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Broschüre für Schulen über österreichisches Deutsch#

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek setzt einen mutigen Schritt, der kontroversiell diskutiert werden wird.#


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Wiener Zeitung (Mittwoch, 4. Juni 2014)

Von

Robert Sedlaczek


Robert Sedlaczek
Robert Sedlaczek ist der Autor zahlreicher Bücher über die Sprache, zum Beispiel: "Das österreichische Deutsch".Robert Sedlaczek ist der Autor zahlreicher Bücher über die Sprache, zum Beispiel: "Das österreichische Deutsch".
© Wiener Zeitung

Das Thema wurde bisher von der Politik ignoriert, dabei sind sich die Wissenschafter schon seit langem einig: Die deutsche Sprache ist nicht aus einem Guss, es gibt verschiedene nationale Varietäten: das deutschländische Deutsch, das schweizerische Deutsch und eben das österreichische Deutsch. Mit anderen Worten: Die deutsche Sprache ist plurizentrisch - sie hat mehrere Zentren.

Was wäre die Alternative? Früher vertrat man die Meinung, dass es im deutschen Sprachraum nur ein Zentrum gibt, repräsentiert von den Deutschen, und die kleineren Länder an der Peripherie - Österreich und die Schweiz - müssen sprachlich nach deren Pfeife tanzen.

Wobei es hier um die Standardsprache geht, nicht um den Dialekt. Ein bekanntes Beispiel aus dem Bereich des österreichischen Standards ist das Wort "Marille". Es wird von uns auf der höchsten Sprachebene verwendet. In Deutschland sagt man hingegen "Aprikose". Ein weiteres Beispiel, das weniger bekannt ist: Das Wort "heuer" ist in Österreich ebenfalls standardsprachlich. In Deutschland wird es nicht verwendet, man hilft sich mit der Umschreibung "in diesem Jahr". Kann jemand dagegen sein, dass österreichische Schüler über solche Sprachunterschiede informiert werden? Dass österreichische Lehrer eine Broschüre bestellen können, die es ihnen ermöglicht, dies zu unterrichten?

Ja. Es wird Gegenwind geben. An den Biertischen wird es heißen: "Haben die keine anderen Sorgen?" Und in den Elfenbeintürmen werden einige sagen: "Das ist sinnlos - der Sprachwandel lässt sich nicht aufhalten." Irgendwann wird auch Fundamentalkritik zu hören sein: "Jeder staatliche Eingriff in die Sprache ist abzulehnen."

Die ersten medialen Kommentare sind bereits erschienen. In der "Kleinen Zeitung" wurde die Aktion zugunsten des österreichischen Deutsch süffisant kommentiert: "Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek lässt nun Sprachbroschüren ausgeben, mit deren Hilfe die von bundesdeutschem TV schwer piefkinesierte Schuljugend wieder austrifiziert werden soll. Schöne Idee." Nach Aufzählung einiger Beispiele geht es weniger süffisant, aber pessimistisch weiter: "Der Wandel des Österreichischen wird nicht aufzuhalten sein. Sprache ist ein wandernder Fluss, der sich stets ein neues Bett sucht. Das Aufschütten brüchiger Ufer hält ihn nur kurz in seinem Lauf. So viele Broschüren können wir gar nicht drucken."

Ich greife dieses Bild gerne auf. Flüsse werden bekanntlich reguliert. Würde die Donau heute so durch Wien fließen wie vor 150 Jahren, würde es Jahr für Jahr gewaltige Überschwemmungen in der Bundeshauptstadt geben. Und gerade jetzt errichtet man in der Wachau raffinierte Hochwasserschutzbauten, damit Orte wie Unterloiben vor Überflutungen bewahrt werden.

Aber von derartigen Eingriffen in die Sprache ist gar nicht die Rede. Die Broschüre - sie wurde von vielen Lehrern schon seit langem gefordert - verfolgt ein Ziel: Sie will aufklären. Dafür gebührt der verantwortlichen Ministerin Lob.

Wiener Zeitung, Mittwoch, 4. Juni 2014