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Der schwierige Sonnenaufgang#

Ohne Wärmewende bleibt die Energiewende zahnlos: Die EUWärmestrategie will daher den Klimaschutz forcieren. Das ehemalige Erfolgsrezept Solarwärme aber befindet sich in einer Schwächephase. #


Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: DIE FURCHE (Donnerstag, 10. März 2016)

Von

Martin Tauss


Sonne
Foto: Shutterstock

Der Übergang in ein postfossiles Zeitalter steht früher oder später, aber unweigerlich bevor. Diskutiert man über die Energiewende, ist damit oft nur der Stromverbrauch gemeint, der lediglich ein Fünftel des weltweiten Endenergieverbrauchs umfasst. Der Verkehr, schon gar die Wärmeversorgung bleiben ausgespart. Dabei macht Wärme rund die Hälfte des Endenergieverbrauchs aus. Die meisten Haushalte verbrauchen für die Beheizung des Gebäudes weitaus mehr Energie als für alle anderen Zwecke im Gebäude zusammen.

Sofern sie ihren Namen verdient, muss die Energiewende also zu einem guten Teil von einer Wärmewende getragen werden. Auf regenerative Energien zu setzen, bedeutet gelebten Klimaschutz, denn der CO2-Ausstoß bei der Verbrennung fossiler Energieträger wie Heizöl oder Erdgas wird dadurch reduziert. So gibt es in der EU das Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energieträger im Wärmesektor bis 2030 um 26 bis 35 Prozent anzuheben – ein netter Vorsatz, der bislang aber folgenlos blieb. Im Februar hat die Europäische Kommission nun eine Strategie vorgelegt, die dieses Ziel mit konkreten Maßnahmen in Verbindung bringen will, um die Wärme- und Kälteerzeugung nachhaltiger zu gestalten.

CO2-neutrale Energie #

Die Nutzung der Solarenergie verspricht hier theoretisch unerschöpfliches Potenzial: Die Sonne strahlt in drei Stunden so viel Energie auf die Erde, wie die gesamte Weltbevölkerung in einem Jahr verbraucht. Und sie ist die einzige CO2-neutrale Energie. Wie aber steht es um die aktuelle Entwicklung der Solarthermie? Und was steht dem „Sonnenaufgang für die Solarwärme“ noch im Weg? Diese Fragen wurden letzte Woche in Wien bei einer Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie (AEE NOW) diskutiert. Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der AEE NOW gaben sich die Pioniere der Solarbranche und die Vertreter der nächsten Generation ein Stelldichein, um die künftigen Herausforderungen dieses Ansatzes zu beleuchten.

EU-weit findet sich in Österreich derzeit die höchste Solaranlagen-Dichte. „Pro Jahr können dadurch 460.000 Tonnen CO2-Äquivalente vermieden werden“, bemerkte Klaus Mischensky, Geschäftsführer des Verbands Austria Solar, in dem alle namhaften Anbieter von thermischen Solaranlagen versammelt sind: „Durch den hohen Wirkungsgrad der Solarwärme-Kollektoren und die modernen Speichertechnologien spart eine durchschnittliche Anlage für ein Einfamilienhaus über eine Tonne CO2-Emissionen jährlich.“

Solarwärme-Kollektoren sind effizienter als Photovoltaik-Module vergleichbarer Größe: Während bei Photovoltaik nur maximal ein Fünftel der Sonnenstrahlung in Energie (Strom) umgewandelt werden kann, lässt sich diese bei der Solarthermie zu 80 Prozent in Wärme übersetzen. Sonnenhäuser mit Bauteilaktivierung erreichen mittlerweile bis zu 100 Prozent solare Deckung, und auch die Bierherstellung setzt beim Brauen bereits auf die Kraft der Sonne. „Dennoch findet die Energiewende noch nicht statt. Wir leiden, wenngleich auf hohem Niveau“, so Mischensky, der auf die rückläufige Entwicklung des stark subventionierten Marktes in Österreich verwies.

„Die Solarthermie ist noch weit weg von einer Marktsättigung, aber mit den Zuwachsraten geht es tendenziell nach unten“, bemerkte auch Werner Weiss, Geschäftsführer beim AEE-Institut für Nachhaltige Technologien (INTEC), einer außeruniversitären Forschungseinrichtung im steirischen Gleisdorf.

„Big Solar“ für Graz? #

Weiss empfiehlt den Blick nach Dänemark: Denn dieses Land liegt im europäischen Vergleich bei der Anzahl und Kapazität solarthermischer Großanlagen unangefochten an der Spitze – und das ohne jegliche staatliche Förderung, wie Weiss berichtete: „Das liegt auch daran, dass dort die Solarthermie mit Gas konkurrenzfähig ist und dass die dänischen Firmen schlüsselfertige Großanlagen liefern können.“

In Dänemark findet sich auch ein beispielhaftes Großprojekt: Seit letztem Jahr werden die Häuser der Kleinstadt Vojens von einem 70.000 Quadratmeter großen Solarpark samt Wärmespeicherbecken beheizt. Diese Idee soll nun auch südlich von Graz auf fruchtbaren Boden stoßen: „Big Solar“ heißt eine geplante Anlage, die vielleicht schon in vier Jahren als größter Solarpark der Welt realisiert werden könnte. In ihrer Maximalvariante mit 450.000 Quadratmetern könnte sie etwa so groß wie der Vatikan werden. Die vor allem im Sommer gewonnene Wärme kann in dem mit Folien isolierten und abgedeckten Becken für die Wintermonate gespeichert werden. Erwartet wird eine thermische Energie von 230 Gigawattstunden: Das würde dann etwa einem Fünftel des Grazer Fernwärmebedarfs entsprechen.

Kampf um die Kunden #

Viele Studien weisen darauf hin, dass es derzeit nicht machbar ist, die Erderwärmung ohne die Nutzung von Solarwärme zu stoppen. Das österreichische Klimaschutzziel von 49 Millionen Tonnen CO2-Emissionen für das Jahr 2020 wird laut aktuellen Prognosen um zwei Millionen Tonnen überschritten werden. „Über die Solarthermie kann hier mindestens eine Million Tonnen an CO2-Emissionen gespart werden“, ist Austria-Solar-Geschäftsführer Klaus Mischensky überzeugt.

Entscheidend aber ist wohl letztlich die Wettbewerbsfähigkeit der Solarwärme im Kampf um den Endverbraucher: „Bei solarthermischen Kleinanlagen scheint in Österreich eine Preisreduktion um 50 Prozent notwendig zu sein, um einen weiteren Marktrückgang zu verhindern“, bemerkte Werner Weiss von AEE-Intec. „Wenn wir uns nicht selbst am Schopf packen, könnte es kritisch werden für die Solarenergie.“

„Nachhaltig, aber bequem leben“ #

Solar-Kollektoren
Solar-Kollektoren. Aus Österreich kommen neue technologische Impulse für die Wärmeversorgung durch Sonnenenergie.
Foto: Shutterstock

Ein Solar-Kollektor aus Kunststoff als Lösung zur globalen Energieversorgung – das ist die Vision der Firma Sunlumo mit Hauptsitz im oberösterreichischen Perg. Ihr „Eine-Welt-Solar-Kollektor“ unterstützt die Warmwasseraufbereitung sowie Heizungsanlagen – und ist besonders ressourcenschonend: Da er aus polymeren Werkstoffen besteht, werden Metalle wie Kupfer und Aluminium eingespart, das Gewicht wird stark reduziert. Der Gestaltungsansatz zielt darauf ab, die Gestehungskosten im Vergleich zu marktüblichen Produkten maßgeblich zu senken.

Gerade für die Anwendung in Schwellen- und Entwicklungsländern wiege der Kostenvorteil den etwas geringeren Wirkungsgrad dieses Kollektor-Typs wieder auf, hieß es seitens der Jury für den Deutschen Staatspreis „Ecodesign“, mit dem das Produkt im letzten November prämiert worden war. Damit wurde dieser Preis erstmals an ein Solarwärme-Produkt vergeben. Die Firma, die nun auch an kostengünstigen Pumpengruppen für Solaranlagen forscht, ist heute in den USA, in Indien und China vertreten. „Die Kraft der Sonne zu nutzen, liegt als umwelt- und klimafreundliche Option der Wärmeversorgung auf der Hand“, sagte Sunlumo-Geschäftsführer Robert Buchinger kürzlich bei einer Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie (AAE) in Wien. „Dennoch stößt die Solarthermie noch auf wenig Interesse.“ Es scheint, als ob der Kunde am Ende vergessen wurde, glaubt Buchinger. Er ist überzeugt, dass es eines „Mehrwerts“ bedarf, das heißt mehr als nur Problemlösung: Das Produkt sollte auch mit Freude assoziiert sein. Die Grundstimmung der Benutzer heiße zwar „nachhaltig leben“, aber dies „möglichst bequem“. Daher seien smarte Solaranlagen mit „Lifestyle-Faktor“ gefragt – geprägt durch neue Formen, neues Design und neuartige Interaktionen mit dem Benutzer.

Smarte Solaranlagen#

Daran arbeitet auch Michael Ruthensteiner, Gründer des österreichischen IT-Start-ups ruvi: „Meist haben die Betreiber keine Möglichkeit zu kontrollieren, ob die Solaranlage am Dach überhaupt funktioniert.“ Das Unternehmen hat daher ein Produkt entwickelt, das es ermöglichen soll, den Betrieb zu überwachen und die Energieausbeute zu steigern. Dazu wurden Algorithmen etabliert, die den Status vermelden und bei Defekten Fehlerberichte versenden. Die Informationen sind dann via App auch auf dem Smartphone verfügbar.

DIE FURCHE, Donnerstag, 10. März 2016