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[{Image src='0627_Richard Gerstl_k.jpg' caption='© Österreichische Post' width='300' class='image_left' alt='Richard Gerstl, Selbstbildnis als Halbakt' height='461'}]


!!Richard Gerstl - Selbstbildnis als Halbakt

!Sondermarke

Richard Gerstl (1883 Wien – 1908 Wien)

Selbstbildnis als Halbakt, 1904/1905, Öl auf Leinwand, 159 x 109 cm, Leopold Museum,
Wien, Inv. 637

Als leuchtende Gestalt stellt sich in diesem Werk der 21-jährige Künstler selbst dar. Die
Frontalität der strengen Komposition wird durch das mystische Blau des Hintergrundes
noch unterstrichen. Richard Gerstl präsentiert sich nicht, wie traditionell üblich, als Maler
mit seinen Attributen, sondern zitiert Elemente des Christusbildes, um seinem Selbstverständnis
als Künstler Ausdruck zu verleihen. Wie in einer sakralen Darstellung wird der
Künstler von einer leuchtenden Aura umgeben. Diese betont das Unwirkliche, nahezu
Überirdische der Erscheinung. Das Selbstbildnis wird so zum Symbol für die Ausgesetztheit
und das Einzelgängertum des Künstlers. Der symbolhafte Ausdruck des Bildes
erinnert zudem an die Werke des norwegischen Malers Edvard Munch, dessen Bilder
damals in der Wiener Secession ausgestellt und Richard Gerstl bekannt waren. Mit
seinem Selbstbildnis gelang dem jungen Richard Gerstl eine außerordentlich eigenständige
Leistung.

Gerstl stand am Beginn einer viel versprechenden Karriere. In den wenigen Jahren, die
dem jungen Maler zu schaffen vergönnt waren, drückt sich eine Absage gegen jegliche
akademische Maltradition aus. Seine Bereitschaft zu gestalterischen Experimenten, die
von einer symbolhaft-expressiven Malweise bis zur Formzertrümmerung reichen, weist
ihn als Propheten und Pionier der Kunst des 20. Jahrhunderts aus. Die Tragik in Richard
Gerstls Leben war eine unglückliche Liebe zu Mathilde Schönberg, der Ehefrau des
berühmten Komponisten Arnold Schönberg. Er hatte sie in der Gesellschaft des Freundeskreises
um die faszinierende Person des Lehrers und Musikers Schönberg kennen gelernt
und mit ihr einige Jahre eine Liebesbeziehung im Verborgenen unterhalten. Im Sommer
1908 wurde das Verhältnis vom Ehemann Schönberg entdeckt, es kam zum Eklat.
Mathilde verließ für kurze Zeit Mann und Kinder und floh mit dem jungen Gerstl vom
Feriendomizil am Traunsee in Oberösterreich nach Wien, um kurze Zeit später wieder zu
ihrem Mann zurück zu kehren. Gerstl hatte ab diesem Zeitpunkt nicht nur seine Geliebte,
sondern auch seine Freunde verloren. Diese Isolation dürfte der Grund für eine tiefe
Depression gewesen sein, die im November desselben Jahres den erst 25 Jahre alten
Künstler offensichtlich zum Selbstmord trieb.

Aufgrund Gerstls Zurückgezogenheit von der Kunstszene seiner Zeit und seiner tragischen
Biografie war sein Werk den Zeitgenossen kaum bekannt. Die meisten zum Zeitpunkt
seines Todes vorhandenen Werke wurden vom Bruder des Künstlers in einem Depot
gelagert, wo sie erst zwanzig Jahre später vom Wiener Kunsthändler Otto Kallir-Nirenstein
wiederentdeckt wurden. 1931 fand in dessen Neuen Galerie in Wien die erste Ausstellung
mit Werken von Richard Gerstl statt. Seither wird das Werk dieses Ausnahmekünstlers von
der Fachwelt als Sensation gewertet. Das Leopold Museum, das seinen Schwerpunkt in
der Kunst der Wiener Jahrhundertwende hat, besitzt heute die größte geschlossene
Werkkollektion von Richard Gerstl.