, ist die Begegnung mit westlichem Kulturgut und damit auf irgendeine Weise mit dem Wort Christi heute fast unvermeidlich. Der oben erwähnte russische Religionsphilosoph Wladimir Sergejewitsch Solowjow (1853-1900) hat diesen Punkt schon vor der Wende zum 20. Jahrhundert für erreicht angesehen.
Die Verfolgung der Kirche – vor allem im kommunistischen Machtbereich – konnte Daim für die Zeit der Abfassung des Buches noch annehmen - heute würde das eher schwer fallen.
Falsche Propheten sah Daim in den mächtigsten politischen Systemen, in denen er einen pseudoreligiösen Kern mit ausgeprägtem Diesseits-Messianismus nachzuweisen suchte. Wenn wir bei Markus (13:21) von den falschen Propheten lesen, könnte man an die Argumente von der Überlegenheit seines Systems denken, die etwa ein Chruschtschow in anmaßender Weise an den Abschuss des Sputniks, des „neuen Sterns von Bethlehem", oder an die Mondrakete knüpfte.
Die Bekehrung des auserwählten Volkes liegt nach Mt. 23:37 ff. vor der Parusie, das heißt der Wiederkunft Christi. Der größte Teil der Juden wird sich erst bekehren, bis die Vollzahl der Heiden eingegangen ist (Röm. 11:25), wodurch das Wort „So werden die Letzten die Ersten und die Ersten (= Erstberufenen) die Letzten sein", erfüllt wird. Die politische Festigung des Staates Israel scheint einen Weg zu weisen, der über eine territoriale zu einer religiösen Rückführung führen könnte. Auch zeigt sich eine gewisse Tendenz jüdischer Theologen, im Verhältnis zum Christentum das „Gegeneinander" durch ein „Miteinander" zu ersetzen. Der moderne christlich-jüdische Dialog kommt dennoch über erste Schritte nicht hinaus – daran hat auch die im Kern zu zaghafte Konzilserklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen vom 28. Oktober 1965 ("Nostra aetate“) nichts geändert.

2. Menschliches Zutun#

Die zweite Gruppe betrifft Ereignisse unter den Menschen. Zwei Kriege, unerreicht an Ausmaß und Leiden, haben das Antlitz der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt. Ist im 21. Jahrhundert ein Anlass denkbar, der einen neuen, vielleicht den letzten Krieg entfachen kann? Hungersnöte hat es viele in der Geschichte gegeben. Heute wird eine Milliarde Menschen – ein Siebtel der Weltbevölkerung – vom Hunger geplagt. Die Heilige Schrift spricht von „Seuchen in diesen Tagen“. Es ist zwar den Menschen gelungen, der klassischen Seuchen, wie Pest und Cholera, Herr zu werden. Wie aber steht es um Krebs, Herzkrankheiten und Aids? Sind das nicht echte Zivilisationsseuchen? Von der millionenfachen Infektion mit HIV konnte Daim 1960 noch nicht wissen. Ist ein wirksames und zumutbares Mittel gegen Strahlenerkrankungen bei großflächiger radioaktiver Verseuchung überhaupt denkbar? Wie sind die Signale bezüglich Erderwärmung, CO2-Ausstoß und Ozon-Loch zu werten? Was ist mit den Umweltkatastrophen durch Plastikrückstände im Meer, mit den Erdölaustritten und aufbrechenden Sondermüll-Deponien? Sind unsere Atommüll-Lager Endlager oder „Endzeitlager“? Die Angst, von der die Bibel spricht (Lk. 21:26), lauert in jeder Phase unseres täglichen Lebens, bereit hervorzubrechen als apokalyptisches Entsetzen. Auch die Gesetzlosigkeit kann bis heute nicht beseitigt werden, denken wir an die Stammeskriege im südlichen Afrika oder an den Krieg in Afghanistan.

3. Naturgewalten#

Den sozial- und religionsgeschichtlichen Endzeit-Zeichen stehen die Ereignisse in der Natur gegenüber. Diese sind als rein terrestrische oder als kosmische Katastrophen denkbar. Die Heilige Schrift weist auf beide Arten hin. So spricht sie von großen Erdbeben und einem gewaltigen Brausen des Meeres. Abgesehen davon, dass Erdbeben, Vulkanausbrüche, Tsunamis, Hurrikane und Wolkenbrüche Jahr für Jahr zehntausende Opfer fordern, wäre es heute durchaus denkbar, Katastrophen dieser Art durch menschliches Zutun herbeizuführen. Theoretisch mögliche unterirdische oder unterseeische Atomexplosionen an kritischen Stellen der Erdrinde könnten ungeahnte Wirkungen halben, ja die Existenz des Planeten Erde als Ganzes gefährden, indem etwa eine Beeinträchtigung der Stellung der Erdachse den Globus zum Taumeln bringt. Ein Ausweichen auf andere Himmelskörper, nach dem gegenwärtigen Stand der Raumfahrt längst keine Utopie mehr, würde, wie Daim treffend bemerkt, nichts als eine Verschiebung des Problems bedeuten.

Überdies wird uns bei einer Betrachtung der von der Bibel zitierten kosmischen Vorzeichen in dieser Hinsicht jede Illusion genommen: „Gleich nach der Trübsal jener Tage wird sich die Sonne verfinstern, der Mond wird sein Licht nicht mehr spenden, die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden." (Mt. 24:29.) Das Geschichtsende wird hier als kosmische Katastrophe geschildert, die zumindest das Ende des Sonnensystems zu bringen scheint.

Wenn es uns auch heute unfassbar vorkommt, dass der menschliche Geist je dazu fähig sein könnte, ein Mittel zur Zerstörung eines ganzen Planeten zu ersinnen, könnte dies nicht schon morgen anders sein? Könnte nicht die Überführung relativ konzentrierter Materie, wie sie uns in den Himmelskörpern entgegentritt, in diffuse Materie oder Strahlung, wie dies bei spontaner nuklearer Reaktion der Fall ist, die Gravitationsverhältnisse eines Systems verlagern und so ein unvorstellbares Chaos erzeugen?

Am Schluss der Darstellung der von der Bibel erwähnten endzeitlichen Ereignisse soll eine Betrachtung der Geheimen Offenbarung stellen. Ihr Verfasser lehnt sich eng an die spätjüdische Apokalyptik an, eine Literaturgattung, die sich der Entrückung in den Himmel als Ausdrucksmittel bedient - eine den Juden durchaus verständliche Ausdrucksweise. Es ist für den nun folgenden Versuch, die Johannesapokalypse für die Gegenwart zu deuten, selbstverständlich erforderlich, dass sich der Leser mit ihr näher bekanntmacht.

Die folgenden Gedanken stützen sich im Wesentlichen auf das umfangreiche Buch des katholischen Theologen Michael Schmaus, „Von den Letzten Dingen", Münster, 1948. Daneben finden aber auch die Überlegungen Wladimir S. Solowjows Berücksichtigung, jenes 1900 verstorbenen russischen Denkers, dessen Hauptanliegen die Vereinigung der drei großen christlichen Bekenntnisse in der letzten Phase der Geschichte war, die er mit diesem Jahrhundert heraufziehen sah (vgl. „Übermensch und Antichrist". Über das Ende der Weltgeschichte, Herder-Taschenbücher,1958).

Zum Text der Geheimen Offenbarung des Johannes#

Die eigentliche Darstellung der Endereignisse beginnt im 6. Kapitel mit der Öffnung der sieben Siegel. Jeweils auf ausdrücklichen Befehl Gottes, „Komm!", übersetzen die vier Apokalyptischen Reiter die Erde mit Anarchie, Krieg, Hunger und Tod. Beim Öffnen des sechsten Siegels bricht ein Chaos im Kosmos herein, wie wir es vorher bei Lk. 13, 24 fanden. Hier heißt es dazu noch „der Himmel verschwand wie ein Buch, das man aufrollt". Bei Öffnung des letzten Siegels erhalten sieben Engel ebenso viele Posaunen. Beim Klang einer jeden Posaune treten Vorzeichen ein, die die teilweise Vernichtung der Menschheit bringen. Nichts weist so deutlich auf die modernen Kampfmittel hin, wie die Stelle Offb. 8, 8-11, wo es heißt: „...und es fiel aus dem Himmel ein großer Stern, brennend wie eine Fackel, und er fiel auf den dritten Teil der Ströme und Wasserquellen. Und der Name des Sterns heißt Wermut. Und der dritte Teil der Wasser wurde zu Wermut, und viele der Menschen starben an den Wassern, weil sie bitter geworden." Ist das nicht das perfekte Beispiel großflächiger radioaktiver Verseuchung durch eine Superkernwaffe?

Am 26. April 1986 ereignete sich in der heute verlassenen Stadt Prypjat (nur 120 km Luftlinie nördlich Kyjiw) nach einem misslungenen Experiment eine katastrophale Kernschmelze und Explosion im Kernreaktor Block 4 des Atomkraftwerks Tschernobyl. Etwa 400.000 Personen mussten aus der 30-km-Zone umgesiedelt werden. Rund 4.000 Personen sterben an den Folgen der radioaktiven Verstrahlung. Ist es nicht seltsam, dass das Wort "Tschernobyl" übersetzt so viel wie "Wermutkraut" heißt?

Mittlerweile steht fest, dass der durch einen Tsunami am 11. März 2011 ausgelöste Reaktorkatastrophe von Fukushima in ihrer langfristigen Wirkung jener von Tschernobyl zumindest gleichzusetzen ist.

Es ist ziemlich gleichgültig, ob man die Heuschreckenschwärme des 9. Kapitels „deren Panzer wie Eisenpanzer sind, und das Geräusch ihrer Flügel wie der Lärm von Wagen, von vielen Pferden, die zum Kampfe laufen" (Vers 9), als Geschwader von Kampfflugzeugen oder als Interkontinentalraketen auffasst, der Schrecken des Bildes kann durch die heutige Waffentechnik zweifellos erreicht werden. Im 11. Kapitel ist die Rede von zwei Zeugen, die drei Jahre weissagen und zur Bekehrung aufrufen werden. Nach Erfüllung ihrer Mission werden sie getötet und ihre Leichname unbegraben zur Schau gestellt werden, bis sie nach dreieinhalb Tagen auferweckt und verklärt werden. Damit wird die Welt ihre letzte Chance zur Bekehrung versäumt haben und in Angst und Schrecken dahinleben. Den Kulminationspunkt des endzeitlichen Geschehens unter den Menschen bildet nach der Apokalypse die Gestalt des Antichristen (13. Kapitel, vgl. auch Paulus in 2 Thess. 2, 1-12). Das erste Tier, das von Johannes aus dem Meer aufsteigt, stellt einen Herrscher der Endzeit dar, der mit wirksamen politischen und geistigen Mitteln und unerreichter Brutalität den Christusglauben bekämpfen wird. Er bezieht seine Gewalt direkt vom Drachen (Vers 2). In der klaren Erkenntnis, dass das Religiöse im Menschen unzerstörbar ist, geht sein Plan nicht auf die Vernichtung desselben, sondern auf Usurpation. Der Weg dazu führt über die Rolle des glänzenden Politikers und Feldherrn zu der des „Dominus ac Deus". Dies ist ein Hinweis auf den pseudoreligiösen Kern eines endzeitlichen totalen Regimes. Die messianische Stellung des Antichristen an der Spitze einer weltweiten Diesseitsreligion ergibt sich aus den Versen 3:12-14, wo es heißt, dass das Tier trotz einer Todeswunde am Leben bleibt. Dies bedeutet eine Analogie zum toten und dennoch lebenden Christus (Offb. 1:18), den der Antichrist auch in seiner Selbstaufopferung für das Heil der Menschen nachahmt. Bei seiner satanischen Tätigkeit wird der Antichrist durch einen eigenen Propagandisten, das Tier aus dem Land, unterstützt. Diese Prophetengestalt der antichristlichen Staatsreligion ist die Inkarnation der Unwahrheit: ein Lamm, das zum Drachen wird, sobald es den Mund auf tut (Vers 11). Seine Tätigkeit umfasst erstens Scheinwunder und zweitens die Schaffung eines Kultbildes. Es heißt dazu: „Und es tut große Zeichen, dass es sogar Feuer vom Himmel auf die Erde vor den Menschen herabfallen lässt." (Vers 13.) Dies würde heute keinem Techniker besonders schwerfallen, wenn er dazu den Auftrag bekäme. Raumgeschosse geben ein herrliches Feuerwerk ab, wenn man sie beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglühen lässt. Zum zweiten Teil seiner Tätigkeit kommt es, „damit auch das Bild des Tieres rede und bewirke, dass alle, die es nicht anbeten, getötet werden". Diese schaurige Vision eines oktroyierten Kultbildes findet sich schon in George Orwells „1984", worin der „Große Bruder" täglich am Fernsehschirm erscheint, um von den Massen verehrt zu werden.

Die Gemeinschaftsform der Endzeit könnte eine globale Diktatur sein. Nach Vers 16 hätte der im totalen Staat des Antichristen Verfangene nur die Wahl zwischen Unterwerfung (ausgedrückt durch das Zeichen an Hand und Stirn) oder Eliminierung (durch wirtschaftlichen Boykott). Dennoch könnte ein Großteil der Menschheit den Versuchungen erliegen. Die neue Weltordnung würde ihren Anhängern mit Erfolg einreden, dass Christus der Hauptfeind der Menschheit sei. Von einer ausführlichen Behandlung der sieben Zornesschalen im 16. Kapitel wird hier abgesehen und nur auf die „bösen und schlimmen Geschwüre" in Vers 2 sowie auf Vers 12 hingewiesen, demzufolge die Vernichtungsheere (9, 17) von Osten her ihren Weg nehmen werden.

Für den Vergleich der biblischen Offenbarung mit der These Daims ist das nun Folgende von zentraler Bedeutung.

Die vom Antichristen gegen die übriggebliebenen Gläubigen in Bewegung gesetzten Kräfte richten sich nämlich plötzlich gegen ihn selbst. Der Anlass ist die in den Kapiteln 17 und 18 geschilderte Zerstörung Babylons. (Das Babylon am Euphrat war für die Juden der Inbegriff einer gottlosen und feindlichen Weltmacht; sein Turmbau gilt als das Musterbeispiel menschlicher Hybris.) Das Babylon des Johannes kann man sich als endzeitliche Metropole vorstellen. In ihr herrschen Gottlosigkeit, Unzucht und Unmäßigkeit.

Deswegen stellt Johannes sie als die große Hure dar. Ihre Kaufleute haben die gesamte Erde mit Gütern aller Art versorgt und vom Zornwein ihrer Unzucht haben alle Nationen getrunken. Man denkt bei den Stellen 18:3 und 18:11-13 unwillkürlich an den Götzen des übersteigerten Lebensstandards und die globale Erotisierung aller Lebensbereiche. Die Hybris dieser Stadt wird nun den Antichristen so reizen, dass er die lästige Konkurrentin seiner Macht in einer einzigen Stunde vernichten wird (17, 16 und 18:17): der menschgewordene Satan hat begonnen, nach Gottes Willen sein eigenes Todesurteil zu vollstrecken. Seine endgültige Vernichtung erfolgt nach der Schrift durch Christus selbst, der, dargestellt als Reiter auf weißem Pferd, die irdischen Heere niederringt und den Antichristen und seinen Propheten in das ewige Feuer der Gottesferne wirft. Wir wollen nun versuchen, aus der Gegenüberstellung der These Daims mit dem im Lichte des technischen Fortschritts gedeuteten eschatologischen Glaubensgut einige Folgerungen zu ziehen.

Zunächst: Ist die Daim‘sche These mit der Offenbarung vereinbar? Zwei Punkte sprechen dafür:

Erstens wissen wir, dass kein Geschehen, also auch nicht eine etwaige Selbstzerstörung der Menschheit, ohne den Willen Gottes stattfinden kann. Es wäre durchaus denkbar, dass Gott den Menschen zur Herbeiführung des Geschichtsendes heranzieht. Zweitens spricht die Stelle dafür, nach der der Antichrist seine Vernichtungswaffen gegen die von ihm selbst gestaltete Welt richten wird. Als Gegenargument wäre die endgültige Niederringung des Antichristen anzuführen, die, wie oben erwähnt, nicht durch Menschenhand, sondern durch Christus selbst erfolgen wird. Versucht man diese Argumente unter einen Hut zu bringen, so könnte man etwa zu folgendem Ergebnis kommen: Die Menschheit könnte in der Gestalt des Antichristen einen Menschen zur Weltherrschaft zulassen, in dem der „satanische Affekt" – wie Daim den Drang zur Vernichtung des Planeten bezeichnet – kraft der engen Bindung dieses Menschen an den Widersacher zum Durchbruch gelangen wird. Trotz der ihm zur Verfügung stehenden Vernichtungsmittel wird dem Antichristen jedoch nur ein, wenn auch gigantischer Teilerfolg gelingen: das Geschichtsende selbst wird er (Existenzphilosophen und Ironiker würden sagen „werden wir") hingegen nicht herbeiführen. Dies bleibt dem direkten Eingriff Gottes vorbehalten. In Bezug auf den Zeitpunkt des Unterganges könnte man etwa zu folgendem Schluss kommen:

Die Feststellung Daims „Man darf hierbei kaum in Jahrhunderten denken" erscheint im Lichte des durch die heutigen Möglichkeiten bedeutend erleichterten Eintritts aller genannten Vorzeichen sehr wohl berechtigt. Viele Zeitalter vor uns haben das „bald" der Bibel nicht als bloßes „jederzeit", sondern als „sehr bald" aufgefasst.

Wenn auch diese Erwartungen nicht eintrafen, sollten wir nicht gerade einen aus dem außerreligiösen, wissenschaftlichen Raum kommenden Fingerzeig, wie die Ausführungen Daims, berücksichtigen? Eine Gleichung, die biblische Begriffe und zeitgeschichtliche Angaben vereinigt, darf nie Anspruch auf Sicherheit erheben. Aber wir sollten aufhorchen, dass es nunmehr eine physikalische, psychologische und zugleich soziologische Eschatologie gibt.

Wilfried Daim erwidert #

In der folgenden Nummer der „Academia“ nahm Wilfried Daim Ende 1978 zu meiner Interpretation seines Buches wie folgt Stellung. „Sehr wertvoll bei diesem Vergleich ist das genaue Auseinanderhalten von psychologischer und theologischer Argumentation. Meine Argumentation ist durchgehend psychologisch, soweit es sich nicht um die Darstellung bekannter Tatsachen handelt …

Nun meine ich, dass ein, durch den Menschen herbeigeführter Menschheitstod - nenne man es nun Mord oder Selbstmord - , gewissermaßen eine natürliche Eschatologie wäre. Es würde demnach der Weltuntergang nicht durch ein Wunder Gottes, der gewissermaßen als deus ex machina Sein eigenes Werk liquidiert, herbeigeführt, vielmehr durch den Menschen selbst.

Peter Diem steht in der Folge auf dem Standpunkt, dass es zwar einen Drang zum Untergang gäbe, die biblischen Prophetien jedoch nur den Schluss zuließen, dass Gott selbst die Vernichtung der Welt vornähme: „ ... das Geschichtsende werden ... hingegen nicht herbeiführen. Das bleibt dem direkten Eingriff Gottes vorbehalten."

Nun ist dies natürlich durchaus möglich. Niemand kann sagen, dass Gott nicht, ehe der Mensch selbst die Menschheit liquidiert, seinerseits eingreift. Damit würde jedoch der totale Untergang noch näher gerückt. In diese Richtung weist eine Bemerkung eines mir bekannten Kunsthistorikers in einem Brief, die lautete: „Sie haben wissenschaftlich bewiesen, dass wir in der Endzeit leben: Denn auch die Möglichkeit eines totalen Untergangs kann es nur in der Endzeit geben." Gott müsste gewissermaßen durch ein Wunder dem Menschheitssuizid zuvorkommen. Es scheint mir jedoch methodisch richtig, nur dort ein echtes Wunder - contra naturam - anzunehmen, wo zur Erklärung eines Vorkommnisses natürliche Gegebenheiten nicht ausreichen. Die nunmehr exegetisch-theologische Frage lautet: Besagen die biblischen Aussagen über die letzten Dinge e i n d e u t i g, dass das Ende der Menschheit durch Gott selbst herbeigeführt wird?

Und hier wird ein sehr wesentlicher Punkt berührt, des Verhältnisses von Theologie, die auf der Offenbarung basiert, zur Wissenschaft, die von anderweitig methodisch erfasster Wirklichkeit ausgeht. Es gibt nämlich durchaus natürliche Vorgänge, die gleichzeitig einen übernatürlichen Sinn haben können, also nicht nur von Gott zugelassen, sondern von Ihm vorgesehen sind. Als die Juden bei ihrem revolutionären Ausbruch aus Ägypten an das Rote Meer kamen, „teilte es sich". Nun gibt es am Roten Meer Winde, die des Öfteren das Wasser zurückblasen. Meteorologisch und physikalisch ist es also durchaus möglich, dass das Meer zurückwich, als die Juden dahin kamen, dass also der Vorgang ein ganz natürlicher war. Es ist weiter möglich, dass das Meer zurückkehrte, als die Ägypter kamen, ohne einen direkten Eingriff Gottes gegen die Natur annehmen zu müssen. Denn die meteorologischen Verhältnisse haben eben zum Aufhören des Windes geführt. Eine natürliche Erklärung des Vorgangs schließt keineswegs seinen übernatürlichen Sinn aus. Ähnlich wie - eine entfernte Verwandtschaft - ein Automotor streng mechanisch funktioniert, jedoch in eine gezielt-sinnvolle Struktur eingebaut ist, die von einer steuernden Intelligenz bestimmt wird. Die natürliche Erklärung eines biblischen Geschehens hebt also keineswegs seine übernatürliche Bedeutung auf, sondern vermag sie mehr oder weniger immanent zu besitzen. Es ist also, um beim obigen Beispiel zu bleiben, sowohl richtig, dass das Meer aus meteorologischen Gründen zurückwich, als auch, weil Gott es so wollte.

Wenn wir nun die eschatologischen Prophezeiungen betrachten, dann bedeutet die Tatsache, dass Gott zum Ende der Menschheit ja sagt nicht, dass Er dieses Ende durch einen direkten Akt gegen die Natur herbeiführen muss. Es bleibt durchaus die Möglichkeit, dass ein natürlicher Akt, sei es nun eine Art von Laboratoriumsunfall – also durch eine vom Todestrieb gelenkte Fehlleistung – oder ein bewusster, von einem satanistischen Affekt getriebenen Akt, das realisiert, was den Zeiten ihr Ziel gibt. Natürlich kann Gott einem natürlichen Menschheitssuizid, wie oben gesagt, durch einen direkten Akt zuvorkommen. Dass dies jedoch geschieht, scheint mir aus den eschatologischen Texten nicht mit Bestimmtheit erschließbar.

Überhaupt ist eine eindeutige und sichere Deutung, gerade der apokalyptischen Symbole, nicht möglich. Trotzdem ist es sinnvoll, wie es in dem Artikel geschieht, sich Gedanken zu machen, was das „Tier aus dem Meer" bedeuten könnte, oder etwa der „Stern, der ins Wasser fällt".

Betrachten wir etwa den Text Offb. 8, 8—11:

„ ... und es fiel aus dem Himmel ein großer Stern, brennend wie eine Fackel, und er fiel auf den dritten Teil der Ströme und Wasserquellen. Und der Name des Sternes hieß Wermut. Und der dritte Teil des Wassers wurde zu Wermut und viele der Menschen starben an den Wassern, weil sie bitter geworden."

Es hat die Deutung in dem Aufsatz als „perfektes Beispiel großflächiger radioaktiver Verseuchung durch eine Superkernwaffe" sicherlich etwas für sich. Aber es scheint doch sinnvoll, auch eine andere Möglichkeit der Deutung heranzuziehen, die Dostojewskij nahelegt:

„Verstand und Wissenschaft haben im Leben der Völker immer, jetzt und seit Ewigkeit, nur eine Pflicht zweiten Ranges erfüllt, und werden auch nur solche bis in Ewigkeit erfüllen. Die Völker bewegen und bilden sich durch eine ganz andere Kraft, welche befiehlt und herrscht, deren Ursprung aber unerkannt und unerklärlich ist. Das ist die Kraft des unstillbaren Verlangens, das Äußerste zu erreichen, welche zugleich kein äußerstes Ende kennt. Das ist die Kraft, der ununterbrochenen und unermüdlichen Aufopferung der eigenen Existenz, die Kraft der Todesverachtung; der Geist des Lebens, wie die Schrift sagt, die ‚Ströme lebendigen Wassers', mit deren Versiegen die Apokalypse droht. Ich nenne das Prinzip einfach die Aufsuchung Gottes."

Die „Ströme lebendigen Wassers" sind hier nicht Donau, Wolga oder Mississippi, sondern bedeuten nach Dostojewskij das schöpferische, auf Gott zielende Lebens- und Entwicklungsprinzip. Eine Verseuchung, Versiechung würde eine Lähmung, Abtötung dieser Dynamik bedeuten.

Dies soll nur zeigen, welche ganz anderen Möglichkeiten der Deutung es gibt. Nach alledem scheint es mir äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich, eine wirklich verbindliche Deutung der Eschatologie zu geben. Sie kann nur mit eher geringerer Wahrscheinlichkeit gegeben werden. Damit scheint es mir - da die Theologie Freiheit lässt - doch sicherer, mit einem natürlichen Ende zu rechnen, das sich wissenschaftlich erweisen lässt und dessen übernatürlicher Sinn immanent bleibt.

Im Übrigen ist es aber auf jeden Fall von Interesse, dass sich gegen eine natürliche Eschatologie nur eine übernatürlich-wunderbare denken lässt, die dieser sonst konsequent und logisch eintretenden zuvorkommt.

Besprechung im „Spiegel“#

Daims Buch „Totaler Untergang“ fand auch im deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ Beachtung (33/1960). Übertitelt mit „Kassandra aus Texas“ setzt sich der Artikel zunächst mit der Unausweichlichkeit eines dritten Weltkriegs zwischen den Supermächten auseinander. In seinem Buch „The Causes of World War Three" (dt. „Die Konsequenz“) behauptet C. Wright Mills, Professor für Soziologie an der New Yorker Columbia-Universität, sowohl in den USA als auch in der Sowjet-Union seien die "herrschenden Kreise von der militärischen Metaphysik besessen". Dies gipfle in der Überzeugung, nur durch die Anhäufung immer neuer und immer größerer Kriegsmaterialien könne ein Zustand des Friedens geschaffen werden. Tatsächlich aber wachse die Wahrscheinlichkeit, dass der Tag X heranrücke, mit der Vernichtungskraft der modernen Waffen und mit der Geschwindigkeit und Treffsicherheit ihrer Träger. Auch in der Religion sieht Mills keine Chance, den heraufziehenden neuen Weltkrieg zu verhindern; das Christentum tut er kurzerhand als "williges Seelenwerkzeug und psychiatrischen Adjutanten des Nationalstaates" ab.

Der Prophet aus Wien#

Über Daims These vom „Totalen Untergang“ macht sich der „Spiegel“ folgende, hier stark verkürzt wiedergegebene Gedanken:

Die Grundfrage bei Wilfried Daim lautet: „Wird der Mensch - irgendein Mensch - einmal die Menschheit als Ganzes vernichten?" Für ihre wissenschaftliche Beantwortung hat sich Daim ein allgemeines Fragen-Schema ausgedacht, nach dem er statistisch sicher voraussagen will, ob "eine beliebige Person einer großen Gruppe irgendeinmal eine bestimmte Handlung ausführen wird", wobei er unter der "bestimmten Handlung" die Auslösung des totalen Untergangs versteht. Passende Mittel hierzu müssten so beschaffen sein, dass "der Entschluss eines einzigen Menschen oder einer kleinen Gruppe, sie anzuwenden, ausreichen würde, dem Leben der Menschheit in ganz kurzer Zeit ein Ende zu bereiten". Daim führt eine weitläufige technische Entwicklungstheorie vor, um plausibel zu machen, dass diese Mittel unter den Kernwaffen zu suchen sind.

Nachdem er die Frage nach den Möglichkeiten totaler Zerstörung sinngemäß mit: noch nicht, aber zuverlässig bald, beantwortet hat zieht der den 1919 von Freud definierten Todestrieb zur weiteren Erklärung heran. Der Todestrieb manifestiere sich in vernichtungswütigen Aggressionen des Menschen gegen sich selbst und seine Umwelt. Während aber Freud den Todestrieb als etwas Ursprüngliches ansah, erklärt ihn Daim als „inadäquaten Affekt", das heißt als einen Affekt, den bestimmte Kräfte aus seiner ursprünglichen Stoßrichtung abgelenkt haben.

Da die Fixierung, als "Ausgangspunkt für die totale Aggression", überall vorhanden sei, habe jeder Mensch - bis auf den "Heiligen im letzten Stadium seiner Vollendung" - eine zumindest latente Tendenz zum "Umrangieren der Werte, dem Liquidieren von Werten und schließlich der totalen Zerstörung". Die Analyse der Typen Wissenschaftler, Militär, Politiker - die Personen, die mit der Atomenergie hantieren - lässt Daim zudem vermuten, dass bei ihnen diese Tendenzen stärker ausgeprägt sein könnten als bei anderen. Das mache die Lage besonders prekär. Daim: "Man kann sich den Seelenzustand eines Professors vorzustellen versuchen, dem die gigantische Macht zuwüchse, die Welt zu töten!" Freilich ist Wilfried Daim, der sich dazu bekennt, in seinem Buch die "Gedanken eines christlichen Psychologen" zu äußern, nicht der Mann, der sich damit begnügt, die Unausweichlichkeit einer nahenden Weltzerstörung zu konstatieren. Vielmehr fordert er, die Menschheit solle sich angesichts ihres Endes zu einer "gigantischen Aufgabe" aufgerufen fühlen, der "Integration der Weltkulturen zu einer globalen Einheit. Sie wäre der großartige und adäquate Abschluss der menschlichen Geschichte und würde in Wahrheit 'eine Erfüllung der Zeiten' bedeuten".

Da die Weltkulturen nach Daim auf ihren Religionen beruhen, solle zunächst das Christentum, wegen seines "zentralen Wahrheitscharakters", die übrigen Religionen zu einer Weltreligion integrieren, ehe es unter abendländischer Führung zu einer Integration auch der Kulturen kommt. Daim krönt sein Werk theologisch. Woher kommen - so fragt er sich - die neurotischen Fixierungen und mit ihnen die Perversion zum Todestrieb letztlich? Daims Antwort: "Der individuelle Todestrieb ist eine der Konsequenzen der Erbschuld, der totale ... dagegen ihre letzte Konsequenz."

Damit ist - für Daim jedenfalls - wieder ein Stück Freudschen Dschungels urbanisiert: Der Todestrieb, für Freud etwas völlig Selbständiges, hat einen Platz in der christlichen Weltordnung gefunden.

Abschließende Wertung#

Jedes Gedankengebäude, jeder Roman, jedes Sachbuch ist nur aus der Zeit wirklich verständlich, in der es errichtet bzw. geschrieben wurde. So muss man auch die zweifellos originelle Arbeit Wilfried Daims über den Menschheitsselbstmord sehen. Der aus dem Krieg nach drei Verwundungen als strikter Pazifist heimgekehrte Tiefenpsychologe machte sich im Angesicht der Wasserstoffbombe mitten im Kalten Krieg eben seine Gedanken. Für den damaligen Beobachter des Weltgeschehens war nur weitere Aufrüstung, nicht Abrüstung sichtbar. Von künftigen Abkommen zur Rüstungskontrolle (z.B. START I und II - Strategic Arms Reduction Treaties 1991 und 1993) konnte er nichts wissen. Dass sich neben der weiter bestehenden Atomrüstung und der friedlichen Nutzung der Kernenergie, ganz andere Gefahren entwickeln würden – nämlich die ökologische Selbstbedrohung der Menschheit durch Raubbau und Abfall – macht das Gedankenexperiment Daims aus dem Frühjahr 1959 auch heute noch interessant – nicht zuletzt als Anregung für eine Beschäftigung mit der Endzeittheologie, mit der sich der Verfasser, wie oben dargestellt,1960 ausführlich auseinandergesetzt hatte.

Auf den gesamten Fragenkomplex angesprochen, beharrt der heute 87-jährige Wilfried Daim auf der Möglichkeit, dass die Menschheit direkt oder indirekt Hand an sich legen könnte. In Anlehnung an Solowjows Bild von der letztendlichen Einigkeit von Christen und Juden kommt nach Daim dem Judentum eine endzeitliche Führungsrolle zu: dem mit der Christenheit vereinten auserwählten Volk gebühre der Stuhl Petri – so wie der erste Papst, Simon Petrus, Jude war, so soll es auch der letzte sein. In diesem Zusammenhang erinnert sich Daim eines Ereignisses aus seiner Studentenzeit. Der katholische Schriftsteller Willy Lorenz (1914-1995) stellte im Juli 1947 in der Abtei Seckau seinen Gedanken vor, Petrus sei deshalb zum ersten Papst bestimmt worden, weil er zwar nicht der brillanteste, aber der volkstümlichste Apostel war und weil er auch seine Fehler hatte (vgl. Willy Lorenz, Petrus Der ewige Papst, Herold, 1966). Der Abt des Stiftes kanzelte Lorenz wegen dieser „frevelhaften“ Aussagen ab. Daim ging zu ihm und protestierte gegen die ungerechtfertigte Kritik. Der Abt: „Hab ich nicht ein bisschen recht?“ Darauf Daim: „Nicht ein bisschen!“ 1