„Die Bosniaken kommen“ #
Das zweite Infanterieregiment der Bosniaken war ab 1894 in Graz stationiert. Im Ersten Weltkrieg führte es als Elitetruppe einen Dschihad, einen heiligen Krieg, für den Kaiser. #
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
Als 1878 der Berliner Kongress die osmanischen Provinzen Bosnien und Herzegowina unter die Verwaltung Österreich-Ungarns stellte, dachte wohl niemand, dass die Bosniaken wenige Jahre später schon zur Elitetruppe der k.u.k. Armee werden würden.
Das in Graz stationierte bosnisch-herzegowinische Infanterieregiment Nr. 2 war im Ersten Weltkrieg sogar das meist ausgezeichnete Regiment der österreichischen Armee. „Seine Soldaten bekamen insgesamt 42 Goldene, 590 Große Silberne, 1937 Kleine Silberne und 4300 Bronzene Tapferkeitsmedaillen“, berichtet Oberstleutnant Reinhard Stradner im „Truppendienst 6/2003“.
Vom Sultan zum Kaiser #
Zwischen 1463 und 1482 waren die Balkanländer Bosnien und Herzegowina Teil des Osmanischen Reiches geworden und eine große Zahl der slawischen Bevölkerung konvertierte zum Islam. 1875 führte ein Aufstand der Bosniaken zur Intervention Russlands, doch der Berliner Kongress von 1878 stellte Bosnien- Herzegowina gegen den Willen der Bevölkerung unter österreichische Verwaltung. Nominell blieb das Land aber unter Oberhoheit des Osmanischen Reiches und Österreich-Ungarn musste Zahlungen an die Hohe Pforte leisten.
Die Bosniaken kämpften verbissen gegen die kaiserlichen Truppen. „Der Kampf in den Straßen von Sarajewo soll besonders grässlich gewesen sein“, schreibt Stradner. Doch letztlich wurde das Land besetzt. Den steirischen Soldaten, die in Bosnien gefallen waren, wurde 1901 am „Radetzkyspitz“ in Graz (Ecke Radetzkystraße/Joanneumring) ein Obelisk als Denkmal gesetzt. Sofort nach der Besetzung wurden eine leistungsfähige Verwaltung und ein funktionierendes Schul- und Sanitätswesen eingerichtet, sodass sich das Land wirtschaftlich gut entwickelte. Nun versuchte Österreich, die alten muslimischen Eliten auf seine Seite zu ziehen. Dafür war schon 1874 der Islam in Österreich-Ungarn als Religionsgesellschaft anerkannt worden. 1908 kam es zur formellen Annexion Bosnien-Herzegowinas, die eine europäische Krise auslöste.
Doch zurück zu den Bosniaken in Graz: Von 1894 bis 1914 diente dem bosnisch-herzegowinischen Infanterieregiment Nr. 2 die alte Dominikanerkaserne in der Grenadiergasse als Unterkunft. Bis 1807 war dieser Bau ein Dominikanerkloster gewesen, das den Josephinischen Klosteraufhebungen zum Opfer gefallen war. Die Kaserne verfügte damals über das modernste Badehaus von Graz – vermutlich das heutige Bad zur Sonne. Der Wehrdienst dauerte durchgehend drei Jahre und weitere neun Jahre in der Reserve. Aber auch ein Freikaufen war möglich.
Populäre Regimentskapelle #
Da die Zweier-Bosniaken als besonders tapfere Kämpfer galten, wurden sie vor allem in schwierigen Situationen und als Ordnungsmacht bei Demonstrationen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt – was sie in Graz nicht sonderlich beliebt machte.
Sehr populär hingegen war die bosnische Regimentskapelle unter Eduard Wagnes und der Marsch „Die Bosniaken kommen“. In den Straßen von Graz sorgten sie in ihrer auffallenden Uniform für ein buntes Straßenbild. Der rote Fez und die lichtblauen Bundhosen verliehen ihnen ein orientalisches Aussehen. Im Kampfeinsatz trugen sie jedoch einen grauen Fez und graue Uniformen. Für die gläubigen Moslems unter ihnen gab es ein orientalisches Café in der Dominikanerkaserne, aber die meisten von ihnen dürften orthodoxe Serben aus der Gegend um Banja Luka gewesen sein, welche die zahlreichen Lokale in der auch damals schon sehr multikulturellen Murvorstadt frequentierten.
Die Zweier-Bosniaken waren neben dem Infanterieregiment Nr. 27 „König der Belgier“ das zweite Grazer Hausregiment – bis 1914. Im Ersten Weltkrieg spielten sie ihre wichtigste Rolle und waren vor allem von der karnischen Front bis zum Isonzo und im Karst eingesetzt. Ihr Kampf für den Kaiser wurde übrigens von den politischen und religiösen Vertretern der muslimischen Welt als Dschihad, als heiliger Krieg, genehmigt. Besonders die verlustreiche Erstürmung des strategisch wichtigen Monte Meletta-Fior am 7. Juni 1916 brachte ihnen viel Ruhm. Auf dem Soldatenfriedhof von Lebring – heute Bosniakenfriedhof – liegen 805 von ihnen begraben. Hier war im Ersten Weltkrieg ein Lazarett der Zweier-Bosniaken stationiert. Heute erinnern in Graz noch die „Zweierbosniakengasse“ in Straßgang und die „Bosniakerln“ (ein Kümmelgebäck) an die k.u.k. Elitetruppe.
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