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Steiner, Herbert#


* 3. 2. 1923, Wien

† 26. 5. 2001, Wien


Historiker
Gründer und langjähriger Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW)


Herbert Steiner wurde am 3. Februar 1923 als einziges Kind in einer jüdischen Arbeiterfamilie in Wien geboren und wuchs in einem sozialdemokratischen Elternhaus auf.

Sein Vater war Mitglied des Mitglied des Republikanischen Schutzbunds, er selbst kam über die sozialdemokratischen "Kinderfreunde" und später die "Roten Falken" 1937 zum (illegalen) "Kommunistischen Jugendverband", betätigte sich schon als Mittelschüler im antifaschistischen Widerstand und musste deshalb im März 1938 flüchten. Es gelang ihm, über Holland nach England zu kommen; einige seiner engsten Freunde und Genossen wurden später von der NS-Justiz zum Tode verurteilt und hingerichtet, seine Eltern Heinrich und Valerie Steiner starben 1944 im Konzentrationslager Riga.

Bald nach seiner Ankunft in Großbritannien gelang es ihm, in einer großen Londoner Druckerei eine Lehre als Schriftsetzer und Korrektor zu beginnen. Gleichzeitig trat er der Exiljugendorganisation "Young Austria" bei, wo er ab 1940 die Stelle eines Sekretärs innehatte. Nach Abschluss seiner Ausbildung arbeitete Herbert Steiner ab 1943 als Schriftsetzer für deutsch- und englischsprachige Publikationen in London und übernahm die Leitung des Exilverlags "Jugend voran", in dem Broschüren in englischer und deutscher Sprache verlegt wurden. Durch diese Arbeit lernte er viele im Exil lebende österreichische Künstler und Schriftsteller kennen und wurde Sprecher in Sendungen der BBC für Österreich.

In der Jugendorganisation lernte Herbert Steiner die Chemielaborantin Rella Adlersberg (selbst mit dem letzten Kindertransport 1939 nach England gekommen) kennen, die er später in Wien heiratete und mit der er zwei Kinder hatte.

Nach dem Krieg kehrte Herbert Steiner 1945 nach Wien zurück, wo er gemeinsam mit Otto Brichacek 1946 die Leitung der "Freien Österreichischen Jugend" (FÖJ) übernahm, dessen Bundessekretär er bis 1952 blieb. Er engagierte sich auch bei der Bildung des österreichischen Jugendherbergsverbands, der ihn zu seinem Vize-Präsidenten wählte.

Herbert Steiner hatte sich schon früh für die Geschichte der Arbeiterbewegung begeistert, auch die Geschichte der Revolution von 1848 in Wien interessierte ihn sehr. 1958 begann Herbert Steiner ein Fernstudium der Geschichte an der Prager Karls-Universität, das er 1963 mit dem akademischen Grad eines Kandidaten der Wissenschaften (CSc) abschloss - was später an der Universität Wien als Dr. phil. nostrifiziert wurde.

1963 gelang ihm nach intensiven Vorarbeiten - gemeinsam mit ehemaligen WiderstandskämpferInnen und Verfolgten und engagierten Historikern - die Gründung des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands (DÖW) - eine durch ihre überparteiliche Struktur und die Verbindung von Wissenschaft und Politik nicht nur in Österreich einmalige Einrichtung, die er bis 1983 leitete (und dann in eine Stiftung überleitete) – und 1964 die International Conference of Labour and Social History.


Der Aufbau des DÖW ist als wohl als Herbert Steiners Lebenswerk zu betrachten: durch diese Einrichtung wurde die Erinnerung an den Terror des Nationalsozialismus - einschließlich der Beteiligung österreichischer Täter an diesen Verbrechen -, vor allem aber an den Widerstand Tausender Österreicherinnen und Österreicher gewissermaßen institutionalisiert. Von Anfang an gelang es Herbert Steiner, alle am Widerstand beteiligten oder von Verfolgung betroffenen Gruppen bzw. deren Organisationen in die Arbeit des DÖW einzubeziehen, also den KZ-Verband, die Sozialdemokratischen Freiheitskämpfer und die ÖVP-Kameradschaft ebenso wie die katholische Kirche und die Israelitische Kultusgemeinde.

Seine vielfältigen Kontakte, zum Teil noch aus dem englischen Exil, ermöglichten den Aufbau der ersten umfassenden Sammlungen nicht nur von Dokumenten, sondern beispielsweise auch jener Kunstwerke aus Widerstand, Verfolgung und Exil, die bis heute einen besonders wertvollen Teil der Archivbestände darstellen. Das DÖW wurde im Laufe der Jahrzehnte zu einer im In- und Ausland anerkannten wissenschaftlichen Institution, einem angesehenen Archiv und einer Instanz in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus.


Ab 1965 war Herbert Steiner auch in der "Internationalen Tagung der Historiker der Arbeiterbewegung" (ITH) tätig, die alljährlich in Linz wissenschaftliche Tagungen abhält ("Linzer Konferenzen") und sich dank seiner Initiativen zu einer internationalen Plattform entwickelte.

Ebenfalls 1965 übernahm er ehrenamtlich die Funktion eines Sekretärs der Historischen Kommission der Kommunistischen Partei Österreichs, zog sich jedoch 1968 (nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakische Sozialistische Republik) aus dieser Funktion zurück.


Herbert Steiner war als Veranstalter wissenschaftlicher Kongresse und Herausgeber von Tagungsberichten tätig und veröffentlichte selbst zahlreiche wissenschaftliche Publikationen zur Geschichte der österreichischen Arbeiterbewegung und des Widerstandes. 1982 konnte er sich an der Universität Wien - mit der Lehrbefugnis für neuere Geschichte – habilitieren, hielt Vorlesungen und betreute Diplomarbeiten und Dissertationen. Er war Mitglied des Projektteams "Geschichte der Arbeiterbewegung" des Wissenschaftsministeriums, wurde 1988 Präsident der Jura Soyfer Gesellschaft und widmete sein Leben dem Kampf gegen das Vergessen.


Univ.-Doz. Dr. Herbert Steiner, starb am 26. Mai 2001 nach langer schwerer Krankheit im 79. Lebensjahr.

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Verleihung des Berufstitels "Professor", 1964
  • Goldenes Ehrenzeichen Land Wien, 1993
  • Seit 2004 verleihen DÖW und ITH jährlich den Herbert-Steiner-Preis für ausgezeichnete wissenschaftliche Arbeiten zu Widerstand/Verfolgung/Exil in der Zeit des Faschismus und Nationalsozialismus, zum Umgang mit dieser Vergangenheit nach 1945 und zur Geschichte der Arbeiterbewegung.

Werke (Auswahl)#

  • Zur Geschichte der arbeitenden Jugend Österreichs 1848-1945, 1958
  • Die internationale Arbeiterassociation und die österreichische Arbeiterbewegung, 1964
  • Die Arbeiterbewegung Österreichs 1867-99, 1964
  • Zum Tode verurteilt. Österreicher gegen Hitler, 1964
  • Die Kommunistische Partei Österreichs 1918-33, 1968
  • Gestorben für Österreich, 1968
  • Die Gebrüder Scheu, 1968
  • K. Leichter, 1973
  • Festschrift 10 Jahre Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, 1975
  • K. Marx in Wien, 1978

Literatur#

  • B. Bailer, W. R. Garscha, W. Neugebauer, Herbert Steiner und die Gründung des DÖW, in: DÖW, Jahrbuch 2013
  • B. Halbmayr: Herbert Steiner - Auf vielen Wegen, über Grenzen hinweg. Eine politische Biografie, 2015

Quellen#


Redaktion: I. Schinnerl


Ganz hervorragende Biographie, ein Bild würde gut dazu passen....

-- Glaubauf Karl, Samstag, 10. Jänner 2015, 12:06