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Anno 1906 begann das Volksfest #

In den Anfängen der Grazer Messe faszinierten Liliputaner, Riesenmädchen und Fesselballons die Massen. #


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Grazer Messe\© KK
Grazer Messe

Es war ein Massenzuzug, wie er in Graz kaum jemals stattgefunden“, berichtete die Kleine Zeitung am 2. Oktober 1906. „Bei den Eingängen gab es ein geradezu lebensgefährliches Gedränge.“

Kein Wunder, weit über 60.000 Besucher wollten sich gleich zu Beginn die Sehenswürdigkeiten der 1. Grazer Messe nicht entgehen lassen und drängten gleichzeitig zu den Schaubuden der 123 Geschäftsleute und 46 Schausteller, zum Affen- und Hundetheater, zur Behausung des Riesenmädchens, zu Rodelbahn und Liliputaner- Zirkus. Dazu erfreuten Musikkapellen und viele Wettbewerbe die Besucher. Von den 24 Wirtshäusern und dem Riesenfeuerwerk gar nicht zu reden.

Es war ein Volksfest #

Auch der „Aufstieg des Fesselballons, der sich in kurzen Zeiträumen etwa 200 Meter hoch in die Lüfte erhob“ zog die Massen an. „Es war ein Volksfest im vollsten Sinne des Wortes“, schrieb die Zeitung. 250.000 Besucher strömten in Industriehalle und Industriepark. Die Messe mit all ihren Kuriositäten war ein voller Erfolg – sehr zur Freude der Handvoll mutiger Kaufleute, die unter Leitung Franz Pichlers, Direktor der Deutschen Vereinsdruckerei, die allererste Herbstmesse in Graz organisiert hatte.

Doch 1906 war nicht der Anfang gewesen. Schon 1870 hatte die 1. Grazer Landesausstellung stattgefunden – allerdings noch auf dem Gelände des ehemaligen Landwirtschaftlichen Versuchshofs von Erzherzog Johann nahe dem Grazer Hauptbahnhof (heute Möbelhaus Leiner in der Annenstraße). Da 1600 Aussteller erfolgreich daran teilnahmen, beschloss man, alle zehn Jahre so eine Ausstellung zu veranstalten.

Also wurde am 1. September 1880 in der neu errichteten Industriehalle die 2. Landesausstellung eröffnet, diesmal aber zentrumsnäher in der langen Jakoministraße, heute Conrad-von-Hötzendorf-Straße. In 33 Tagen kamen 231.000 Besucher aus der ganzen Monarchie. 1890 besuchte sogar Kaiser Franz Joseph die Angenehmste überrascht und vollkommen befriedigt“ zu sein. Da 1900 aber keine Ausstellung zustande kam, überlegten sich die Kaufleute, was zu machen sei, der Grundstein zur ersten Grazer Messe im Jahr 1906 war gelegt.

Attraktionen der Grazer Messe
Ein Riesenochs als Attraktion (links). Die Umschlagseite der Kleinen Zeitung vom 30. 9. 1906 zeigt die Messe-Rodelbahn/Anatol und Alex Renner am 26. 9. 1909 über dem Althaller Schlössl/Legendär: „Die dicke Mitzi“
© ARCHIV MESSE GRAZ, KK (3)

Der Rest? Siehe oben. 1909 und 1910 konnten die anfänglichen Rekordergebnisse nicht mehr erreicht werden, aber dafür wurden die Kojen einheitlich gestaltet und wurde elektrisches Licht in die Hallen geleitet. 1909 stieg nebenan auf dem Trabrennplatz das Luftschiff „Estaric I“ der Artistenfamilie Renner auf und war nicht nur die absolute Attraktion der Messe, sondern auch das erste starre Luftschiff der Habsburgermonarchie, das fliegen konnte. Im Vergnügungspark wurden Laternen aufgestellt und 1911 wurde für 850.000 Kronen des „Althaller Schlössl“, das spätere „Messeschlössl“, gekauft.

Nach dem Ersten Weltkrieg öffnete die Grazer Herbstmesse erst 1921 als reine „Waren-Musterschau“ neuerlich ihre Pforten – und vor allem die Landbevölkerung stürmte die Agrarausstellung. 1928, zum 800-Jahr-Jubiläum der Stadt, gab es erstmals auch eine Frühjahrsmesse. Doch der Höhepunkt des Messetrubels war vorüber, in den 1930er-Jahren war die Messeleitung beschäftigt, die politischen und wirtschaftlichen Wirren der Zeit zu überleben. Und mit dem gewaltsamen Anschluss Österreichs an Hitler- Deutschland 1938 kam auch das Aus für die Grazer Messe.

Ende für die „Dicke Mitzi“ #

Erst 1948 gab es wieder eine Grazer Messe, 652 Firmen gaben dort ein starkes wirtschaftliches Lebenszeichen. 1950 entstand die durch Bombentreffer zerstörte Industriehalle neu, 1952 wurde das Gelände des Trabrennplatzes angekauft und zum Ausstellungsplatz für landwirtschaftliche Maschinen. 1953 kam die Bezeichnung „Grazer Südost-Messe“ auf als Hinweis auf den regen Handel mit den Ländern Südosteuropas.

Der Aufwärtstrend war nun nicht mehr zu stoppen – doch lag der Schwerpunkt eindeutig auf dem wirtschaftlichen Sektor, auf Vergnügungspark und Kulinarik. Die Zeit der Schlangenbeschwörer, Ringkampfdamen, Liliputaner und kuriosen Figuren wie der „Dicken Mitzi“ war jetzt endgültig vorüber.


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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele