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Kappacher, Walter#

* 24. 10. 1938, Salzburg


Schriftsteller, Dichter

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Foto: Repolus
Walter Kappacher wurde am 24. Oktober 1938 in Salzburg geboren und ist dort aufgewachsen.

Wie so viele Buben in der Nachkriegszeit begeisterte er sich für Motorräder und begann gegen den Willen seines Vaters 1953, nach dem Besuch der Volks- und Hauptschule, eine Lehre als KFZ-Mechaniker, die er 1957 mit der Gesellenprüfung abschloss.
Er nahm auch an einigen Motorradrennen teil, doch nach der Gesellenprüfung ließ sein Interesse für den Motorsport nach. Nach dem Bundesheer entdeckte er 1957 sein Interesse fürs Theater.
Nach einem kurzen Intermezzo 1958 in der Schweiz, wo er drei Monate als Milchmann gearbeitet hatte, kehrte er wieder in die Werkstatt zurück.
Daneben hatte er neue Ziele und Interessen: er zeichnete und nahm Zeichenunterricht, las Dramentexte, ging gern ins Kino. 1960 begann er in München eine Schauspielschule zu besuchen, leider waren nach einem halben Jahr die Ersparnisse aufgebraucht und er musste nach Salzburg zurückkehren.

1961 begann er im Reisebüro Dr. Degener zu arbeiten. Ab 1964 schrieb er Kurzgeschichten, er unternahm Reisen nahm Italien; das Jahr 1966 verbrachte er in Berlin. 1967 schickte er einige Texte an Martin Walser, der sie an die "Stuttgarter Zeitung" weiterleitete, wo sie auch veröffentlicht wurden.

1975 - Kappacher arbeitete immer noch als Reisekaufmann - erschien sein Roman "Morgen". Dafür erhielt er den Rauriser Förderungspreis, das Buch wurde in den wichtigsten deutschen Feuilletons besprochen (auch deshalb, weil Martin Walser in der "Zeit" eine hymnische Kritik veröffentlichte). Ebenfalls 1975 erschien Kappachers Roman "Die Werkstatt", in dem er seine eigenen Erfahrungen als Lehrling verarbeitete.

1978, nach seinem vierzigsten Geburtstag, wagte es Walter Kappacher, seinen Brotberuf als Reisekaufmann aufzugeben und als freier Schriftsteller zu leben. Er wechselte zum Stuttgarter Klett-Cotta-Verlag und veröffentlichte dort die Erzählung "Rosina".

Unter dem Einfluss von Franz Kafka, Heinrich Böll und Robert Walser versuchte er in seinen Büchern die Welt der "kleinen Leute" erzählerisch zu gestalten, wobei auch autobiographische Erfahrungen einflossen. Daneben gehörten zu seinen literarischen Anregern unter anderem Thomas Bernhard Samuel Beckett sowie die Erzählungen von Henry James und Cesare Pavese. Ab Mitte der 1990er Jahre beschäftigte sich Kappacher zunehmend auch mit dem Werk Hugo von Hofmannsthals, das ihn z.B. zu dem Capriccio "Vorübergehende Abwesenheit" (Privatdruck 2001) und zu dem Roman "Der Fliegenpalast" (Residenz 2009) inspirierte.

Walter Kappacher, Autor von Romanen, Erzählungen, Hörspielen, Drehbüchern, ist verheiratet und lebt gemeinsam mit seiner Frau in Obertrum bei Salzburg.

Werke (Auswahl)#

Bücher:
  • Morgen. Roman, 1975
  • Die Werkstatt. Roman, 1975
  • Rosina, Roman, 1978
  • Die irdische Liebe. Erzählung, 1979
  • Die Jahre vergehen, Drehbuch (mit Peter Keglevic), 1980
  • Der lange Brief, Roman, 1982
  • Gipskopf, Erzählung, 1984
  • Touristomania, Erzählung, 1990
  • Ein Amateur, Roman, 1993
  • Wer zuerst lacht, Erzählung, 1997
  • Silberpfeile, Roman, 2000
  • Selina oder das andere Leben, Roman, 2005
  • Der lange Brief, Roman, 2007
  • Hellseher sind oft Schwarzseher, Essay, 2007
  • Der Fliegenpalast, Roman, 2009
    Fundierte Buchbesprechung dazu von A. Thuswaldner
  • Land der roten Steine, Roman, 2012

Hörspiele:

  • Enfant terrible. Hessischer Rundfunk,1979
  • Bänder. ORF,1983
  • Der Heimkehrer. ORF, 1984
  • Abschied von der Werkstatt. ORF Salzburg, 1984
  • Der Sturz. ORF Salzburg, 1984
  • Gipskopf. ORF Salzburg, 1985
  • Der Baukasten. ORF Salzburg, 1995

Filme:

  • Die kleinen Reisen des Herrn Aghios. TV-Film. Drehbuch (nach einer Erzählung von Italo Svevo): Walter Kappacher. ORF, 1981
  • Der stille Ozean. TV-Film. Drehbuch (nach dem gleichnamigen Roman von Gerhard Roth): Gerhard Roth, Walter Kappacher, Ulli Schwarzenberger, Susanne Philipp. ORF, ZDF, 1983
  • Unser Mann in Bangkok. TV-Film. Drehbuch: Andreas Gruber, Walter Kappacher. ORF, 1984

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Rauriser Förderungspreis für Literatur, 1975, 1977
  • Staatsstipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für Literatur, 1977, 1984 und 1987
  • Förderungspreis der Stadt Salzburg für Literatur, 1981
  • Rauriser Literaturpreis der Länderbank Wien, 1984
  • Literaturpreis des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie, 1986
  • Hermann-Lenz-Preis, 2004
  • Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, seit 2005
  • Großer Kunstpreis (Literatur) des Landes Salzburg, 2006
  • Ehrendoktorat der Universität Salzburg, 2008
  • Georg-Büchner Preis, 2009


Anmerkung zum Georg-Büchner Preis:
Der österreichische Schriftsteller Walter Kappacher erhielt also am 31. Oktober 2009 in Darmstadt für sein erzählerisches Lebenswerk den mit 40.000 Euro dotierten Georg-Büchner-Preis. 1923 zum ersten Mal verliehen, wird der Preis seit 1951 von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung als Literaturpreis vergeben. Österreichische Preisträgerinnen und Preisträger waren zuletzt H. C. Artmann (1997), Elfriede Jelinek (1998), Friederike Mayröcker (2001) und Josef Winkler (2008). "In einzelgängerischer Konsequenz hat Walter Kappacher über Jahrzehnte hinweg seit ein höchst beachtliches, lange viel zu wenig beachtetes Œuvre geschaffen", heißt es von Seiten der Akademie. "Seine leise, musikalische Prosa voll melancholischer Unerbittlichkeit – stets traurig, nie trostlos – klärt uns über uns selbst auf. Dieser poetische Realist unserer Tage, der bei vollkommener Gegenwärtigkeit an die große Erzähltradition anknüpft, erzeugt einen 'Sog der Stille'." (bsh)


Leseprobe#

aus Walter Kappacher - "Selina oder das andere Leben"

Als er gegen fünf, die Hitze hatte noch nicht nachgelassen, ein paar Kilometer hinter San Giustino auf die Paßstraße Richtung La Crocina abzweigte, eine steile Bergstraße mit engen Kurven, dröhnte der Auspuff des Wagens immer stärker. An einer schattigen von Piniennadeln bedeckten Ausweiche hielt er an, um den Motor ein wenig abkühlen zu lassen; er war so heiß, daß er nach dem Abstellen, dem Drehen des Zündschlüssels, eine Weile unregelmäßig weiterlief, ehe er abstarb. Gello Biscardo war nur noch wenige Kilometer entfernt. Nach einer Viertelstunde hatte er damals eine Seite des Simca mit dem Wagenheber angehoben, war unter das Chassis geschlüpft und hatte gesehen, daß das lange Auspuffrohr an einer Stelle gebrochen war; mit einem Stück Isolierband hatte er es notdürftig geflickt und sich die Finger verbrannt. Hinter dem Ortsschild zweigte rechts eine schmale Straße ab, führte in vielen Biegungen steil hinunter. In einer Kurve erblickte er talseitig inmitten von Olivenhainen den Ort, der von seiner höher gelegenen Kirche überragt wurde. Wegen des Auspuffdröhnens hatte er sich geniert, bis zum Ortseingang zu fahren, hatte den Simca am Straßenrand stehen lassen, war die letzten paar hundert Meter zu Fuß gegangen. Für die Dorfbewohner mußte er seltsam ausgesehen haben: durchgeschwitzt und krumm, mit ungelenken Beinen. Am Dorfeingang sah er ein paar alte Männer, die um den Brunnen herumstanden, ein aus einer Mauer ragender Wasserhahn und ein Marmor-Becken; er war so aufgeregt, daß er außer buon giorno nichts sagen konnte. Als sie gleichgültig mit buona sera antworteten, wurde ihm klar, daß er nicht einmal korrekt grüßen konnte. Er hatte nach Mario gefragt; dieser, hatte Herr Seiffert ihm erklärt, sei eine Art Capo von Gello, an ihn solle er sich wenden, er wisse Bescheid über das Anwesen Mora, habe den Schlüssel, und in seinem Haus befinde sich auch das öffentliche Telefon. Der Simca war dann nicht mehr angesprungen. Mario, den er bei seinem Neubau fand, hatte versprochen, abends Francesco, den Sohn der Bindis, der in Fibocchi eine Werkstatt besitze, anzurufen, der werde sich den Wagen in der Früh ansehen. Stefan hatte sich die beiden Reisetaschen mit den wichtigsten Sachen umgehängt und war, in einer Hand eine geschenkte Flasche Wein, zu Fuß auf dem Güterweg nach Mora gewandert, hatte die in einer Kurve befindliche zugewachsene Abzweigung zum Haus hinunter übersehen und umkehren müssen. Als er endlich, schwindlig vor Erschöpfung, im tiefen Gras zur Haustreppe gestapft war, dämmerte es schon. Auf der Treppe sitzend hatte er die halbe Flasche Wein ausgetrunken, war dann die Stufen hinaufgetorkelt und hatte sich in der Küche auf den mit Stroh bedeckten Ziegelboden gelegt.

© 2005, Deuticke Verlag, Wien. Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
LITERATURHAUS

Weiterführendes#

Quellen#


Redaktion: I. Schinnerl