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Eine französische Prinzessin im Grazer Exil #

Politische Kämpfe um den französischen Thron und ein amouröser Skandal führten Marie-Caroline Herzogin von Berry 1833 ins Exil nach Graz, wo sie im ersten Sack im Palais Herberstein 30 Jahre lang fürstlich residierte.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Porträt der Marie-Caroline Herzogin von Berry
Porträt der Marie-Caroline Herzogin von Berry aus dem Jahr 1825 von Sir Thomas Lawrence, Öl auf Leinwand.
© KK

Fast wäre sie Königin von Frankreich geworden. Doch das Schicksal meinte es anders mit Marie-Caroline Herzogin von Berry, der Tochter des Königs von Neapel, Schwiegertochter des Bourbonenkönigs Karl X. und Mutter des französischen Thronfolgers.

Nach der Ermordung ihres Mannes im Jahr 1820 begann für sie ein turbulentes Leben. Denn nach einem missglückten Versuch der Machtübernahme wurde sie von den Soldaten des „Bürgerkönigs“ Louis Philipp im April 1832 verhaftet. Mehrmals hatte man schon das Gebäude, in dem ein Spion sie gesehen haben wollte, durchsucht, bevor die feine Dame schließlich im offenen Kamin entdeckt wurde. Sofort wurde sie in eine Festung bei Bordeaux überstellt. Und dort kam es zum großen Skandal, der ganz Frankreich erheiterte.

Denn die Herzogin, die seit zwölf Jahren Witwe war, brachte im Gefängnis eine Tochter zur Welt. Damit war sie politisch erledigt.

Palais Herberstein
Palais Herberstein, Hof zum Schloßberg.
© LENHART

Die geheime Ehe#

Zwar behauptete sie, dass sie schon vor längerer Zeit mit dem neapolitanischen Grafen Ettore Lucchesi-Palli eine geheime Ehe geschlossen hätte – aber ihr Ruf war ruiniert und die Bourbonen endgültig vom Thron vertrieben.

Gemeinsam mit ihrem Ehemann ging sie ins österreichische Exil nach Venedig. Am 3. Oktober 1833 trafen sie in Leoben ein, um Weisungen des österreichischen Kaisers abzuwarten. Immer wieder schon hatte der Wiener Hof Mitgliedern regierender Häuser Aufenthalt in seinen Erbländern gewährt, wenn sie in ihrer Heimat in politischen Schwierigkeiten waren. Am 16. November bot dann der Kaiser der Herzogin Graz oder Brünn als künftigen Aufenthaltsort an.

Sie entschied sich für Graz und stieg vorerst mit der gesamten Familie im Gasthof zum Wilden Mann ab, bevor eine geeignete Unterkunft gefunden werden konnte, schrieb Fritz Posch 1958. Das war aber gar nicht so einfach. Denn größere, leer stehende Wohnungen waren damals in Graz eine Seltenheit.

Palais Herberstein
Palais Herberstein, Stiegenhaus im 2. Stock.
© LENHART

In der Beletage#

Schließlich fand die Herzogin von Berry 1834 nach längerem Suchen eine Wohnung im zweiten Stock – in der Beletage – des Palais Herberstein im ersten Sack (heute Sackstraße 16). Der größte Teil der Einrichtung sowie das Tafelservice und die Wäsche wurden vom Schloss Eggenberg beigestellt, die benötigten Betten vom Tandler Wiederkehr gegen eine monatliche Abnützungsgebühr gemietet. Dann wurde Personal eingestellt: ein Koch, ein Zimmermädchen, ein Hausknecht und ein Bediener, der servierte und die Aufräumarbeiten zu erledigen hatte. Der Lohnkutscher Domoratius vom Kasino musste täglich für sie einen besonderen Wagen zur Disposition bereithalten.

Schloss Brunnsee
Sommerresidenz Schloss Brunnsee.
© R. NEWMAN

Standesgemäßer Umbau#

Die straßenseitigen Räume ließ die Herzogin ihren Bedürfnissen entsprechend standesgemäß adaptieren und den nicht mehr zeitgemäßen üppigen Rokokodekor an Wänden und Decken abschlagen. Marie-Caroline entfaltete bald schon ein reges gesellschaftliches Leben, verbrachte ihre Tage mit ausgedehnten Spaziergängen nach Mariatrost, Mariagrün, Gösting oder Eggenberg. Jeden Montag gab es Empfänge „mit Gedeck“, in den Prunkräumen immer wieder Veranstaltungen des „adeligen Kasinos“ und ab 1850 auch Masken- und Gesellschaftsbälle.

Ab Oktober 1835 bewohnte die Familie auch den gesamten ersten Stock des Palais. Hier kamen im Laufe der Jahre drei Töchter und ein Sohn zur Welt. Für die heißen Sommer sah man sich aber bald schon nach einem standesgemäßen Landsitz um. 1837 erwarb Graf Lucchesi-Palli für 280.000 Gulden von Graf Wimpffen die Herrschaft Brunnsee bei Mureck, die die Herzogin zu einer Musterlandwirtschaft ausbaute.

Bei jeder Reise der adeligen Familie wurde spekuliert, dass die Herzogin ihre Apartments im Palais Herberstein kündigen wolle, doch erst nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1864 war es wirklich so weit. Die Winter verbrachte Marie-Caroline nun in Venedig, die Sommer in Brunnsee, wo sie am 16. April 1870 starb.

PALAIS HERBERSTEIN #

Das Palais in der Sackstraße 16 ist nach seinen letzten Besitzern – den Grafen von Herberstein – benannt. 1754 ließ Johann Leopold von Herberstein das Gebäude umbauen und nach dem Zeitgeschmack im Stil des Rokoko ausstatten. Heute ist es eines der besterhaltenen Beispiele adeliger Wohnkultur nach 1750 in Graz. Von 1834 bis 1864 wohnte hier die Herzogin von Berry, zwischen 1878 und 1885 mieteten sich das k. k. Landes- und Schwurgericht sowie das Landtafel- und Grundbuchamt ein. 1939/40 erwarb das Land Steiermark das Palais. 1941 wurden im Ostteil die Neue Galerie und im Westteil die Tanzschule Eichler untergebracht. Seit 1963 gehören beide zur Neuen Galerie. Im Mai 2011 eröffnet die Kulturhistorische Sammlung das Museum im Palais.



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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele