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Das einmalige Hausbüchl der Stampferin #

Ein Glücksfall der Überlieferung ist dieses Tagebuch aus der Barockzeit. Sehr persönlich schildert eine 16-fache Mutter das Leben in Vordernberg und im ganzen Land. #

Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Das Altfränkische Haus
Das „Altfränkische Haus“ der Familie Stampfer in Vordernberg.
© KK

Im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit schreib ich dieses Büchl meinen Kindern zu einer Gedächtnis im 1679. Jahre“, notierte Maria Elisabeth Stampfer in Vordernberg. Ein wahrer Glücksfall der schriftlichen Überlieferung, denn wo findet man schon in der Barockzeit das Tagebuch einer „normalen“ Frau, die nicht hochadeligen Geblüts war? Natürlich ist die Stampferin keine ganz einfache Frau aus dem Volk, sondern eine gebildete Bürgerin, die Gattin eines Vordernberger Radmeisters, die Zeit und Muße hatte, über die Vorgänge in ihrer Umgebung zu schreiben.

Auf nach Vordernberg #

Im Februar 1638 war Maria Elisabeth in Graz als Tochter des Kriegskanzlisten Andreas Delatorre zur Welt gekommen. Ihre Mutter war eine geborene Tengg, deren Familie mit dem obersteirischen Eisenwesen verbunden war. Einer ihrer Brüder war Amtmann in Vordernberg. Und als Maria Elisabeth als junge Frau ihren Onkel besuchte, lernte sie Hans Adam Stampfer kennen und lieben, einen Radmeister in Vordernberg. 1684 kaufte dieser im Ort das „Altfrankische Haus“, das später Erzherzog Johann erwarb und das heute als „Meranhaus“ bekannt ist.

Faksimileseite aus dem „Hausbüchl“
Faksimileseite aus dem „Hausbüchl“ von 1679
© KK

Aber nicht nur lokales Geschehen beschreibt die Vordernbergerin, sondern auch überregionale Großereignisse. So hinterließ die Pestepidemie von 1679 in Wien, die durch Flüchtlinge auch in die Obersteiermark verschleppt wurde, einen großen Eindruck bei ihr. Ebenso die Wiener Türkenbelagerung von 1683: „Den 23. Juli ist die Körnerin (eine Tochter der Stampferin, Anm.) von Mürzzuschlag mit fünf Kindern herein geflohen, weil sie auch in der großen Türkengefahr seind gewesen. Der Semmeringberg ist zwar wohl und gut verhackt gewest, aber wenig Leut zur Wacht. Seind wohl die Türken oft kommen und habens versucht, seind aber mit der Hilf´ Gottes wieder vertrieben worden. Wenn sie aber halt einmal hätten überhand genommen, wär das ganze Mürztal und vielleicht auch Obersteier hin gewest...hab mein Lebtag nie gesehen so ein Fliehen und Fahren Tag und Nacht, es ist ein Weinen und Heulen gegangen, dass einem das Herz hätt bluten mögen...“

Schon das Jahr zuvor hatte dramatisch begonnen: „Anno 1682, den 24. Jänner ist eine solch große und grausame Schneelahn (Lawine) gewesen, desgleichen niemalen in Vordernberg gesehen gewesen. Sie hat des Herrn Springenfels sein Kreiterhaus samt dem Stall und Wagenhütten verschüttet und zerbrochen und hat ein großschwangeres Weib erschlagen und erdrückt... Welche schon geschlafen haben, die hat’s erdruckt, die aber noch auf seind gesesen und in den Stuben, die seind davon gekommen.“

Und Schlag auf Schlag ging es weiter. Im Frühjahr verlor sie in nur 20 Wochen drei Kinder, ertrug aber alles mit ihrem Gottvertrauen. „Zu der Nacht hat sich mein lieber Karl geklagt, es täten ihm die Füße weh, hat Fieber bekommen und Kopfweh und obendrein die Urschlechten (Pocken, Rötheln oder Masern)... Hat alleweil Blut ausgespien, hat über die linke Seite geklagt, die Schulter und immer wieder über den Kopf... Hat im Kopf und in der Seiten einen Abszess gehabt, ist ihm der Eiter bei Nasen und Mund hergeronnen!“

Nach drei Wochen erkrankte das nächste Kind an der „Urschlechten“. „Ach mein Gott, was haben wir für ein Herzeleid gehabt, zwei so liebe Söhne auf einmal zu verlieren!“ Als die Stampferin dann im Juli ihr 15. Kind zur Welt brachte, starb es gleich nach der Geburt. „So sind in zwanzig Wochen drei Buben gestorben – alles nach Gottes Willen.“

Mit 47 bekam sie ihr 16. und letztes Kind. Nach 39 Stunden Wehen war sie „dem Tod näher als dem Leben“, schreibt sie und empfing bereits die Letzte Ölung. Aber sie überlebte und starb erst mit 62 im Jahr 1700 – fünf Tage, bevor ihre Söhne in den Freiherrenstand erhoben wurden.


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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele