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Popper, Sir Karl Raimund#

* 28. 7. 1902, Wien

† 17. 9. 1994, Croydon/GB


Philosoph, Wissenschaftstheoretiker


Sir Karl Popper. Foto
Sir Karl Popper. Foto.
© Ch. Brandstätter Verlag, Wien, für AEIOU

Karl Popper wurde am 28. Juli in Wien als jüngstes Kind des Rechtsanwalts Dr. Simon Siegmund Carl Popper und seiner Frau Jenny geboren.

Sein Vater, ein Böhme, führte eine angesehene Kanzlei in Wien und arbeitete nebenbei auch in einem Komitee, das den Asylverein für Obdachlose gegründet hatte; seine Mutter entstammte einer hochmusikalischen Familie.
Die Familie gehörte dem assimilierten jüdischen Wiener Bürgertum an, konvertierte zum Protestantismus und lebte in einer großen Wohnung im Zentrum von Wien, wo sich auch das Büro seines Vaters befand.

Seine Erziehung war geprägt durch den Geist des aufgeklärten und sozialreformerischen Bildungsbürgertums; in der großen väterlichen Bibliothek fand sich breite wissenschaftliche wie geistige Literatur. Der Vater selbst übersetzte griechische und lateinische Dichter ins Deutsche und verfasste 1903 anonym auch eine politische Satire, die später beschlagnahmt und bis 1918 auf den Index verbotener Bücher kam.


Nach der Volksschule besuchte Popper das Gymnasium, das er jedoch Ende 1918, gleichzeitig mit dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie verließ. Im Chaos des Zusammenbruchs der Welt, in der er aufgewachsen war, versuchte er sich neu zu orientieren. In einer Art "privaten Revolte" verließ er die elterliche Wohnung und lebte im Grinzinger Barackenlager mit Studenten zusammen. Er war an pädagogischen Fragen interessiert und engagierte sich auch in der sozialistischen Jugendbewegung und in der Wiener Schulreformbewegung; gleichzeitig arbeitete er unentgeltlich bei Alfred Adler in dessen Erziehungsberatungsstellen und -heimen in den Wiener Arbeitervierteln. Ökonomisch hielt er sich durch Privatunterricht über Wasser und wurde Gasthörer an der Universität Wien; er besuchte Vorlesungen in Mathematik, Geschichte, Psychologie, Physik und Philosophie.

Konfrontiert mit dem großen Massenelend im Wien der Vor- und Nachkriegsjahre, entwickelte Popper ein tiefes Gefühl sozialer Verantwortung. Für kurze Zeit war er Kommunist, wandte sich 1919 jedoch schockiert vom Kommunismus ab, als er beim kommunistischenen Putschversuch am 15. Juni 1919 dessen menschenverachtende und dogmatische Haltung erkannte. 20 tote Jugendliche und zahlreiche Verletzte waren die traurige Bilanz des Massakers in der Hörlgasse im neunten Wiener Bezirk, das Popper persönlich miterlebte. Er gehört übrigens zu den prominentesten und zuverlässigsten Augenzeugen der Ereignisse der Jahre 1918/19 in Wien.


Neben den Studien absolvierte er eine Tischlerlehre beim Wiener Meister Adalbert Pösch und legte die Matura als Externist an der Universität Wien ab, wo er sich nun als ordentlicher Hörer einschreiben ließ.

Er studierte Mathematik bei Hans Hahn und Karl Menger, Physik bei Hans Thirring, Psychologie bei Karl Bühler und Philosophie bei Heinrich Gomperz und Moritz Schlick.


1924 erhielt Popper den Gesellenbrief als Tischlerlehrling, legte die Lehramtsprüfung an der Lehrerbildungsanstalt ab und erhielt damit die Lehrbefähigung für die Fächer Mathematik, Physik und Chemie an Grundschulen. Weil keine Lehrerstelle frei war, arbeitete er als Erzieher in einem Hort der Gemeinde für sozial gefährdete Kinder.


Ab 1925 studierte am neu gegründeten Pädagogischen Institut in Wien und promovierte 1928 bei Karl Bühler mit der Arbeit "Zur Methodenfrage der Denkpsychologie".

Dass Karl Popper begann, seine philosophischen Gedanken niederzuschreiben, war vor allem seinen Kontakten mit dem "Wiener Kreis" zu verdanken. Er selbst war zwar nie Mitglied des "Wiener Kreises", war aber mit vielen Mitgliedern dieses Kreises von wissenschaftstheoretisch interessierten Philosophen und Naturwissenschaftlern unter Leitung von Moritz Schlick befreundet. Sie versuchten auf der Grundlage der mathematisch-logischen Forschungen von Bertrand Russell und Ludwig Wittgenstein einen radikalen Empirismus und logischen Positivismus zu entwickeln. Nur noch solche Sätze wurden als wissenschaftliche Aussagen akzeptiert, die als Urteile auf Basis von beobachtbaren Erfahrungen gelten, also verifiziert werden konnten. 1929 verbreitete der Kreis sein Programm durch die Zeitschrift "Erkenntnis". In Auseinandersetzung mit dieser einflussreichen Schule entwickelte Popper seine eigene Wissenschaftstheorie.


1929 erwarb er die Befähigung zum Lehramt in Mathematik, Chemie und Physik an Grund- und Hauptschulen mit einer Arbeit über Probleme in der Geometrie und bekam 1930 eine Anstellung als Hauptschullehrer in Wien.

Er heiratete Josefine Anna Henninger ("Hennie") und begann an seinem Manuskript "Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie" zu arbeiten. 1932 konnte er den ersten Band über "Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie" (das Induktionsproblem) abschließen, Ende 1934 veröffentlichte er "Logik der Forschung. Zur Erkenntnistheorie der modernen Naturwissenschaft" - eine radikal gekürzte Version des ersten Bandes. Dieses Buch machte ihn über die Grenzen Wiens hinaus bekannt, er erhielt eine Reihe von Einladungen zu Vorträgen in England, wo er u.a. Erwin Schrödinger, Bertrand Russell und Ernst Gombrich begegnete.


Die völlige Aussichtslosigkeit an einer österreichischen Universität eine akademische Position zu erhalten, sowie das Nahen des Nationalsozialismus bewegten Popper 1937, das Angebot einer Dozentur am Canterbury University College in Christchurch (Neuseeland) in Neuseeland anzunehmen.


1937 kündigten Popper und seine Frau ihre Lehrerstellen und emigrierten nach Neuseeland, wo er von 1937 bis 1945 an der Universität lehrte.

Im März 1938 begann Popper als "philosophischen Beitrag" gegen den Nationalsozialismus die Arbeit an den Schriften "Das Elend des Historizismus" und "Die Offene Gesellschaft und ihre Feinde", die eine Fülle wichtiger Lösungsvorschläge zu demokratiepolitischen Problemen, und eine Geschichte des Aufstiegs totalitärer Ideen enthielt.

1946 kehrte er mit seiner Frau nach England zurück, wo bis zu seiner Emeritierung 1969 an der Londoner School of Economics and Political Science, University of London als Professor und Vorstand der Abteilung für Philosophie, Logik und wissenschaftliche Methodenlehre wirkte.


Carl Raimund Popper, Uni Arkaden
Büste von Christine Pillhofer, Universität Wien, Arkadenhof
© Rainer Lenius
Bis zu seinem Tod 1994 schrieb Popper eine Fülle von Untersuchungen zu Fragen der Forschungslogik, der Logik, der Wahrscheinlichkeitstheorie, des Indeterminismus, der antiken Philosophie, der Sozialphilosophie, der politischen Philosophie, des Leib-Seele- Problems und der Evolution.


1993 veröffentlichte er mehrere Zeitungsartikel anlässlich des Kriegs im ehemaligen Jugoslawien, u.a. "Political Guru Urges Balkan Air Attacks" (The Independent, 18.3.1993), "In Bosnien nichts zu tun, wäre selbstmörderische Dummheit" (Berliner Morgenpost, 21.4.1993), "Entschlossenheit zeigen" (Donaukurier, 18.5.1993).


Karl Raimund Popper starb am 17. September 1994 in Croydon, in der Nähe von London.


Er erhielt ein Ehrengrab auf dem Lainzer Friedhof in Wien-Hietzing. Im Arkadenhof der Universität Wien steht seine Büste von Christine Pillhofer.
In Wien sind zwei Schulen nach ihm benannt - die "Sir-Karl-Popper-Schule" (als Teil des Wiedner Gymnasiums) in Wien 4, Wiedner Gürtel 68, und die "Sir-Karl-Popper-Schule" (Kooperative Mittelschule) in Wien 15, Schweglerstraße 2-4.




Popper trat in allen Wissenschaftsdisziplinen gegen einen positivistischen Standpunkt auf und setzte sich in der Politik für liberale Ideen und gegen autoritäre Systeme ein.

Poppers Werk orientiert sich an einzelwissenschaftlichen Problemen und stellt kein philosophisches System dar. Dennoch durchziehen sein Werk bestimmte Grundideen, die eine vollkommen neue Sichtweise der Bedeutung von kritischen Argumenten thematisieren und die Grundlage des sogenannten "Kritischen Rationalismus" bilden.

Seiner Ansicht nach besteht die Aufgabe von kritischen Argumenten vor allem in der Lösung von Bewertungs- und Wahlproblemen zwischen konkurrierenden Theorien und Meinungen, um festzustellen, welche Theorie anderen Theorien aufgrund ihrer Qualität vorzuziehen sei. Da alle Theorien gleichermaßen nicht verifizierbar sind, haben kritische Argumente nach Popper vor allem eine Auslesefunktion. Diese Entdeckung ist nach Popper nicht nur für wissenschaftliche Theorien sondern auch für unser gesamtes Leben von Bedeutung. Da wir durch Fehler lernen können, müssen wir unsere Theorien so formulieren, dass sie scheitern können.

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Ritterschlag von Queen Elizabeth II., von da an "Sir", 1965
  • Preis der Stadt Wien f. Geisteswissenschaften, 1965
  • Sonning Pries der Universität Kopenhagen), 1973
  • Großes Goldenes Ehrenzeichen der Republik Österreich, 1976
  • Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst der Republik Österreich, 1980
  • Orden pour le Mérite f. Wissenschaft und Künste der Bundesrepublik Deutschland, 1980
  • Companion of Honour, Großbritannien, 1982
  • Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland, 1983
  • Tocqueville-Preis, 1984
  • Internationaler Preis von Katalonien, 1989
  • 1. Premi Internacional Catalunya, Barcelona 1989
  • Kyoto-Preis, 1992
  • Goethe-Medaille, 1992
  • Otto-Hahn-Friedensmedaille, 1993
  • Ehrenbürger der Stadt Wien, 1993
  • Central European University Open Society Preis, Prag, 1994
  • viele Ehrendoktorate
  • er war Mitglied zahlreicher Akademien und Gesellschaften (Fellow oft he British Academy, Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Science, Europäische Akademie der Wissenschaften, Österreichische Akademie der Wissenschaften u.v.m.)

Werke (Auswahl)#

  • Logik der Forschung, 1935
  • The Poverty of Historicism 1944/45 (Das Elend des Historizismus, 1965)
  • The Open Society and Its Enemies, 1945 (Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, 1957/58)
  • Conjectures and Refutations, 1963 (Vermutungen und Widerlegungen, 1994)
  • Objective Knowledge, 1972 (Objektive Erkenntnis, 1973)
  • Unended Quest. An Intellectual Autobiography, 1974 (Ausgangspunkte. Meine intellektuelle Entwicklung, 1979)
  • Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie, 1979
  • The Self and Its Brain (gem. m. J. C. Eccles), 1981/82 (Das Ich und sein Gehirn, 1982)
  • Postscript to the Logic of Scientific Discovery, 3 Bände, 1983
  • A Pocket Popper, 1983 (Karl Popper Lesebuch, 1995)
  • Auf der Suche nach einer besseren Welt. Vorträge und Aufsätze aus 30 Jahren, 1984
  • A World of Propensities, 1990 (Eine Welt der Propensitäten, 1995)
  • Alles Leben ist Problemlösen, 1994
  • The Myth of the Framework, 1994
  • Knowledge and the Body-Mind Problem, 1994
  • The World of Parmenides, 1998 (Die Welt des Parmenides, 2001)
  • Gesammelte Werke in deutscher Sprache
    • Band 1: Frühe Schriften (Hg. T. E. Hansen)
    • Band 2: Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie (Hg. T. E. Hansen)
    • Band 3: Logik der Forschung (Hg. H. Keuth)
    • Band 4: Das Elend des Historizismus (Hg. H. Kiesewetter)
    • Band 5: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Band I: Der Zauber Platons (Hg. H. Kiesewetter)
    • Band 6: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Band II: Falsche Propheten: Hegel, Marx und die Folgen (Hg. H. Kiesewetter)
    • Band 7: Realismus und das Ziel der Wissenschaft (Hg. W.W. Bartley III)
    • Band 8: Das offene Universum (Hg. W.W. Bartley III)
    • Band 9: Die Quantentheorie und das Schisma der Physik (Hg. W.W. Bartley III)
    • Band 10: Vermutungen und Widerlegungen. Das Wachstum der wissenschaftlichen Erkenntnis (Hg. H. Keuth)
  • After the Open Society. Selected Social and Political Writings, 2008

Literatur#

  • E. Dörring, K. R. Popper, 1987
  • I. Zwirchmayr, Sir K. Popper, der Vater des Kritischen Rationalismus, 1993
  • M. Geier, K. Popper, 1994
  • K. Glaubauf, Die Wiener Volkswehr 1918-1920 und die Gründung der Republik, Wien 1993
  • A. O´Hear (Hg.), K. Popper, 1995
  • D.W. Miller, D. W., Popper Lesebuch. UTB 2000. J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen, 1995
  • L. Schäfer, K. Popper, 1996
  • Watkins, J.W.N., Obituary of Karl Popper, 1902–1994. Proceedings of the British Academy, 94, pp. 645–684, 1996
  • D. Miller, Sir Karl Raimund Popper (in: Biographical Memoirs of Fellows of the Royal Society of London 43, 1997, 367-409)
  • M. H. Hacohen, Karl Popper - The Formative Years, 1902-1945. Politics and Philosophy in Interwar Vienna. Cambridge & elsewhere: Cambridge University Press, 2000
  • A. O’Hear (Ed.), Karl Popper. Critical Assessments of Leading Philosophers. Vol. 1-4. 2004
  • Internationale Personalbibliographie Karl R. Popper 1925-2011

Quellen#

  • AEIOU
  • F. Czeike: Historisches Lexikon Wien
  • Neue Deutsche Biographie
  • Th. Maisel: Gelehrte in Stein und Bronze
  • W. Kleindel: Das Große Buch der Österreicher
  • Who's Who
  • Karl Popper Sammlung, Universität Klagenfurt
  • David Miller, University of Warwick, Department of Philosophy


Redaktion: R.Lenius, I. Schinnerl