Die neue Sicht auf die Erde #
Der Fehringer Physiker Willi Nordberg (1930–1976) war Nasa-Direktor. Er lieferte auch die ersten Bilder der Erde aus dem Weltraum, die für zivile Zwecke genutzt wurden.#
Mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt von der Kleinen Zeitung (Sonntag, 8. November 2015)
Von
Robert Preis
Im Kino kämpft Matt Damon als „Marsianer“ derzeit ums Überleben. In Wirklichkeit ist die Weltraumforschung noch nicht so weit – schon gar nicht war sie es in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Aber es war ein Mann aus Fehring, der Physiker Willi Nordberg, der die Nasa einen gewaltigen Schritt weiterbrachte.
Sein Bruder Kurt Nordberg – heute 76 Jahre alt und Chemiker – beginnt Reden über seinen Bruder gerne so: „Willi Nordberg publizierte 1955 als Erster, dass mithilfe von Satelliten exakte Wettervorhersagen möglich sein müssten.“ Fünf Jahre später, am 1. April 1969, startete unter seiner Leitung der erste Wettersatellit – Tiros I. Wie wertvoll Nordbergs Projekte heute noch sind, zeigt die aktuelle Statistik:
Jedes Jahr werden allein in den USA sieben Hurrikans gemeldet, dazu 1000 Tornados, 5000 Fluten und schwere Gewitter. In Unwettern sterben jährlich 500 Menschen, 5000 werden schwer verletzt. Hinzu kommen Sachschäden in Höhe von 14 Milliarden Dollar – 400 private Wetterdiens- te mit 3000 Mitarbeitern greifen auf die Daten von 10.000 befestigten Beobachtungsstationen, 7000 Schiffen und 300 Wetterbojen zurück sowie auf die Daten von sechs in 36.000 Metern über dem Äquator positionierten Wetterstationen und von vier weiteren Satelliten in 850 Kilometer Höhe.
Vater von Google Maps #
Keine Frage, Wettervorhersagen sind heute lebenswichtig und hoch technologisiert. Doch als Willi Nordberg in den 50er-Jahren zur Nasa stieß, gab es das alles nicht. Für Wettervorhersagen den Weltraum zu nützen, das war nur eine Vision. Und gerade deshalb gilt der Fehringer heute als Vater der Erdbeobachtungs- und Wettersatelliten – gewissermaßen auch als Vater von Google Maps und Begründer der modernen Klimaforschung.
Es war die Nachkriegszeit, in der die USA weltweit ihre Fühler ausstreckten. Und Nordberg, der schon als 14-Jähriger wusste, dass er Physik studieren würde, war am richtigen Ort: an der Karl- Franzens-Universität in Graz. „Diese war damals Heimstatt großer Wissenschaftler“, so Kurt Nordberg heute. „Sechs Nobelpreisträger haben unmittelbar davor bzw. während der Studienzeit meines Bruders hier gewirkt. Da waren etwa Walter Rudolf Hess und Erwin Schrödinger.“ Und in Nordberg, einem damals 23-jährigen Physikstudenten, sollten die US-Scouts einen Pionier finden. Einen der größten seiner Zunft – und nebenbei erwähnt: ihren künftigen Boss.
1953 – ein Jahr nachdem er seine spätere Frau Trixi kennenlernte – wanderte Nordberg in die USA aus. Dass er später Direktor der Weltraumbehörde wurde (1974– 1976), hatte einen Grund. Zuerst beschäftigte er sich mit der oberen Atmosphäre (30 bis 90 Kilometer Höhe) und schuf damit die Voraussetzungen für die bemannte und unbemannte Raumfahrt, da die Bedingungen in diesen Höhen zu jener Zeit völlig unbekannt waren. Ab 1960 schickte er für das Goddard Space Flight Center der Nasa die ersten Satelliten ins All. Unter seiner Ägide arbeiteten weltweit rund 300 Wissenschaftler und ermöglichten erste Erkenntnisse über die Entstehung von Hurrikans und die Veränderung der Ozonschicht. Er ermöglichte bahnbrechende Erkenntnisse auf dem Gebiet der Geologie, Ozeanografie, Kartografie sowie der Land- und Forstwirtschaft.
Der Erfolg machte ihn begehrt. Er erhielt die wichtigsten Auszeichnungen, wurde hofiert von den bedeutendsten Persönlichkeiten seiner Zeit. US-Starjournalist Walter Cronkite und Raketenpionier Wernher von Braun gehörten ebenso dazu wie hochrangige Politiker.
Gerade sein Ableben ist jedoch geradezu als Zynismus des Schicksals zu werten: Der Vater der Wettersatelliten, der erste Mensch, der das Ozon untersuchte, bekam während eines Projektes auf der Insel Guam Hautkrebs. Gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen von einst starb Nordberg daran im Jahr 1976. Doch auch nach seinem Tod wurde der Oststeirer weltweit gewürdigt. Astronaut James Lovell meinte anlässlich des Nordberg- Symposiums 1987: „Wernher von Braun hat die Raketen hinaufgebracht, Willi Nordberg wusste, wie man sie nützlich macht – zum Wohle der Menschheit.“
Nordbergs Heimatgemeinde Fehring eröffnete ihm zu Ehren vor zwei Jahren ein Museum, in Graz-Andritz wurde eine Straße nach ihm benannt, und die höchsten internationalen Auszeichnungen tragen seinen Namen: Die Nasa vergibt jährlich den William Nordberg Memorial Award for Earth Science und die weltweit bedeutendste Weltraumorganisation Cospar verteilt die William Nordberg Medal im Zwei-Jahres-Rhythmus.
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