!!!Kerschbaumer, Marie-Thérèse 



~* 31. 8. 1936, Garches (Frankreich)

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Lyrikerin, Erzählerin, Übersetzerin



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Marie-Thérèse Kerschbaumer wurde am 31. August 1936 in Garches bei Paris als Kind einer (im Nationalsozialismus verfolgten) Österreicherin und eines Kubaners geboren. Die ersten 3 Jahre ihrer Kindheit verbrachte sie in Costa Rica, 1939 kam sie nach Tirol und wuchs bei den Großeltern auf. Nach der kaufmännischen Berufsschule in Kitzbühel und St. Johann folgten längere Aufenthalte in England und Italien, seit 1957 lebt M. Kerschbaumer in Wien.
 

1963 machte sie die Matura nach und studierte anschließend Romanistik (Italienisch, Rumänisch) und Germanistik, nebenbei entstanden die ersten literarischen Arbeiten. 1971 heiratete sie den 2004 verstorbenen Maler und Musiker Helmut Kurz-Goldenstein und promovierte 1973 zur Dr. phil.


Marie-Thérèse Kerschbaumer lebt heute als freiberufliche Schriftstellerin und literarische Übersetzerin (vorwiegend aus dem Spanischen). Von 1989 bis 1995 war sie Vizepräsidentin der IG Autoren und 2005 Mitherausgeberin der umstrittenen Anthologie österreichischer Literatur nach 1945 "Landvermessung" ("Austrokoffer").


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Kerschbaumer begann ihre literarische Laufbahn als Lyrikerin, 1970 veröffentlichte sie als Lektorin in Bukarest ihren ersten Band "Gedichte", 1976 folgte der Roman "Der Schwimmer".\\
Ihre - von Susanne Zanke verfilmte - Dokumentation "Der weibliche Name des Widerstands" (1980) über sieben in der Nazizeit ermordete Österreicherinnen gilt heute als eines der "Grundbücher der österreichischen Literatur nach 1945". Mit ihrem "Familienroman" "Schwestern" (1982) verfasste Kerschbaumer eine Geschichte des weiblichen Ich im österreichischen Bürgertum in den politisch-ökonomischen Zusammenhängen von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart.


Zwischen 1992 und 2000 kam der Romanzyklus "Die Fremde - Ausfahrt - Fern" heraus, den Kerschbaumer selbst einmal als "schief autobiografische Trilogie" bezeichnete: ein lyrisches Sprachwerk mit epischen Ausmaßen in 3 Bänden. Sie begleitet hier das Mädchen Barbarina aus dem dunklen Verstossensein in einer österreichischen Bergstadt. auf ihrer Reise via Frankreich und England, hin zur erwachsenen jungen Frau, die in der Toskana sich dem Studium der italienischen Sprache und Kunst widmet. Hier liefert sie mit unbestechlicher Erinnerung und poetischer Eleganz der Sprache eine Chronik eines implodierenden Jahrhunderts.


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Ihr Werk ist von sozialem und politischem Engagement für Antifaschismus und Frieden geprägt, der Kampf gegen jede Form von Unterdrückung zieht sich durch ihr gesamtes Werk. Sie erhielt zahlreiche Preise, darunter den Österreichischen Würdigungspreis für Literatur (1986) und den Preis der Stadt Wien für Literatur (1995).


Marie-Thérèse Kerschbaumer hat einen erwachsenen Sohn und ein Enkelkind; sie lebt in Wien.


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Im Juni 2002 erwarb die Handschriftensammlung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek einen Teil des literarischen Archivs von Marie-Thérèse Kerschbaumer.

Der Bestand umfasst sieben Archivboxen, wobei der größte Teil aus Werkmanuskripten für die Barbarina-Trilogie ("Die Fremde“, "Ausfahrt", "Fern"), ihr wohl erfolgreichstes Buch "Der weibliche Name des Widerstands" und die Romane "Schwestern" und "Schwimmer“ besteht. Ihre Gedichtsammlung "Neun Canti auf die irdische Liebe" (1989) ist illustriert mit Originalzeichnungen ihres Mannes, des Malers Helmut Kurz-Goldenstein. Ebenso dokumentieren Entwürfe und Materialsammlungen die Entstehung dramatischer Arbeiten, wie "Kinder kriegen" (Hörspiel, 1979) oder "Die Zigeunerin" (Filmtreatments und Drehbücher, 1979-1981).
 

Neben diesen literarischen Arbeiten gibt es noch Korrespondenzen mit anderen Schriftstellern und persönliche Notizen und Aufzeichnungen.


!Auszeichnungen, Preise (Auswahl)
* Staatsstipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für Literatur, 1974 und 1984
* Förderungspreis für Literatur des Theodor-Körner-Stiftungsfonds zur Förderung von Wissenschaft und Kunst, 1978
* Förderungspreis des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für Lyrik, 1981 
* Droste-Preis der Stadt Meersburg, 1985
* Würdigungspreis des Bundesministerums für Unterricht und Kunst für Literatur, 1986
* Buchprämie des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, 1989, 1992 und 1994 
* Stipendium des Deutschen Literaturfonds, Darmstadt, 1989
* Elias-Canetti-Stipendium der Stadt Wien, 1989-1992
* Robert-Musil-Stipendium es Bundesministers für Unterricht und Kunst, 1993-1996
* Literaturpreis der Stadt Wien, 1995
* Roseggerpreis des Landes Steiermark für österreichische Literatur, 1995
* Projektstipendium für Literatur des BKA, 1998/99 
* Projektstipendium für Literatur des BKA, 1999/2000 


!Werke (Auswahl)
''Bücher''
* Gedichte, 1970
* Neue Autoren I. [[Mit Manfred Chobot, Thomas Losch], 1972
* Der Schwimmer. Roman, 1976
* Der weibliche Name des Widerstands. Sieben Berichte, 1980
* Schwestern. Roman., 1982
* Gewinner oder Verlierer einer Zeit. Literaturförderung und künstlerische Qualität, 1988
* Neun Canti auf die irdische Liebe. Mit neun Zeichnungen von Helmut Kurz-Goldenstein. Gedichte, 1989
* Versuchung, 1990
* Die Fremde. Erstes Buch. Roman, 1992
* Ausfahrt. Die Fremde. Zweites Buch. Roman, 1994
* bilder immermehr. gedichte (1964-1987), 1997
* Fern. Drittes Buch, 2000
* Versuchung, 2002
* Orfeo. Bilder Träume, 2003
* Neun Elegien / Nueve elegías. Deutsch und Spanisch. (Übertragen von María Elena Blanco. Mit einem Nachwort von Julian Schutting), 2004
* Calypso. Über Welt, Kunst, Literatur, 2005
* Wasser und Wind. Gedichte 1988-2005, 2006
* Werkausgabe in dreizehn Bänden (mit einem Essayband des Germanisten Hans Höller zum Werk von Marie-Thérèse Kerschbaumer), 2007
* Gespräche in Tuskulum. Ein Fragment. Viertes Buch, 2009)
* Freunde des Orpheus. Essays, 2011
* Res publica – Über die öffentliche Rede in der Republik, 2014
* Chaos und Anfang. Ein Poem, 2016


''Übersetzungen'' 
* Paul Goma: Ostinato. Übers. a. d. Rumän., 1971
* Vintila Ivanceanu, Peter Croy: Der Vultcaloborg und die schöne Belleponge. Bestiarium in dreizehn Kapiteln. Übers. a. d. Rumän., 1972
* Paul Goma: Die Tür. Übers. a. d. Rumän., 1972
* Vladimir Colin: Der Spalt im Kreis. Polaris 1. Ein Science-Fiction Almanach, 1973

''Herausgabe''
* ARKADIEN/APOLOGIE ..., 2003
* Helmut Kurz-Goldenstein. Zeichnungen 1964-2001, 2003

''Mitherausgabe''
* Unter dem Flammenbaum. Gedichte aus Nicaragua, 1986
* Elf Beispiele von Lyrik aus Österreichisch. Once Poetas Austríacos. Deutsch und Spanisch, 1998
* Landvermessung, 2005

''Theaterstück''
* Zeit / Fluchten. Regie: Gernot Lechner. Wien: Kiskililla Theater im Theater im Konzerthaus / Wiener Festwochen, 1990

''Hörspiele''
* Kinderkriegen. Regie: Hans Rochelt. ORF Burgenland, 1979
* Die Zigeunerin. Regie: Götz Fritsch. ORF Burgenland, 1981
* Eine Frau ein Traum - kein Requiem. Regie: U. Langrock, R. Moths. SR, 1989

''Filme''
* Der weibliche Name des Widerstands. TV-Film. Drehbuch (nach dem gleichnamigen Buch von Marie-Thérèse Kerschbaumer): Marie-Thérèse Kerschbaumer, Susanne Zanke. Regie: Susanne Zanke. ORF, 1981
* Das Fest. Mini-TV Spiel. Drehbuch, Regie: Marie-Thérèse Kerschbaumer. ORF, 1982


!Leseprobe

aus __"Marie-Thérèse Kerschbaumer - "Orfeo."__
 

vielleicht ist der ''schwimmer'' ein traum\\
man stelle sich vor ein mensch\\
mitteleuropäer\\
mitte dreißig\\
katholisch\\
den zweiten weltkrieg als kind mitbekommen\\
ist ertrunken\\
ausgeflippt\\
eingeschlafen\\
in einer geschlossenen anstalt\\
und alles\\ ''was er erlebte''\\
seine traumen neurosen alles was\\
ihm andere erzählten aufschwatzten einredeten\\
was er gehört\\
gesehen erlebt hat läuft ab in rasender geschwindigkeit reproduziert sich über dem filter seines\\
bewußtseins vermengt sich mit seiner persönlichen geschichte und mit der erfahrung aus der\\
geschichte anderer\\
da treten wandlungen ein metamorphosen\\
nicht spaltung amplifikationen\\
ich ist kein anderer\\
ich ist die masse\\
ich bin alle menschen\\
oder die deren geschichte ich weiß\\
da gibt es keine\\
koordiniertheit der zeitlichen handlungsabläufe keine konsequenz in bezug auf die identität des ich\\
da verweigert sich\\
jede logik der objektiven sprache (über dinge) die entstellung auf den kontext ist verschoben zugunsten\\
einer einstellung auf den ''code''\\
ist in traum\\
ausnahmezuständen\\
halluzinationen gegeben\\
und dem ''schwimmer'' nicht unbekannt wer dahinter sprachspiele vermutet mißversteht die situation des\\
schwimmers und die widerspiegelung dieser situation in der ''einstellung'' (set) auf seine botschaft\\
die ''mitteilung'' selbst (...)
 

(S. 139 f.)

© 2005, Wieser, Klagenfurt, Wien, Ljubljana, Sarajevo.\\
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.


!Literatur
* H. Höller, Wer spricht hier eigentlich?, in: M. Jurgensen (Hg.), Frauenliteratur, 1983


!Quellen
* AEIOU
* [Marie-Thérèse Kerschbaumer|http://www.mtkerschbaumer.at]
* [Literaturhaus|http://www.literaturhaus.at]
* [Wieser Verlag|https://www.wieser-verlag.com/buch/13-baendige-werksausgabemarie-therese-kerschbaumer]
* [Stadtbibliothek Wien|http://www.stadtbibliothek.wien.at]

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%%small 
Redaktion: I. Schinnerl
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