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Samenbank für die Ewigkeit#

Wiesen und Almen sollen künftig weniger gefördert werden - gefährdete Pflanzenarten drohen zu verschwinden#


Von der Wiener Zeitung (Donnerstag, 7. November 2013) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Petra Tempfer


Österreich archiviert bedrohte Arten in britischer "Millennium Seed Bank".#

Dickwurzelige Löffelkraut und Becherglocke
Vom Aussterben bedroht: das Dickwurzelige Löffelkraut (l.) und die Becherglocke (r.), die man auf Wiesen und Grashalden findet.
© Alexander Mrkvicka (2), Waldhäusl

Wien. Bunten Blumenwiesen und Almen droht das Aus, warnen Naturschutzorganisationen wie BirdLife und WWF. Sollen doch diese künftig um bis zu 75 Prozent weniger gefördert werden als Intensiv-Ackerbau-Betriebe. Konkret geht es um die EU-Agrarförderungen für 2014 bis 2020.

Die vergangene Regierung hatte noch als Erfolg verbucht, dass deren Kürzung relativ gering gehalten werden konnte. Was viele nicht wussten: Statt einer einheitlichen Betriebsprämie für jeden Hektar bewirtschafteter Fläche soll ein differenziertes Modell kommen. Konkret bedeutet das, dass intensiv ackerbaulich genutzte Flächen mehr gefördert werden sollen als etwa mit der Sense gemähte Berghänge.

"Kommt die Betriebsprämie in dieser Form, bedeutet das für die letzten Blumenwiesen den Todesstoß", sagt der Ökologe und Träger des Österreichischen Naturschutzpreises, Georg Grabherr. "Hier wird der Teufel an die Wand gemalt", heißt es indes vom Bauernbund. "Das bedeutet ja nicht, dass alle trockenen Bergwiesen plötzlich in fette Ackerböden umgewandelt werden. Der Arbeitsaufwand auf diesen ist einfach ein geringerer, daher die geringere Förderung." Die Agrarförderung an sich werde zudem zu zwei Drittel für Umweltmaßnahmen wie Blühstreifen verwendet. Das Lebensministerium beruhigt. "Österreich hat sich stets für den Erhalt der Almbewirtschaftung eingesetzt und unterstützt diese", heißt es zur "Wiener Zeitung".

Unterirdischer Bunker#

Fakt ist allerdings, dass 40 Prozent der rund 3000 wild wachsenden Pflanzenarten in Österreich bereits gefährdet sind. "Und zwar aufgrund der intensiven Landwirtschaft", sagt Barbara Knickmann, Sammlungsleiterin im Botanischen Garten der Uni Wien. Extensive Bewirtschaftung wie die Beweidung sei indes wichtig - tut man das nicht, würden die Flächen verwalden und die Arten ebenfalls verschwinden. Um diese für die Ewigkeit zu erhalten, bestehe akuter Handlungsbedarf: Mithilfe von Samenbanken will man deren Bestand sichern.

Seit dem Vorjahr arbeitet der Botanische Garten mit der "Millennium Seed Bank" in Kew in England zusammen. In unterirdischen, atombombensicheren Bunkern sollen die Samen aller Pflanzen weltweit gesichert werden. Derzeit lagern hier die Samen von nahezu jeder Pflanzenart der britischen Inseln und von jeder zehnten Art weltweit.

"Müssen keimfähig bleiben"#

Auch Samen österreichischer Arten sind darunter, etwa 60 an der Zahl. Jährlich sollen nun um die 50 weitere Arten dazukommen. In Österreich selbst betreiben bereits seit Jahren die Boku in Wien sowie der Botanische Garten der Karl Franzens Universität Graz eine Samenbank. Damit wird man dem Auftrag der "Global Strategy for Plant Conservation" gerecht: Diese hat sich aufgrund der weltweiten Gefährdung der Pflanzenarten zum Ziel gesetzt, diese in Lebendsammlungen zu sichern.

Wie Pflanzen am besten archiviert werden, ist Grundlage laufender wissenschaftlicher Forschungen. Die Gratwanderung dabei: "Sie müssen lange lagern - und dabei keimfähig bleiben", sagt Knickmann. Grundsätzlich werde jeder Samen gereinigt, dann getrocknet und eingefroren. Sobald die Keimfähigkeit endet, müsse eine neue Pflanze gezogen respektive gesammelt werden.

Für 1,2 Prozent der einst heimischen Arten in Österreich ist es allerdings schon zu spät. Sie wurden ausgerottet, sind ausgestorben oder verschollen. 5,8 Prozent sind vom Aussterben bedroht, darunter das Dickwurzelige Löffelkraut, die Becherglocke und das steirische Federgras. Sie sind laut Knickmann an oberster Stelle der Liste jener Arten, die gesammelt und an die "Millennium Seed Bank" geschickt werden - um der Vergänglichkeit zu trotzen.

Wiener Zeitung, Donnerstag, 7. November 2013