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Der große Schwindel mit Beryllium#

Ein Hochstapler und Betrüger täuschte 1929 bei Köflach eine wertvolle Beryllium-Fundstätte vor und brachte Schweizer Investoren und steirische Arbeitnehmer um ihr Geld.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


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In den 1920er-Jahren war das Leben schwer geworden im Steirerland – die große k.u.k. Monarchie war untergegangen, Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit waren groß und politische Unruhen standen an der Tagesordnung. Kein Wunder, dass man sich an jeden Hoffnungsschimmer klammerte, der Arbeit und Wohlstand versprach. Betrüger und Hochstapler hatten daher leichtes Spiel. Von einem besonders dreisten Finanzbetrüger, der damals für Schlagzeilen sorgte, will ich heute berichten.

Im Frühjahr 1929 gründete ein gewisser Diplingenieur Dr. Kurt Seidler in der steirischen Landeshauptstadt unter großem PR-Getöse die Firma „The Beryllium-Company, Graz“, um in der Gegend zwischen Köflach und Edelschrott ein besonders reiches Beryllium-Vorkommen abbauen zu können. Die meisten Steirer wussten zwar nicht, was dieses Beryllium sein sollte, aber der „Herr Diplomingenieur“ sorgte schon dafür, dass hierzulande alle Medien groß darüber berichteten. Und so erfuhr man schnell aus allen Zeitungen, dass Beryllium ein seltenes Leichtmetall mit sehr hohem Schmelzpunkt ist und vor allem als Legierungszusatz zum Härten von Nickel und Kupfer verwendet wird. Im Altertum und Mittelalter dienten durchsichtige Beryllstücke als Zauberglas, das sie wie eine Lupe Bilder vergrößerten. Vom Wort Beryll leitet sich deshalb auch die Bezeichnung Brille ab.

Keiner wusste aber, dass Seidler aus Deutschland nach Österreich geflüchtet war, weil ihm in seiner Heimat der Boden zu heiß wurde. Dort war er nämlich wegen Unterschlagung zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden und wurde wegen Betruges steckbrieflich gesucht. In Graz verschaffte sich Seidler, der in Wirklichkeit Emil Johann Mehling hieß, als selbst ernannter Montanfachmann Zutritt zu steirischen Industriekreisen. Dabei trat er gemeinsam mit „seiner Komplizin, der angeblichen Reichsgräfin Arnim, in Wirklichkeit aber eine abgefeimte Gaunerin namens Charlotte Marion“ auf, vermeldete die Kleine Zeitung am 18. Jänner 1930, als der Betrug aufflog. Ein Skandal, aber was war geschehen?

Ende 1929 erwarb Seidler im Namen des „Gräflich Arnimschen Güterwerwaltung“ im Bereich des Kreuzbergrückens zwischen dem Gößnitzbach und dem Freigößnitzbach in der Gemeinde Edelschrott (Bezirk Voitsberg) einige Äcker und Wiesen. Nahe dem Gasthaus „Zum lustigen Bauern“ streute Seidler Berylle aus, die er aus Skandinavien bezogen hatte. „Der Bereich war für das Vorhaben gut gewählt, denn im Jahr 1923 hatten die Grazer Geologen Fritz Czermak und Franz Heritsch Beryll aus pegmatoiden Gesteinen des Kreuzbergrückens beschrieben“, berichtet Alfred Weiss in seinem Artikel „Der Berylliumrummel von Köflach“ im Sonderband 26 der „Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark“ (2010). Seidler schickte seine „Funde“ mit Sand vermischt an ein Labor in Mailand zur Analyse – und siehe da, das Ergebnis bestätigte Beryllium. Sachverständige stellten fest, dass im Gräflich Arnimschen Bergwerk Beryll sogar in ansehnlicher Menge vorkommt. Mit diesem Gutachten konnte Seidler Schweizer Investoren zu einem Darlehen von 423.000 Schweizer Franken für den Abbau überreden, auch Franzosen und Amerikaner erwarben Anteile an der Mine. Um seinen Investoren zu imponieren, kaufte Seidler das Schloss Ankenstein bei Pettau, das die „Reichsgräfin Arnim“ zu ihrer Residenz wählte.

In Graz entwickelte Seidler inzwischen eine emsige Werbetätigkeit für sein Unternehmen, hielt zahlreiche Vorträge und plante Großes: Mit der Stadtgemeinde und dem Fremdenverkehrsamt verhandelte er über die Errichtung eines Hotel-, Büro- und Laboratoriumsgebäudes am Jakominiplatz. Schließlich mietete er Büroräume im Haus Neutorgasse 50, später am Südtirolerplatz 9 an. Mit Inseraten suchte er Fachkräfte und Arbeiter für den Bergbau, die Bewerber standen Schlange vor dem Büro. In einem Schaufenster in der Radetzkystraße 15 ließ Seidler „Beryllmetall aus Köflach“ ausstellen. Im weststeirischen Bergbaurevier wurde eine Zubringerstraße errichtet, ein Transformator aufgestellt und eine Baracke gebaut. Manchmal war Seidler sogar selbst vor Ort, erzählt Werner Huemer in seinen „Zehn Bergbau-Anekdoten“, und streute aus Norwegen importierte Berylliumkristalle aus, die man am nächsten Morgen „gewann“. Ziel der großangelegten Betrugsaktion war, an das Geld von Aktionären und Investoren zu kommen. Doch das betrügerische Kartenhaus von Seidler & Co. begann bald zu wackeln. Denn am 14. April 1930 fand auf Antrag Seidlers eine Freifahrungsverhandlung des Revierbergamtes Graz statt, die die Voraussetzung für die Einleitung des Abbaus war. Von der Behörde bestellte Sachverständige der Technischen Hochschule Wien entnahmen Proben, deren Analysen „eine wirtschaftliche Nutzung des Vorkommens ausschlossen“, so Weiss. Aber auch die Schweizer Geldgeber waren inzwischen misstrauisch geworden, denn auf ihre Geldforderungen hin erzählte Seidler, dass er seine Mine an einen Engländer verkauft hätte. Und dieser - so ein Pech - sei beim Flug über den Ärmelkanal mit dem gesamten Bargeld abgestürzt. Umgehend kamen im August 1930 zwei Schweizer Vertrauensmänner nach Graz, um die Beryllium-Kompagnie A.G. zu überprüfen. Sie entdeckten schnell, dass das zweckgebundene Darlehen von 423.000 Franken nicht zum Betrieb des Berylliumabbaus auf dem Kreuzbergrücken verwendet worden war, sondern damit das Schloss Ankenstein gekauft wurde. Auch edle Perserteppiche und teure Büromöbel waren angeschafft worden. Natürlich entdeckten die Prüfer auch, dass die österreichischen Behörden Seidler den Abbau von Beryllium nicht genehmigt hatten. Daraufhin reiste „Dipl.Ing. Dr. Seidler“ im September unvermutet nach Paris ab und „Gräfin Arnim“ folgte ihm per Auto nach. Die Zürcher Polizei ersuchte Ende 1930 die Grazer Polizeidirektion, Seidler zu verhaften. Schließlich wurde der Betrüger in Paris festgenommen und im April 1931 an das Landgericht Zürich ausgeliefert. „Er legte ein Geständnis ab und gab sich in der Folge verwirrt“, vermerkt Weiss. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt, die falsche Gräfin Arnim soll in Amerika untergetaucht sein.



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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele