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Lipuš, Florjan #

Pseudonym: Boro Kostanek


* 4. 5. 1937, Bad Eisenkappel


Dichter, Schriftsteller


Florjan Lipuš wurde am 4. Mai 1937 in in Lobnig/Lobnik bei Eisenkappel/Zelezna Kapla als Sohn zweier Kärntner Slowenen geboren.

Die Kindheit im Nationalsozialismus hinterließ bleibende Spuren - er musste als Kind mit mitansehen, wie seine Mutter - nachdem sie eine als Partisanen verkleidete Gruppe von Gestapo-Männern bewirtet hatte - vor seinen Augen verhaftet wurde. Sie wurde in das KZ Ravensbrück deportiert, wo sie starb, sein Vater musste in der Deutschen Wehrmacht dienen. Florjan und sein jüngerer Bruder wuchsen in Remschenig / Remšenik bei ihrer Großmutter auf, die auch noch während des Krieges verstarb.

Er besuchte erst nach dem Krieg die Volksschule und anschließend das bischöfliche Knabenseminar Marianum in Tanzenberg bei Maria Saal - das zur selben Zeit auch Peter Handke, Gustav Januš und Engelbert Obernosterer besuchten – und wollte Priester zu werden. Nach der Matura studierte er von 1958 bis 1962 am Philosophisch-theologischen Seminar in Klagenfurt, ohne das Studium jedoch abzuschließen.

Nach einem Studium der Slawistik in Ljubljana und der Rechtswissenschaften in Graz absolvierte er eine Ausbildung zum Lehrer in Abendkursen der Klagenfurter Lehrerbildungsanstalt. Von 1966 war er bis zu seiner Pensionierung 1998 erst als Lehrer, später als Schulleiter an den zweisprachigen Volksschulen Remschenig / Remšenik, Leppen / Lepena und in St. Philippen / Šentlipš tätig.

1960 gründete er mit Erik Prunč und Karel Smolle die kärntner-slowenische Literaturzeitschrift "Mladje" (Schonung), deren Chefredakteur und Mitherausgeber er bis 1981 war und er veröffentlichte zahlreiche Erzählungen, Romane und Essays.

Er ist seit 1985 korrespondierendes Mitglied der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Ljubljana und publiziert in slowenischer und deutscher Sprache. In den frühen 1960er Jahren veröffentlichte er auch unter den Pseudonymen 'Slavko Slovenec' und 'Boro Kostanek', das er auch bei seinem Bucherstling verwendete. Bekannt wurde Florian Lipuš durch den 1972 in Slowenien erschienenen Roman "Zmote dijaka Tjaža", den Peter Handke und Helga Mračnikar unter dem Titel "Der Zögling Tjaž" 1981 gemeinsam ins Deutsche übersetzten.

Zu weiteren bekannten Werken zählen "Die Beseitigung meines Dorfes", "Die Verweigerung der Wehmut", "Herzflecken" sowie "Bostjans Flug". (Für diesen 2003 erschienenen Roman wurde Lipuš 2004 mit dem France-Prešeren-Preis und 2011 mit dem Petrarca-Preis ausgezeichnet.) 2017 erschien sein Roman Mirne duše / Seelenruhig.

Florjan Lipuš ist mit Marija Petek verheiratet und hat 4 erwachsene Kinder, von denen drei ebenfalls künstlerisch tätig sind (der Sänger und Komponist Gabriel Lipuš, die Lyrikerin Cvetka Lipuš und der Fotograf Marko Lipuš).


Die Werke von Florjan Lipuš haben wesentlich zur Anerkennung von Literatur in einer Minderheitensprache als Bestandteil des kulturellen Selbstverständnisses beigetragen.

2018 hat das Land Kärnten einen Vorlass des international vielfach ausgezeichneten Autors – zuletzt mit dem Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur – erworben und dem Robert-Musil-Institut / Kärntner Literaturarchiv (RMI/KLA) übergeben.

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Buchprämie des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, 1981
  • korrespondierendes Mitglied der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste, seit 1985
  • Förderungspreis des Bundsministeriums für Unterricht und Kunst für Romane, 1982
  • Förderungspreis der Literar-Mechana Wien, 1987
  • Staatsstipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für Literatur, 1988 und 1992
  • Literaturpreis des Landes Kärnten, 1995
  • Prešeren-Preis, 2004
  • Würdigungspreis für Literatur, 2005
  • Petrarca-Preis, 2011
  • Franz-Nabl-Preis der Stadt Graz, 2013
  • Großer Österreichischer Staatspreis für Literatur, 2018

Werke (Auswahl)#

Romane

  • Zmote dijaka Tjaža, 1972 [Der Zögling Tjaz, Übers.: Peter Handke u. Helga Mračnikar, 1981]
  • Odstranitev moje vasi. Prosa, 1983 [Die Beseitigung meines Dorfes, Übers.: Fabjan Hafner, 1997]
  • Jalov pelin, 1985 [Die Verweigerung der Wehmut, Übers.: Fabjan Hafner, 1989]
  • Prošnji dan, 1989) [Regenwallfahrt, Übers.: Johann Strutz, 2007]
  • Srcne pege, 1991 [Herzflecken, Übers.: Johann Strutz, 1999/2000]
  • Stesnitev, 1995 [Verdächtiger Umgang mit dem Chaos, Übers.: Josef Strutz, 1997]
  • Boštjanov let, 2003 [Bostjans Flug, Übers.: Johann Strutz, 2005]
  • Mirne duše [Seelenruhig, Übers.: Johann Strutz, Nachwort von Fabian Hafner, 2017

Kurzprosa

  • Črtice mimogrede [Flüchtige Skizzen], 1964
  • Zgodbe o čuših [Tschuschengeschichten], 1973

Prosa

  • Izjava. Prosaskizzen, 1978
  • Die Regenprozession und andere Prosa, 2007
  • Kjer potok skale lomi, 2007 [Wo der Bach die Felsen bricht. Pokrajina ostrositva. Landschaft einer Kindheit, 2007]
Dramen
  • Mrtvo oznanilo [Tote Verkündigung], (Regie: Erik Prunc. Klagenfurt: Konzerthaus), 1962
  • Ekstremist Matija Gubec [Der Extremist Matija Gubec], (Regie: Mirko Messner, Stefan Pinter. Globasnitz: Klub Slowenischer Studenten), 1973


Leseprobe#

Florjan Lipus - "Die Beseitigung meines Dorfes"

Zur Stunde harrt das Dorf noch seines Toten; so ein Dorf ist ärmer dran als ein Kirchtag ohne Getändel und Tand. So ein Dorf verliert seinen Ruf, trocknet und verdorrt, gerinnt zu Klößen und Klumpen, verdichtet sich zu Aschenlicht; ein solches Dorf verliert sein Gesicht, ist nur noch Torf und Schorf, ein solches gesichtsloses Dorf wird von Dörfern mit Gesicht mit Leichtigkeit überholt und überrundet, es fällt zurück, und der Rückstand wächst, die Dörfer mit Arsch und Gesicht lassen es ein für allemal hinter sich. Ein Todesfall zur rechten Zeit versetzt das Dorf in Heiterkeit. Ein Dorf, das zu lange ohne Toten bleibt, findet nie wieder Anschluß; noch kommenden Geschlechtern kreidet man es im voraus an.
Am Anfang standen die Aussichten nicht schlecht: Das Dorf pulste nach Maßgabe eines Durchschnittsdorfes, vermählte und vermehrte sich in angemessener Zahl, zarte Bande wurden genugsam gestiftet und zur Genüge wieder vergiftet; Zwist gedieh und vermeidliche Nachrede, Unfälle, Händel, weltliche Mätzchen, zum Teufel! und fromme Faxen im Übermaß. Dann verwirrte und verzwirnte sich der Dorffaden mit einemmal: Als müßte etwas Mächtigeres an die Reihe kommen, häuften sich die Happen, und die Ereignisse, die das Dorf aus der Bahn geworfen hätten, ließ auf sich warten, das Dorfgeklapper blieb ohne Nachschubwasser; die zotigen Zungen hingen den Dörflern aus den Mäulern, weil sie sich allezeit mit Aufgewärmtem zu begnügen hatten. Von Tag zu Tag schritt der Verfall fort, schrumpfte und schrumpelte das Dorf, harrte bei Altbackenem gelangweilt auf ordentlichen Nachschlag. (S. 5f.)

(c) 1997, Wieser, Klagenfurt.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
LITERATURHAUS

Quellen#


Redaktion: I. Schinnerl