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Popper-Lynkeus, Josef#

eigentlich Josef Popper
Pseudonym: Lynkeus


* 21. 2. 1838, Kolin (heute: Kolín,Tschechische Republik)

† 21. 12. 1921, Wien


Sozialphilosophischer Schriftsteller, Techniker, Erfinder, Eisenbahnbeamter, Onkel des berühmten Wiener Philosophen Sir Karl Raimund Popper;


Josef Popper-Lynkeus
Josef Popper-Lynkeus. Foto
© Ch. Brandstätter Verlag, Wien, für AEIOU
Josef Popper wurde am 21. Februar 1838 in Kolin in Böhmen als Sohn jüdischer Eltern gebo­ren und wuchs im Ghetto auf. Bis zum Alter von 12 Jahren besuchte er die jüdische Schule des Ghettos und anschließend die christ­liche Kreishauptschule in Kolin sowie drei Jahre die Prager 'Deutsche Ober­realschule'.


Anschließend studierte er vier Jahre Mathematik, Physik und Technik am Prager deutschen Polytechni­kum, konnte aber zwei ihm angebotene Stellungen als Assistent nur ganz kurz wahrnehmen, da schon das Konkordat von 1855 (!!!) zwischen dem Kaisertum Österreich und der Katholischen Kirche die Anstellung jüdischer Wissenschaftler ausschloss .

Er schloss zwar zwei weitere Studienjahren am Wiener Polytechnikum an, gab dann aber den Traum von einer wissenschaftlichen Laufbahn auf und fand eine Anstellung bei der Staats­eisenbahngesellschaft.

Im Herbst 1861 wurde er vertretungsweise in den Banat geschickt, wo er nach kurzer Zeit an Malaria erkrankte. Bald darauf quittierte er den Eisenbahndienst und zog zurück zu seinen Eltern.

Nach erfolglosen Versuchen, sich als Privatlehrer durchzubringen, nahm er 1866 eine Hofmeister­stelle an - aus dieser Zeit stammt auch die Freundschaft mit Ernst Mach.

Josef Popper-Lynkeus, Rathauspark
Denkmal Rathauspark
© Rainer Lenius
1867 erfand er Einlagen für Dampfkessel, die ein Durchbrennen aufgrund von Ver­schmutzung und Kesselstein verhinderten, die Explosionsgefahr minder­ten und Brennstoff sparten. Nach anfänglichen Fehlschlägen ließen sie sich bald gut verkaufen, wobei er von seinem Bruder David unterstützt wurde.

Immerhin erlaubten ihm diese und ähnliche kommerziell verwertbare Erfin­dungen (ein Oberflächenkondensator, 1889 und ein Luftkühlapparat,1891) nebenbei eine verstärkte Beschäftigung mit der Wissenschaft.

So entstanden ne­ben vielen Arbeiten über mathematische und allge­mein physikalische Probleme Artikel und Broschüren über die Luftschifffahrt und Elektrotechnik. Schon 1862 hatte er die Idee der Fern­übertragung elektrischen Stroms.

Die schwere Arbeit bei der Installation seiner Einlagen ruinierte jedoch allmählich seine angegriffene Gesund­heit, so dass er 1897, im Alter von 59 Jahren, jede geschäftsmäßige techni­sche Beschäftigung aufgab.


Auf Ablehnung seitens der Wissenschaft einerseits und begeisterte Zustimmung vieler bürgerlicher Intellektueller andererseits stieß seine sozialreformerische Idee der allgemei­nen Nährpflicht: er forderte ein Existenzminimum für alle Bürger, das durch eine "Nährarmee" ("allgemeine Nährpflicht" anstelle der Wehrpflicht) gesichert werden sollte.


1918 entstand anlässlich seines überall im deutschsprachigen Raum beach­teten und gefeierten 80. Geburtstags ein Verein "Allgemeine Nährpflicht" zur Verbreitung und Einführung von Poppers wichtigstem sozialreformeri­schem Anliegen.


Erst gegen Ende seines Lebens brachte ihm seine wachsende Bekanntheit auch finanzielle Erträge, der Wiener Gemeinderat bewilligte ihm eine le­benslängliche Ehrenpension.


Josef Popper-Lynkeus starb am 22. Dezember 1921 und wurde in einem von der Israelitischen Kultusgemeinde Wiens bewilligten Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (isr. Abt. Gr.52A/1/20) bestattet.


Sein Denkmal von Hugo Tagalang nach einem Abguss von August Bodenstein steht im Rathauspark, und im 13. Wiener Bezirk ist ihm die Lynkeusgasse gewidmet.

Werke (Auswahl)#

  • Das Recht zu leben und die Pflicht zu sterben - Sozialphilosophische Betrachtungen, 1887
  • Die physikalischen Grundsätze der elektrischen Kraftübertragung, 1884
  • Phantasieen eines Realisten, 1899
  • Das Individuum und die Bewertung menschlicher Existenzen, 1910
  • Der Maschinen- und Vogelflug. Eine historisch-kritische flugtechnische Un­tersuchung, 1911
  • Allgemeine Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage - Eingehend bear­beitet und statistisch durchgerechnet - mit einem Nachweis der theoretischen und praktischen Wertlosigkeit der Wirtschaftslehre, 1912
  • Selbstbiographie. "Als Manuskript gedruckt", 1916

zahlreicheBeiträge in Sammelbänden, Zeitschriften und Zeitungen

Literatur#

  • F. Frankl, Nährpflicht und Pan-Europa, 1925
  • I. Belke, Die sozialreformerischen Ideen von J. Popper-Lynkeus, 1978
  • F. F. Brezina, Gesellschaft ohne Armut, 1996

Quellen#

Weiterführendes#



Redaktion: R. Lenius, I. Schinnerl



In der Volkswehrzeit von 1918-20 wurde die Idee Poppers von der "Nährpflicht" , allerdings nur teilweise, nämlich auschließlich im militärischen Bereich, durch Staatssekretär Dr. Julius Deutsch aufgegriffen. So waren etwa das südböhmische und das südmährische Bataillon reine Flüchtlingsbattaillone, die nicht zu Kampfzwecken, sondern um eine Hungersnot und Flüchtlings-Unruhen zu vermeiden, formiert wurden. Darüber hinaus verfügte die Volkswehr über eine sehr hohe Anzahl sogenannter "Relutanten", die keine Soldaten waren, sondern die Kasernen lediglich für die Einnahme des Mittagessens aufsuchten.

Details und genaue Verpflegslisten mit den ausgewiesenen Verpflegungsständen auch der Relutanten bei Glaubauf: Die Volkswehr und die Gründung der Republik, Wien 1993. Ein weiterer Teil der Bevölkerung wurde damals durch die hohe Kosten verursachenden Reste der Habsburgerarmee ernährt, die immerhin bis 1933 "liquidierte", also fünfzehn Jahre bis zu ihrer endgültigen Auflösung benötigte, was natürlich kein Zufall war. Auch die neue Mindestsicherung beruht auf dem Grundgedanken Poppers...

Auch der Generalmobilmachung der Schweizer Armee in den beiden Weltkriegen lag unter anderem Poppers "Nährpflicht" zugrunde. Die vorhandenen Lebensmittel konnten so besser verteilt werden, die Armee, die ja nicht im Kampfeinsatz stand, leistete ihrer der Landwirtschaft massive Hilfe, sodass Hungersnöte wie in der Donaumonarchie zwar nicht nur und ausschließlich, aber zu einem guten Teil auch dadurch verhindert werden konnten.

--Glaubauf Karl, Sonntag, 24. Oktober 2010, 16:10