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ÖSTERREICH - Was ist das? #

ÖSTERREICH – Was heißt das?#

Gedanken und Überlegungen#

Friedrich FRITZ

Inhaltsgliederung

1. Einleitung
2. Zitate und Betrachtungen
3. Wie nennen uns die anderen?
4. So hat es mit uns begonnen
5. Das Haus Österreich und sein Aufstieg
6. Es ist aus oder auch nicht?
7. Die österreichische Nation
8. Zum Leumund der Österreicher
9. Literaturliste

EINLEITUNG#

Es ist ein sehr trockenes Thema und allzu groß ist die Gefahr, in Versuchung zu geraten, eine Geschichtsstunde zu halten. Man könnte sich anderseits auch völlig in Sprüchen und Zitaten verlieren. Man könnte an das Thema in geographisch – strategisch – wirtschaftlicher Sicht oder in historisch – entwicklungsmäßiger Sicht herangehen oder wie es Gerhart Bruckmann in seinem Buch „Österreicher, wer bist Du?“ vorschlägt: nach gesellschaftlichen Normen wie Kinder, Jugend, Schule, Liebe, Ehe und Gesundheit, Glaube und Kirche und Zukunftsbewältigung. Auch aus der Sicht der Welt oder zumindest der Nachbarn wäre ein Überblick interessant. Eigentlich ist es nicht so sehr eine Frage der Literatur sondern des Herzens und es geht nicht darum, ein Ablaufdiagramm zeichnen zu wollen, sondern Durchblick zu zeigen. Es kommt dabei auch zur Beschädigung wenn nicht sogar Zerstörung liebgewordener Details sowie selbst erzeugter Klischees und man gewinnt den einen oder anderen Aspekt, der so nicht in den Lehrbüchern steht oder von den Massenmedien kommentiert wird wie etwa die Tatsache, dass Österreich (Austria) und Australien sehr wohl miteinander einmal etwas zu tun hatten.

ZITATE UND BETRACHTUNGEN #

„Es ist eine traurige, aber unbestreitbare Tatsache, dass die Welt dem Phänomen Österreich mit tiefer Unwissenheit gegenübersteht. Sie nimmt gerade noch zur Kenntnis, was in ein paar im Ausland verlegte Reisehandbücher an Falschem aussagen und damit gut!“ (Friedrich Herzmanovsky – Orlando: „Maskenspiel der Genien)

  • „Österreich ist eine Insel der Seligen!“(Papst Paul VI. zu Bundespräsident Franz Jonas in einer Audienz am 18.Novmber 1971)
  • „Österreich ist immer ein Jahr, eine Armee und eine Idee im Rückstand.“(Napoleon Bonaparte)
  • „Über Österreich lassen sich immer wieder wunderbare Essays schreiben, weil jeder, der etwas schreibt, auch etwas Zutreffenden sagt.“
  • „Österreich ist eine andere aber viel lustigere "Schweiz.“(Jörg Mauthe)
  • „Österreich ist ein Labyrinth, in dem sich aber jeder auskennt.“(Helmut Qualtinger)
  • „Ein Provisorium ist in Österreich etwas Endgültiges bis auf Widerruf.“(Gerhard Bronner)
  • „Österreich von heute ist kein gewachsenes sondern ein geformtes Gebilde.“ (Hannes Androsch)

WIE NENNEN UNS DIE ANDEREN?#

RAKOUSKA (tschechisch = Schilfland)

AUSTRIA, AWSTRIJA, OOSTENRIJK

AUTRICHE (aber auch AUTRI CHIENS als Beschimpfung während der Französischen Revolution) Oder: Autres Chiens (die anderen Hunde) Negative Bezeichnung am Hof des russischen Zaren aus Verärgerung über die angebliche österreichische Neutralität im Krimkrieg von 1853, die dann zu einer offenen Gegnerschaft führte

AL NEMSA (arabisch) steht in Zusammenhang mit dem russischen Wort für Deutsche (nemjezki = Stumme) Im Übrigen wird im Arabischen gar nicht zwischen Österreich und Deutschland unterschieden. Karl May lässt sich „Kara ben Nemsi“ nennen.

OPERENCIS (vulgärungarisch für OBERENNS, das heißt Oberösterreich. Man meinte damit so viel wie „hinter dem Mond“)

SO HAT ES MIT UNS BEGONNEN

Es ist problematisch, den Beginn bzw. Ursprung Österreichs exakt festzulegen. Die Geschichtsschreibung tendiert jetzt immer mehr dazu, ihn früher anzusetzen wie überhaupt genaue Anfänge und Gründungen sich erst in späterer Zeit feststellen lassen. Man könnte Österreich schon in der Spätantike zur Zeit des hl. Severin anfangen lassen (5.Jahrhundert) oder den Beginn in die Epoche der Kriegszüge der Franken gegen die Awaren zu Ende des 8.Jahrhundert verlegen, als 798 Wenia (Wien) erstmals genannt wird sowie das Omuntestorf (St. Martin) bei Klosterneuburg bzw. der Mons Kuomi (Wienerwald oder Kaumberg?)

Oder von der l.stettener Zollordnung (903/905) ausgehen beziehungsweise von einer staatlichen Ordnung nach 911, als von „custodes limitis Avarici“ die Rede ist, was ein Weiterleben auch nach der Katastrophe von Pressburg von 907 gegen die Ungarn bedeuten würde. Den Kern des österreichischen Gebiets hat es bereits bald nach 955 (Schlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg und Besiegung der Magyaren) gegeben, denn es existiert bereits 976 eine Mark, die dem Babenberger Markgrafen Leopold I. übergeben wurde, nachdem sie seinem Vorgänger Burchard wegen Illoyalität bzw. Empörung gegenüber seinem kaiserlichen Oberherrn abgenommen worden war. Sie wird orientalis marchia (besser östliche Mark und nicht Ostmark) genannt. 976 wäre dann also das eigentliche Gründungs – und Jubiläumsjahr nach der Meinung vieler Historiker; anderseits ist es aber nur ein „babenbergisches Jubiläum“.

Der 1.November 996 gilt als der Tag der ersten urkundlichen Nennung Österreichs in der so genannten „OSTARRICHI – Urkunde“ doch wir werden sehen, dass das auch nicht so exakt ist. Der Inhalt dieses für uns so bedeutungsvollen Dokuments ist ein höchst prosaischer; OSTARRICHI wird darin übrigens nur in einem Nebensatz, fast zufällig als nähere Ortsbestimmung erwähnt. Otto III. schenkt dem Bischof Gottschalk von Freising 30 Königshuben (das sind rund 1000 Hektar Grund) „einige uns gehörige Besitzungen in der Gegend, die in der Volkssprache OSTARRICHI heißt und die in der Mark und Grafschaft des Grafen Heinrich, des Sohnes des Markgrafen Luitpald in Neuhofen liegt.“



Die Wissenschaft ist sich darüber im Klaren, dass dieser Name schon länger in Gebrauch gewesen sein muss. Die Urkunde ist in Bruchsal ausgestellt worden, war aber ein so genanntes „Blankett“ (das heißt ohne Unterschrift). Das muss keine Fälschung sein, sondern das kam damals häufig vor. Tatsächlich bestätigte erst der Nachfolger Ottos III., Heinrich II. (der Heilige und letzte Sachsenkaiser) im Jahre 1002 diese Urkunde. Also hätte man 1946 gar kein Jubiläum sondern dieses erst 1952 bzw. 2002 feiern dürfen. So betonte auch Alphons Lhotsky bei der Festsitzung der Akademie der Wissenschaften am 21.Oktober 1946: „Es ist zwar weder die Geburtsurkunde unseres Staates noch die seiner Namensgebung. Als ältestes Zeugnis des Namens Österreich ein für unsere Geschichte hoch interessantes und daher mit Recht gefeiertes Denkmal!“

Dieser ersten Nennung in der Volkssprache folgen andere Bezeichnungen wie „Osterlant“,(„Osterliute“ für die Bewohner) „Osterriche“ aber auch lateinische wie plaga orientalis, oriens, regio orientalis, partes orientales, orientalis provincia, orientalis marchia und terra australis (dazu werden wir uns später noch einmal etwas ausführlicher äußern müssen!) und erstmals 1147 „AUSTRIA“ (übrigens in einer Urkunde, die sich im Stift Klosterneuburg befindet). Dass sich dann in der Folge die Bezeichnung „Australes“ in den lateinischen Quellen für die Bewohner dieses Landes findet, ist nur logisch.

Wieso kommt man überhaupt zu dieser Bezeichnung? Um die Mitte des 12. Jahrhunderts sind die Babenberger bereits mächtige Herren, die auch in die hohe Politik eingreifen (z.B. Leopold III.) und die mit den byzantinischen Kaisern in Beziehungen treten (politische Verhandlungen, Heiraten). Hier muss unbedingt eine vornehm klingende lateinische Bezeichnung herhalten. Für Byzanz ist Österreich übrigens der östliche Teil des Westens! Dazu muss als Ergänzung/Erklärung gesagt werden, dass die Frankenkönige (sowohl die Merowinger im 6. und 7. Jahrhundert als auch die Karolinger im 9.Jahrhundert) bei ihren Reichsteilungen jeweils den östlichen Teil Austrasien oder Austrien genannt haben. Korrekterweise bedeutet aber „Auster“ im Lateinischen „Süden“. Man muss sich diesen (folgenschweren) Widerspruch so erklären, dass man der Einfachheit halber Südosten gemeint hat. Auch die Umlautung „Austr“ in „Ostar“ ist eine plausible Möglichkeit.

Der wahrscheinlich in unserer Heimatstadt möglicherweise aber auch noch in Tulln als Sohn Leopolds III. geborene Otto (später Bischof von Freising + 1158) nennt sein Heimatland ganz gelehrt im Sinne seiner in Paris erworbenen klassischen Bildung überhaupt nur „Pannonia superior“. In einem ganz anderen Zusammenhang, als es auf seine Abstammung (=natio) geht, bezeichnet er sich keineswegs als Deutscher oder Österreicher sondern als „homo christianus“ , aber die Menschen maßen damals der Herkunft oder dem Geburtsort wesentlich weniger bzw. gar keine Bedeutung zu.

Kurz zurück zu dem bereits zu Beginn erwähnten Umstand. Die Begriffe decken sich nicht. Jenes „Ostarrichi“ von 976 bzw. 996 oder 1002 darf man sich keineswegs als Staatswesen in unserem Sinne vorstellen, sondern diese Markgrafschaft besaß fließende Grenzen, die sich stetig bis an die Flussgrenzen March, Leitha und Thaya vorschoben.

Dieses Gebilde umfasste ein Bündel von Rechten und Herrschaftsaufgaben aber auch Personen (Amt/Aufgaben: militärisch, richterlich, Verwaltung) und Besitz: Eigengut. Das Staatswesen änderte bzw. zentralisierte sich in lange andauernden Schritten:

  • Mitte 16. Jahrhundert: Karl V. und Ferdinand I.
  • Mitte 18. Jahrhundert: Maria Theresia (ab 1749)
  • Mitte 19.Jahrhundert: Verfassung von 1861

Der Staat entstand nicht von oben sondern von unten herauf aus kleinen Einheiten. Dazu Hinweis auf das bzw. die österreichischen Wappen. Ursprünglich war es der schwarze einköpfige Reichsadler in Gold. Unterschied zwischen Amtswappen und persönlichem Wappen (letztere tauchen erst viel später auf). Beim Flaggenzwischenfall von Akkon 1191 ließ der englische König Richard Löwenherz also nicht eine rotweißrote Flagge sondern den schwarzgoldenen Reichsadler herunter reißen. Die Sage mit dem rotweißroten Bindenschild in Zusammenhang mit Akkon und Leopold V. (blutroter Waffenrock mit breitem Streifen in Weiß als Zeichen der besonderen Tapferkeit und Tausch von Schwarzgelb gegen Rotweißrot) ist historisch nicht erwiesen, hält sich aber hartnäckig in den Lehrbüchern. Schuld daran ist wieder einmal Klosterneuburg! (Szene auf dem Babenbergerstammbaum).

Rotweißrot ist nachweislich erst unter Friedrich II. ab 1230 verwendet worden. (Diskussion, ob dieses Wappen von den Herren von Poigen bzw. von den Babenbergern als selbst entwickeltes Familienwappen entstanden sei). Auch die Babenberger – Nachfolger wie Przemysl Ottokar II. aber auch die Habsburger verwendeten es als Landes – bzw. Territorialwappen für Österreich. Seit 1919 ist es auf Antrag des Abgeordneten Wilhelm Miklas (später Bundespräsident) das Symbol der Republik Österreich.

Schweifen wir kurz zu einem Nebenthema ab und zwar zu den Wappen von Alt – und Neu – Österreich. Unter Rudolf IV. entsteht das „Fünfadler-Wappen“ (Muster ist ein Stück Stoff im Stift Klosterneuburg, das als Rock/Mantel des hl. Leopold galt. Unter Maximilian I. wird (fehlerhaft) Rot–weiß–Rot als Neu-, das Fünfadlerwappen als Alt–Österreich bezeichnet. Heute ist es das niederösterreichische Landeswappen.

DAS HAUS ÖSTERREICH UND SEIN AUFSTIEG#

Es gibt kein Herrschergeschlecht in Europa, das eine solch eigenartig hohe, ja umfassend mystische Staatsauffassung besaß wie die Habsburger, gepaart mit einem bis ins Fantastisch–Irreale reichenden Sendungsbewusstsein (AEIOU, aber auch Abstammung von den Römern oder gar den Trojanern). So ist es auch zu sehen, dass sie sich nichts dabei dachten, sich in der Urkundenreihe des Privilegium majus von 1358/59 auf Urkunden von Julius Caesar und Kaiser Nero zu berufen). Die Habsburger prägten im 14. Jahrhundert den Begriff „HAUS ÖSTERREICH“; gleichzeitig domus, später dominium und noch später casa. Haus im Sinne von Sippe, Geschlecht und Herrschaft. Sie verstanden darunter den Komplex der ganzen österreichischen Länder (Nieder– und Oberösterreich, Steiermark, Kärnten und Tirol) und die landesfürstliche Familie (Selbstverständnis, Verständnis, Verwirrung). Diese Ideologie wurde im 15. und 16. Jahrhundert noch verstärkt. Haus Österreich bzw. Österreich war namensgebend und prägend; eine solche summarische Bezeichnung erwies sich als umso nötiger, als es niemals gelungen war, diesen Länderkomplex in einer übergeordneten Hierarchiestruktur zusammenzufassen. Es handelt sich nach A. Lhotsky um eine „subsidiäre Staatsbezeichnung“.

Dabei hätte das Privilegium minus von 1156, das Österreich zu einem Herzogtum erhob und der Plan Friedrichs II. von 1245 ein Königtum Österreich zu schaffen, Ansatz und Möglichkeit geboten. Es gab für 1245 schon eine eigene Urkunde. Weitere Versuche fanden unter Maximilian I. 1516 und noch einmal 1531 unter Ferdinand I. statt. Der Versuch von 1245 scheiterte an einem Heiratsprojekt (Gertrud, Nichte Friedrichs II. (des Streitbaren), hätte den Kaiser Friedrich II. heiraten sollen), jener von 1516 und 1531 an den politischen Umsetzungsmöglichkeiten, weil sich die Reichsfürsten und der Papst querlegten, 1531 zusätzlich noch an der Reformation. Die Frage ist müßig, wie sich vielleicht dann das Schicksal Österreichs gestaltet haben könnte. Böhmen z.B. war schon seit dem 12.Jahrhundert Königreich und Teil des Heiligen Römischen Reiches, Ungarn ebenfalls Königreich; der Herrscher von Österreich ein gewöhnlicher Erzherzog.

Als Beispiel für diesen umfassenden Österreich–Begriff heißt es in einer Urkunde Friedrichs III. von 1454: „das landtgericht unseres haus Österreich in Elsaß“ (Elsaß war damals österreichisch bzw. durch die Teilung der Habsburger vorderösterreichisch)

Der Name HABSBURG wird selten genannt; die Gründe dafür: die Habsburg war eine kleine unbedeutende Burg, Habichtsburg (in der Semantik so viel wie Krähennest). Dazu war der Stammsitz schon zu Beginn des 15. Jahrhundert endgültig an die Eidgenossen verloren gegangen. Man fasste das als Spott und Verhöhnung auf, mit diesem Namen und nicht mit Österreich angesprochen zu werden. Herzog Ernst der Eiserne (Vater Friedrichs III.) wurde von Kaiser Sigismund spöttisch begrüßt: „Seyd willkommen, Herr von Habsburg!“ worauf der Österreicher schlau und schlagfertig erwiderte:“ Dank Euch, Herr von Lützelburg!“ (spätmittelhochdeutsche Bezeichnung für Luxemburg, lützel = klein z.B. little im Englischen)

Das Haus Österreich stand seit dem frühen 14. Jahrhundert in heftigem Wettstreit mit den Häusern Wittelsbach (Bayern), Luxemburg (Böhmen und Ungarn) und nicht zuletzt mit den Eidgenossen. Im Prinzip setzte sich Österreich gegenüber den Wittelsbachern und Luxemburgern durch (die sie beerbten), nicht aber gegen die Eidgenossen, an welche fast alle Territorien, allerdings sehr stark im Streubesitz, verloren gingen. Gemessen an der Geschichtstradition hat kein Staat Europas eine solche lang dauernde und konsequente Anti–Österreich–Haltung wie die Schweiz. Der Gegner/Feind Österreich ist für die Eidgenossen ein wesentlicher Teil ihrer Staatsgründung und historischen Selbstverständnisses. Das reicht bis heute in die Kindergartentradition hinein. So schildert Friedrich Dürrenmatt einmal: „Den ganzen Vormittag hatte ich im Vorgarten mit meinem Holzschwert jede Menge imaginärer Österreicher erschlagen…“

Machen wir nun einen gewaltigen Schritt vom „Haus Österreich“ bzw. „Domus Austriaca“ in eine weltweite Dimension. Dies geschah durch die Heiratspolitik der Habsburger, auch wenn das berühmte Zitat „bella gerant alii, tu felix Austria nube“ nicht immer gestimmt hat, denn die Habsburger haben nicht nur geheiratet sondern auch geerbt aber durchaus auch Eroberungskriege geführt, wofür es Beispiele gibt, wie man im Folgenden sehen kann. Bis 1918 gehörte der Gardasee zu Österreich oder das Gebiet von Cortina d´ Ampezzo. Das wurde nicht erheiratet oder ererbt, sondern den Venezianern von Maximilian I. im Kampf abgenommen.

Heiraten mit ausländischen, für österreichische Verhältnisse exotischen Fürstenfamilien hat es schon öfters gegeben. So verheiratete sich Ernst der Eiserne mit Kunigunde von Masowien, die am liebsten mit der flachen Hand große Nägel in die Steinwände schlug oder voll beladene Wägen zog - oder Friedrich III. heiratete gar eine Eleonore von Portugal, aber noch nie war eine Ehe so folgenschwer und entscheidend wie jene von 1477 zwischen Maximilian und Maria von Burgund. In den schweren Auseinandersetzungen mit Frankreich lernte der junge Maximilian „strategisch“ denken und seinen Blick in die Weite zu richten. Vielfach wird übersehen, dass Maximilian etwas von der Fantasie seiner Mutter, der lusitanischen Fürstentochter angenommen und eine geistige Öffnung für den europäischen Südwesten bekommen haben könnte. Kein Wunder, dass dann die Feindschaft Frankreichs mit Österreich eine gewaltige Dimension annahm und mit relativ kurzen Unterbrechungen lange andauerte. 1495 schließt Maximilian ein Bündnis mit Spanien und verheiratet seinen Sohn Philipp (mit dem Beinamen der „Schöne“) mit Johanna, der Tochter Ferdinands von Aragon und Isabella von Kastilien (Johanna die „Wahnsinnige“) und von 1505 bis 1506 ist Philipp damit der erste Habsburger oder besser vom Haus Österreich König von Spanien, wobei Spanien an sich keine korrekte Bezeichnung ist (Aragon, Kastilien und Andalusien). Umso besser ist der Überbegriff „Casa d'Austria“, der auch alle anderen Territorien umfasst.

Die „Casa d'Austria“ beherrscht unter dem Nachfolger Philipps, Karl V. jenes Weltreich, in dem „die Sonne nicht unterging“. Der Name der Casa d'Austria lag über dem Kontinent Amerika (Mittel– und Südamerika), aber er war auch auf allen anderen Erdteilen vertreten. Was konnte damals Frankreich oder England dagegen stellen? Auf diesem Namen liegt aber auch die Last der Zerstörung von Kulturen wie Mexiko und Peru und die weitgehende Auslöschung indianischer Lebensformen; ebenso auch die ursprünglich als human gedachte Maßnahme des Mönches Las Casas, den Indios zu helfen, indem man Afrikaner für die Arbeiten in den Bergwerken heranführte. So ist auch zu verstehen, dass einer der Söhne Karls V. Don Juan d'Austria heißt, der 1571 in der Seeschlacht von Lepanto die Osmanen schlägt.

Unter der Casa d'Austria wurden aber nicht nur Länder unterworfen, sondern auch Entdeckungsreisen unternommen, wobei sich Handel, Entdeckung und Eroberung nicht so leicht voneinander trennen lassen. So wandte man sich auch weit nach Osten und so entdeckte 1606 der Portugiese in spanischen Diensten (Spanien und Portugal waren damals in Personalunion miteinander verbunden) Pedro Fernandez Quiros(1565 – 1615) zusammen mit Luiz Vaez de Torres das Great Barrier-Riff (Torres–Strasse) und den dahinter liegenden Kontinent. Es gibt genaue Aufzeichnungen und Briefe darüber und Quiroz nannte dieses Land „Austr(i)alia del Spirito Santo“ zu Ehren seines Souveräns von der Casa d'Austria.

Die Verwechslung Austria und Australia hat hier eine ihrer historischen Wurzeln. Die spanischen Entdecker setzten ihre Entdeckungen fort und nannten die nächste große Inselgruppe zu Ehren ihres Königs Philipps III. Philippen. Zum Unterschied davon geriet aber Australia wieder in Vergessenheit; auch nachdem später ein Holländer namens Jansson diese Entdeckung gemacht hatte. Das Schwinden des Interesses seitens der Spanier wird in der Literatur mit der Tatsache erklärt, dass man auf Australia kein Gold gefunden hatte und dass die spanische Weltmacht zur See langsam ihren Einfluss verlor. Wie auch sonst beerbten die Engländer die Spanier und so entdeckte 170 Jahre später James Cook (1771) das Land noch einmal. Ohne die spanische Tradition zu kennen, gab er den Namen Australia nach einer legendenhaften antiken „Terra Australis“ wobei hier Auster/ Austra eindeutig Süden bedeutet.

Die Querverbindung Austria–Australien wird in der angelsächsischen Welt totgeschwiegen. Zu mächtig ist die Weltmeinung. Lediglich ein 1929 in Melbourne erschienenes Werk vertritt diese Auffassung und zwar gestützt auf Studien in Portugal und Spanien:

„The Name of Australia, its origine and early use“ von August Lodewyckx. (Schwerpunkt auf early use)

Fast gleichzeitig (1932) hat ein Österreicher, Eugen Oberhummer, “Austria – Australia” eine ebenso auf Quellen gestützte seriöse Darstellung veröffentlicht. Tief ins österreichische Bewusstsein dürften diese Erkenntnisse aber nicht gedrungen sein. Ich selbst habe davon nur quasi nebenbei in einer kleinen Spezialvorlesung erfahren und erst kürzlich wurde in der „Millionenshow“ die Frage nach dem Ursprungsnamen gestellt und in Richtung mythische antike Bezeichnung und Entdeckung durch James Cook beantwortet.

Casa d'Austria und das Haus Österreich trennten sich verwaltungsmäßig 1556, blieben aber durch Wechselheiraten und eine weitgehend gemeinsame Politik im Prinzip ein Haus bis zum Aussterben der spanischen Linie 1700. Bereits 1521 hatte aber der Weltenherrscher Karl V. seinem Bruder Ferdinand I. die „deutschen Lande“ (mit der möglichen Anwartschaft auf die Königreiche Böhmen und Ungarn auf der Basis des noch unter Maximilian I. 1515 geschlossenen Erbvertrags auf Wechselseitigkeit) übertragen. Der Erbfall trat bekanntlich bereits 1526 (Schlacht bei Mohacs und Tod Ludwigs II. von Böhmen und Ungarn mit der Einschränkung, dass von Ungarn nur mehr ein ganz kleiner Streifen übrig blieb) ein.

Ferdinand I. sah sich in einer recht eigenartigen Stellung und man begreift das, wenn man vor der großen Inschrift auf dem Schweizer Tor (1542) steht. Da ist er König des Heiligen Römischen Reiches (Karl V. war bis 1556 Kaiser), König von Böhmen und Ungarn, Herzog von Burgund und im „Nebenberuf“ bloß Erzherzog von Österreich und gleichwertig mit dem spanischen Infantentitel. Aber, wie bereits erwähnt, war es Karl V. nicht möglich gewesen, Österreich zu einem Königtum zu erheben.

Der Begriff „Haus Österreich“ blieb und erstreckte sich als Übergeordnetes über alle Nationen als Staatsganzes. Beweis dafür ist auch, dass die Habsburger bis 1918 gar keine Staatsbürger waren, sondern außerhalb des Staatsverbandes (Gerichte und Instanzen) durch das Familienstatut lebten. Erst die Republik sprach dann immer von Habsburg–Lothringen. (Nur als Einschub: Weiß jemand, wie die Könige von Frankreich sich nannten? Nicht Valois, Bourbon oder de France sondern Capet (= Kapetinger)! Marie Antoinette wurde bei ihrem Gerichtsverfahren 1793 und auch in der Presse nur als "veuve Capet" bezeichnet. Die Südtiroler Bauern pflegten noch im 20.Jahrhundert vom „Haus Österreich“ zu sprechen, wobei sie nur den österreichischen Staat (auch dann die Republik) meinten.

Kompliziert wurde alles durch die Tatsache, dass das Haus Österreich (von 1437 bis 1740 und wieder von 1745-1806) auch als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation fungierte. Zum Unterschied von diesem „Imperium“ wurde der Begriff „Monarchia Austriaca“ verwendet. Staatsrechtlich sagte man, „Österreich ist dem Reich nahe verwandt“ und der Staatsrechtler Samuel von Pufendorf verstieg sich 1620 sogar zu der Behauptung von einer „Translatio imperii in Austriam“ (Übergang des Reiches an Österreich), mit einem Wort: eine totale „Verösterreicherung“ des Heiligen Römischen Reiches.

Selbstverständlich gab es den Reichstag und die Reichsbehörden wie das Reichskammergericht (wo ein gewisser Herr Goethe eine Zeitlang wirkte, von dessen Arbeiten sich aber keine Spur findet) und in der Hofburg sogar eine Reichskanzlei, aber das politisch–militärische Gewicht lag eindeutig bei der nach dem 17.Jht erstarkten Monarchia Austriaca.

Das Reich spielte nur mehr eine ideologische Staffage. Dass infolge des Fehlens eines männlichen Erbens die Lage trotz allem problematisch werden konnte, hat Kaiser Karl VI. sehr rasch erkannt. Mit der „Pragmatischen Sanktion“ von 1713 wurde die Unteilbarkeit des Hauses Österreich kodifiziert und damit international anerkannt. (dass sich Preußen und Bayern sowie Frankreich dann nicht daran hielten, ist eine andere Sache). Wie sehr die Monarchia Austriaca als Staatsverband galt und mit dem Heiligen Römischen Reich in einen Topf geworfen wurde, sieht man in der internationalen Briefkorrespondenz (freilich nicht in den diplomatischen offiziellen Noten, wo es ganz korrekt zuging). Da ist immer wieder von den „Österreichern“ die Rede, wenn man das Reich meinte (so etwa in den Briefen am Zarenhof) und Madame Pompadour, die Mätresse Ludwigs XV., die sich auch mit Politik beschäftigte und am französischen Hof Sympathien für Österreich zeigte, schreibt vom „österreichischen Kaiserpaar“ bzw. von der „österreichischen Kaiserin Maria Theresia“. Obwohl es bekanntlich erst ab 1804 ein „Kaisertum Österreich“ gab, war dieser Begriff schon recht flott in Europa unterwegs. Wie bereits erwähnt, setzten Maria Theresia und erst recht Josef II. im Zuge der vielen Reformen in der Praxis den Begriff Herrschaft durch Verwaltung („Staatsdiener“)

Das Kaisertum Österreich von 1804 und der auf dem Wiener Kongress von 1814/15 geschaffene „Deutsche Bund“ stellten im Prinzip keine wirklichen Neuerungen dar, denn die Dominanz Österreichs und eine Gesamtverantwortung für Deutschland blieben, auch wenn der Widerspruch Preußens immer stärker wurde. Österreich sprach für bzw. im Namen Deutschlands und nur so ist der noch aus den napoleonischen Kriegen stammende Aufruf zu verstehen: „Unsere Sache ist die Sache Deutschlands! Mit Österreich war Deutschland selbstständig und glücklich und nur durch Österreich kann Deutschland wieder beides werden!“

Oder von wem stammt der folgende Ausspruch: „Wir gestatten niemandem mehr deutsch zu sein als uns!“ (Feldmarschall Radetzky in einer schriftlichen Antwort an preußische Offiziere auf eine etwas von oben herab gehaltene Glückwunschadresse von 1848). Und auf dem Frankfurter Fürstentag von 1863 sagte der sonst so zurückhaltende Kaiser Franz Joseph in erheblicher Lautstärke: „Ich bin ein deutscher Fürst!“

Auf dem ein Jahr später eingeweihten Denkmal des Erzherzogs Karl auf dem Heldenplatz steht der bemerkenswerte Satz:

„Dem beharrlichen Kämpfer für Deutschlands Ehre“

Zwei Jahre später (1866, nach der Schlacht bei Königgrätz) war es damit vorbei. Österreich verlor nicht nur seine Führungsmacht in Deutschland sondern langsam und desto unaufhaltsamer seine außenpolitische Selbstständigkeit (Abschluss des Zweibundes mit dem Deutschen Kaiserreich und später mit dem Königreich Italien)

So ist es auch zu verstehen, dass der Lehrer des Thronfolgers Franz Ferdinand, Graf Degenfeld, seinem Schüler dringend rät: „Nach 1866 musste der deutsche Charakter Österreichs vollständig aufhören. Unser Reich konnte nur mehr österreichisch und nicht mehr deutsch sein!“

Österreich wurde auf den Balkan und in die Gegnerschaft mit Russland abgedrängt; der österreichisch–ungarische Ausgleich von 1867 schwächte die Stellung Österreichs nach innen und außen. Das aus heutiger Sicht so bemühte Lavieren und Ausgleichen entstand erst in jener Zeit, weil man mit Initiative oder Gewalt nichts mehr weiterbringen konnte. Der „Gelernte Österreicher“ von 1867 bis 1918 war keine nationale Kennzeichnung sondern vielleicht ein Zustand, jedenfalls aber die Fähigkeit, die anderen Nationen zu beruhigen und dazu zu bringen, dass wenigstens etwas weitergeht. Nicht zu Unrecht heißt es, dass die Fähigkeiten der Österreicher, nicht so sehr auf dem Sektor der direkten Diplomatie, sondern auf relativ untergeordneten Ebenen im Rahmen der UNO eine Zusammenarbeit zu ermöglichen und Frieden zu stiften, geschätzt werden. Das Mit– und Gegeneinander der Nationalitäten bestimmte in geringerem Masse seit Beginn und in stärkerem Masse seit der Mitte des 19. Jahhunderts das gesamte staatliche Leben. Der Spott der Preußen und das Unverständnis der Mächte (GB, F, USA) gegenüber dem Österreichischen bilden eine historische Konstante.

ES IST AUS! ODER AUCH NICHT#

Ein Staatsrechtler hat den Zerfall der Donaumonarchie als „Dismembration“ (Auflösung der Glieder) bezeichnet. Bei den Friedensverhandlungen von Saint Germain soll der Ausspruch des französischen Ministerpräsidenten Clemenceau gefallen sein: „Der Rest ist Österreich!“ Das wäre das Komplementäre zur Dismembration. Manche Historiker vertraten die Auffassung, 1918 wäre das spätmittelalterliche Österreich, das Kern–Österreich, wieder erstanden, weil es sich durch die Jahrhunderte so gefügt und daher wieder so ergeben habe, das heißt Österreich wäre auf seinen realen Ursprung zurückgeführt worden. Ich widerspreche dieser Ansicht. Salzburg gehörte nicht zum spätmittelalterlichen Österreich genau so wenig wie jene Teile, aus denen dann das Burgenland gebildet wurde. Mit Südtirol und mit den Gebieten der Südsteiermark wurden Teile des spätmittelalterlichen Österreich herausgerissen genau so wie mit Triest, das seit dem 14. Jahrhundert zu Österreich gehört hatte.

Ich betrachte es ein wenig anders. Die auf der Friedenskonferenz entscheidenden Staatsmänner sahen im größten Friedensstörer den national zersplitterten Staat als Ursache für neue Auseinandersetzungen. Die Grenzziehungen sollten möglichst national verlaufen. Daher auch die Korrekturen in Kärnten und beim Burgenland. Es ist bekannt, dass die Großlogen, denen viele maßgebliche Politiker angehörten, eben dieses national geschlossene Friedensziel verfolgten. Auch Benes war Freimaurer und die Vertreibung der Deutschen hätte nach seinen Intentionen schon nach 1919 stattfinden sollen. Eine etwas verspätete Form war der serbische Staat, den Milosevic wollte. Tatsache ist, dass 1919 nicht wirtschaftliche und historische sondern nationale Strukturen maßgeblich waren! Das sich noch im November 1918 konstituierende und sich Deutschösterreich nennende Staatsgebilde, das sich als Teil der Deutschen Republik ansah, wäre im Lichte solcher Erkenntnisse nur logisch gewesen. Man definierte sich als

„Nationalstaat der deutschsprachigen Österreicher“

Dem stand entgegen, dass ein besiegtes Deutschland nicht noch mit einem Gebiets– und Bevölkerungszuwachs belohnt werden durfte. Der Anschlussgedanke lebte aber weiter; bei der österreichischen Sozialdemokratie bis zum Linzer Programm von 1926 und er war auch dann nicht ganz tot, wie man im März und April 1938 merkte. Bei den Deutschnationalen und Großdeutschen sowieso.

Die Christlichsozialen stellten der Propaganda gegen den „Staat wider Willen“ (Reinhold Lorenz, 1926) bzw. „Der Staat, den keiner wollte“ ein zaghaftes neues „Österreichbewusstsein“ entgegen. Nebenbemerkung: Die Friedensmacher von 1919 wollten ihn, zumindest am Anfang, nicht jedoch Ungarn, die CSR und der SHS–Staat (= Jugoslawien)und vor allem mochten ihn viele Österreicher schon gar nicht, ohne etwas daran ändern zu können. Italien zeigte vielleicht etwas Sympathie für den so klein und schwach gewordenen Gegner von einst. Das „Gelernte Österreichertum“ war unpassend bis dort hinaus und jedenfalls nirgendwo mehr gefragt. Man sprach vom „österreichischen Menschen“, aber das schloss das Bekenntnis zu Deutschland keineswegs aus. Der Ständestaat fuhr wegen des Gegensatzes zu Hitlerdeutschland nach dem Jänner 1933 einen mehr prononcierten Österreich–Kurs. 1933 erhielt das Bundesheer seine alte k.u.k. Uniform sowie die alten Fahnen und Standarten zurück. Bis dahin hatte die Truppe eine völlig an die Reichswehr angenäherte Uniform getragen und man sah den Unterschied nur ganz aus der Nähe, wenn man die Bundesländerwappen an den Kappen bemerkte. Auch Dollfuss und nach ihm Schuschnigg setzten keineswegs auf einen rein österreichischen Nationalismus, sondern auf ein österreichisches Staatsbewusstsein. Man sprach immer wieder vom „zweiten deutschen Staat“ oder sogar vom besseren deutschen Staat. Selbst noch in seiner Abschiedsrede vom 11. März 1938 sprach Bundeskanzler Schuschnigg davon, dass „er nicht gesonnen sei, deutsches Blut zu vergießen“ und daher der „Wehrmacht“ (sic) den Auftrag gegeben habe, sich zurückzuziehen. Er schloss mit den berühmten Worten (einige werden sie wahrscheinlich noch im Original gehört haben) „So verabschiede ich mich in dieser Stunde vom österreichischen Volk mit einem deutschen Wort…“ Acht Jahre später sagte Bundeskanzler Figl voller Überzeugung: „Österreich war niemals ein deutscher Staat“.

Dass die NS – Behörden sofort den Begriff Österreich auslöschten und auch die Ostmark sehr rasch zugunsten der „Alpen– und Donaureichsgaue“ verschwand, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Dazu kamen territoriale Veränderungen zwischen 1938 und 1945. So gab es z.B. das Burgenland nicht, das zwischen Niederdonau und der Steiermark aufgeteilt wurde, Osttirol war bei Kärnten und Südmähren (Znaim!) hatte man zum Reichsgau Niederdonau geschlagen.

Das „Österreichische an sich“ begann sich bereits kurz nach der Ernüchterung von der Anschluss–Euphorie zu regen. ‚Die Österreichische Freiheitsbewegung, die „heimlichen Hymnen“ und der „Widerstand“ im Film mit österreichischen Sujets können außer Betracht bleiben und wären Gegenstand eines eigenen Vortrags.

Der bekannte Germanist und Mundartforscher Eberhard Kranzmayer stellte fest, dass das „Österreichische“ in der Kriegsgefangenschaft besonders prononciert wurde, um sich von den Deutschen zu unterscheiden.

Viele von uns haben noch im Zeugnis anstelle von Deutsch „Unterrichtssprache“ stehen gehabt („Hurdestani“ – humorige Bezeichnung für das unter Bundesminister Hurdes neu herausgegebene „Österreichische Wörterbuch“). Sicher ist so manchem der Witz von den letzten Worten Ferdinands aus Schillers „Kabale und Liebe“ bekannt: „Ich verachte Dich, ich ein unterrichtssprachlicher Jüngling!“

Dabei sollte nicht übersehen werden, dass der Begriff Unterrichtssprache in der Monarchie jahrzehntelang verwendet worden war und daher keine Neuerfindung ist, sondern eben der Ausdruck des „Gelernten Österreichertums“.

Nach 1945 sah sich das offizielle Österreich nur mehr als Österreich. Da kam das 950–Jahr–Jubiläum der ersten Nennung Österreichs gerade recht. 1896 hatte nicht einmal im Traum jemand daran gedacht, daraus eine Feier zu machen. Aber jetzt war es hoch an der Zeit dafür! Es gab eine Denkmalsenthüllung in Neuhofen an der Ybbs im Beisein der höchsten Repräsentanten der sowjetischen Besatzungsmacht, einen Staatsakt in der Hofburg sowie eine Festsitzung in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (21. Oktober), am 27. Oktober eine Kundgebung der Wiener ÖVP in der Volksoper mit einer Rede Leopold Figls unter dem Motto: “Das Geheimnis der Staatsidee Österreichs und ihr Ewigkeitsgehalt“ und am 30. Oktober 1946 fand eine Festsitzung der Bundesversammlung statt, auf der Bundeskanzler Figl verkündete: „Österreich ohne Ende! Unter dieser Parole haben wir gekämpft und gearbeitet!“

Gerade diese Veranstaltung und die Bekundung des Österreichertums bekamen enorme politische Bedeutung. Kurz darauf erfolgte eine Erklärung des US–State Departments, in der Österreich ausdrücklich als „erstes Opfer Hitlers“ anerkannt wurde. Das bedeutete für die damalige Regierung unerhört viel. Der Kranz der zahlreichen „Ostarrichi–Feiern“ war der erste nationale Gedenktag der Republik, gut inszeniert, historisch – wissenschaftlich gut untermauert. Man fühlte sich jetzt als etwas, man war etwas ganz bestimmt nicht bzw. nicht mehr. Dieses Jubiläum lag weit zurück und konnte niemanden kränken, denn wenn man in die österreichische Geschichte zurückblickte, bekam man ordentlich Probleme: Gegen wen hatte man nicht schon einmal Krieg geführt und wen beleidigte man nicht damit. Frankreich hatte 1989 z.B. nicht das geringste Problem, 200 Jahre Französische Revolution zu feiern, dabei ist es ein Jubiläum des maschinellen Todes für politisch Andersdenkende oder einfach für Unschuldige. Es wird gerne übersehen, dass die Reformen Maria Theresias und erst recht Josephs II. vieles von den Menschenrechten und der Toleranz ohne viel Blut und nur auf dem Verwaltungswege herbeigeführt haben. Der Ausdruck des nationalen Gefühls ließ - für kurze Zeit zumindest – die Hoffnung aufkommen, Südtirol wieder zu erhalten. Die jugoslawischen Gebietsforderungen nahm man in Wien nicht sonderlich ernst, saß doch in Kärnten die britische Besatzungsmacht und gegen sie würde sich Tito doch nicht vorzugehen trauen. Er hatte den Kredit bei den Westmächten verloren, weil er sich eindeutig für den Ostblock deklariert hatte. Nach dem Bruch mit Moskau 1949 schwächten sich diese Bemühungen ab, auch wenn sie latent immer vorhanden waren und in der Mitte der achtziger Jahre neuerlich auftauchten.

Man machte also auf national: es gab eine andere Melodie für die Bundeshymne und einen neuen Text. Die Mittelalter – Karte von 996 spielte man später nicht mehr aus, weil der Österreicher betont unhistorisch war und 1956, als 800 Jahre Privilegium minus (die Loslösung Österreichs von Bayern und die Sonderstellung im Reich als Herzoge) zu begehen war, hielten sich die Feiern in engen Grenzen und blieben auf den akademischen Boden beschränkt.

DIE ÖSTERREICHISCHE NATION#

Jetzt könnte man schon aufhören und sagen, auf die Fragen:

Ist Österreich älter als Deutschland?
Waren die Babenberger eine österreichische oder eine deutsche Dynastie?
War nicht Österreich schon immer ein deutsches Land, das erst ab 1866 bzw. 1918 seinen eigenen Weg ging?

geben wir keine Antwort. Bestenfalls auf die Frage nach einer

„österreichischen Nation“ Ich bin mir der Schwierigkeit dieses Problembereichs bewusst, glaube aber doch, ihn nicht ausklammern zu dürfen, denn sonst hätte der Titel „ Österreich: was ist das?“ keine Berechtigung.

Genau so wie der Begriff Österreich mehrschichtig und zeitverschoben eine mehrfache Bedeutung hat, ist es auch mit der Nation. Von Allmayer-Beck, dem Autor der „Imago Austriae“ stammt der Ausspruch: „Das geistige und territoriale Österreich waren nicht immer ident.“ Allein die angloamerikanische Sicht sowie die französische differieren erheblich voneinander. Die USA gehen von einer Staatsnation aus; das wäre für unsere Bedürfnisse wahrscheinlich zu wenig. Dann gibt es den Begriff der „Ethno–Nation“, mit dem wir in Österreich ebenfalls nicht sehr viel anfangen können und den Begriff „Kultur–Nation“ Der geistige Widerpart von Allmayer–Beck, der aus Wien stammende Salzburger Historiker Fritz Fellner (der Vater der weitaus berühmter gewordenen Fellner – Brüder) trifft sich aber mit seinem geistigen Widersacher in der Behauptung, dass man „von einer mehrere Staaten übergreifenden Kultur–Nation“ sprechen könnte. (Damals gab es noch die beiden deutschen Staaten und Österreich) Ebenso zutreffend ist Max Hallers Satz von der „ganzheitlich gesellschaftlich–politischen Gemeinschaft“.

Nur nebenbei bemerkt sei, dass eine einzige Partei das Bekenntnis zur „österreichischen Nation“ in ihrem Parteiprogramm hat. Es ist die KPÖ!

Laut Statistik bekennen sich 2000 fast zwei Drittel der Österreicher zu einer österreichischen Nation bzw. bestätigen deren Existenz. Es handelt sich dabei um ein „statistisch manifestiertes Österreichbewusstsein“ (nach K.D. Erdmann), doch auch hier zeigt sich, wie letzten Endes unbefriedigend, die Geschichte vielfach übergehend und uminterpretierend vorgegangen wird. Es ist sicher unkomplizierter, undifferenziert sich zur Staatsnation zu bekennen. Ansichten ändern sich und die Betrachtungsweisen auch. Hatten noch 1946 ÖVP und SPÖ dankbar die Anerkennung der Opferrolle Österreichs hingenommen und begrüßt, so kommt gerade von der SPÖ immer mehr die Ablehnung und Uminterpretierung dieser historischen Bewertung (Androsch und Vranitzky machten nur den Anfang). Hand in Hand mit einer Verteufelung des Ständestaates und der Verleugnung des Widerstandes und Kampfes gegen Hitlerdeutschland wird auf diese Weise ein neues Österreichbild geschaffen. Da sind die Dinge noch im Fluss und man wird sehen, wohin gesteuert wird.

In dem viel beachteten und leider schon vergriffenen Buch von Gaspari–Millendorfer “Prognosen für Österreich“ stellen die Autoren fest, dass die Österreicher ihren Staat letzten Endes für etwas Vorübergehendes, zumindest noch nicht ganz Fertiges betrachten und ihm gegenüber nicht ganz ehrlich seien. Man bekennt sich nach außen zwar lautstark zur Neutralität und zu einer eigenständigen Sicherheitspolitik, tatsächlich – wie aus geschickt angebrachten Hinterfragungen hervorgeht – haben die Österreicher kein Gefühl und auch kein Interesse für diese Sicherheit, denn sie wollen, als Einzelbürger, so gut wie nichts für die Landesverteidigung ausgeben, was man vordergründig noch begreifen könnte, aber sie belegen auch andere für die Sicherheitspolitik des Landes wichtige Ministerien mit geringer budgetärer Priorität und Misstrauen in deren Effizienz- das sind das BMI, BMJ und das Außenministerium!! Die beiden Autoren haben durch ihr Hinterfragungssystem (Global Dynamic Systems) herausgebracht, dass die meisten Österreicher gar nicht gläubig sind. Sie tun nur so als ob.

Eigentlich hätte man statt an den Schluss zu Beginn jene Fragen stellen sollen, die seinerzeit im Kalten Krieg die US – Amerikaner H.Kissinger, McNamara und Schlesinger) gestellt haben:

  • „Wie sehen die anderen uns?“
  • „Wie sehen wir die anderen?“
  • „Wie glauben wir, dass uns die anderen sehen?“

Der Österreicher ist nicht nur der Wiener; anderseits steht dieser seit 900 Jahren meist im politischen Zentrum. Daher Skepsis gegenüber dem Alten, Selbstironie und Misstrauen.

Man könnte nicht besser schließen als mit einem Wort von Alphons Lhotsky, dem wirklichen Großmeister der österreichischen Geschichtsschreibung: „Man kann alles verlieren – und das ist im Laufe der Zeit in diesem Lande öfters geschehen – wenn man am Ende nur bleibt, was man ist!“

ZUM LEUMUND DER ÖSTERREICHER#

  • Nibelungenlied (um 1200) durchwegs positiv
  • Pero Dafur (spanischer Reisender um 1400) negativ
(wurde in der Wachauer Gegend von Strassenräubern/Raubrittern überfallen, konnte diese aber in die Flucht schlagen; traf sie kurz darauf in einer Schenke und man grüßte sich, trank mitsammen und verabschiedete sich wieder). Dafur schimpfte über die miesen Sicherheitsverhältnisse in diesem Land.
  • Dr. Tichtel (Wiener Arzt um 1490) recht kritisch: „Nos miseri Australes…“
  • Friedrich Schiller (teils positiv in „Wallenstein“ „Der Österreicher hat ein Vaterland und hat auch Ursach' es zu lieben“, sehr negativ in „Wilhelm Tell“ an insgesamt 15 Stellen!
  • Franz Grillparzer (Lobrede auf Österreich in „König Ottokars Glück und Ende“ vorgetragen von Ottokar von Horneck ist tatsächlich eine Sammlung von Zitaten aus einer lateinischen Rede des Rektors der Wiener Universität Thomas Ebendorfer um 1460) Beispiel für die Topik des „locus amoenus“
  • Papst Pius IX (um 1850): Es geht nicht darum, dass die Österreicher so menschlich sind... sie mögen unser Italien in Ruhe lassen!“
  • William E.Gladstone (1809 – 1898) englischer Premierminister, liberale Partei: „Zeigen Sie mir einen Ort auf dem Globus, an dem Österreich etwas Gutes getan hat!“
  • Stabstrompeter Gottfried Piefke (1817 – 1884) 1864: “Schauen Sie sich nur die schäbigen Uniformmäntel der Österreicher an!“
Antwort eines anderen Preußen: “Aber darunter sind sie anständige Menschen mir sympathischer als Sie!“ Die in Österreich so bekannt negative Bezeichnung für alle Deutschen (vielleicht ausgenommen die Bayern) rührt vom preußisch–österreichischen Feldzug 1864 gegen Dänemark her, als sich Piefke bemüßigt fühlte, ausgerechnet die österreichische Militärmusik, die damals Weltruf hatte, zu kritisieren und sie „koordinieren“ (sprich gängeln; heute würde man sagen: zeigen, wo's lang geht) wollte. Nach dem gewonnenen Feldzug 1866 spielte sich Piefke mit der Organisation eines Triumphmarsches schadenfroh noch einmal in den Vordergrund, so dass sich das Schimpfwort bis heute noch erhalten hat. Man muss auch in Rechnung stellen, dass damals die Militärmusiken direkt auf dem Schlachtfeld spielten, um die Truppe anzufeuern und damit eine größere militärische Bedeutung besaßen als heute.

Aber: Insgesamt eine „gute Nachrede“ über die österreichische Verwaltung, das Schulsystem sowie die Verkörperung der „guten alten Zeit“, in der noch alles in Ordnung war im österreichisch regierten Oberitalien, insbesondere Friaul, Triest und Küstenland sowie teilweise auf dem Balkan.

Schimpfreden österreichischer Autoren wie Thomas Bernhard, Peter Handke, Elfriede Jelinek, Robert Menasse u.a.

Positive Meinungen von Jörg Mauthe und Alois Brandstetter.

Literaturliste#

Es handelt sich nur um eine ganz kleine und willkürliche Auswahl. Neben primären und wissenschaftlich aussagekräftigen Werken ist auch Essayistisch – Humoristisches aber eben doch zum Thema Passendes angeführt. Im Internet finden sich zu diesem Themenbereich rund 1,280.000 Fundstellen.

  • Allmayer – Beck, Johann Christoph, Lessing, Erich: Die k.(u.)k. Armee 1848 – 1914. Wien 1974
  • Androsch, Hannes: Warum Österreich so ist, wie es ist. Eine Synthese aus Widersprüchen, Wien 2003
  • Binder, Dieter, Bruckmüller, Ernst: Essay über Österreich. Grundfragen und Identität und Geschichte 1918 – 2000. Wien – München 2005
  • Bruckmann, Gerhart: Österreicher, wer bist Du? Versuch einer Orientierung. Wien 1989
  • Diem, Peter: Die Symbole Österreichs. Zeit und Geschichte in Zeichen. Wien 1995
  • Dienst, Heide: Probleme österreichischer Identität im Mittelalter.in: Archiv für österreichische Geschichte Nr. 136.Wien 1995
  • Erdmann, Karl Dietrich: Die Spur Österreichs in der deutschen Geschichte. Drei Staaten, zwei Nationen, ein Volk? Zürich o.J.
  • Gaspari, Christof, Millendorfer, Johann: Prognosen für Österreich. Fakten, Formeln und Entwicklung. Wien 1973
  • Hubmann, Franz, Trost, Ernst: Das Tausendjährige Österreich. Wien – München – Zürich 1975
  • Lhotsky, Alphons: Österreichische Historiographie. Wien 1962
  • Derselbe: Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs. Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Ergänzungsband 19 Graz – Köln 1963
  • Derselbe: „Ostarrichi“. Wie alle folgenden Artikel in: Aufsätze und Vorträge. Europäisches Mittelalter. Das Land Österreich Wien 1970 Seite 221 -224
  • Derselbe: Otto von Freising. Seine Weltanschauung Seite 64 – 81
  • Derselbe: Die österreichischen Länder im Hochmittelalter Seite 245 – 257
  • Derselbe: Der österreichische Staatsgedanke, Seite 365- 388
  • Derselbe: Was heißt „Haus Österreich?“ Seite 344 – 364
  • Lodewyckx, August: The name of Australia, its origine and early use. Melbourne 1929
  • Mauthe, Jörg: Nachdenkbuch für Österreicher insbesondere Austrophile, Austromasochisten, Austrophobe und andere Austriaken. Wien – München – Zürich 1975
  • Oberhummer, Eugen: Austria – Australia. Wien 1932
  • Rathkolb, Oliver: Die paradoxe Republik. Österreich 1945 – 2005. Wien 2005
  • Röhrig, Floridus: Zum Ursprung des Fünfadler – Wappens in: Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg, neue Folge Band 3 1963 Seite 63 ff
  • Santifaller, Leo: Über die Ostarrichi – Urkunde vom 1.November 996. Wien 1948
  • Seidl, Conrad, Vogel, Roland: Wehrhaftes Österreich. Wien 1997
  • Siegert, Heinz; Hausbuch der österreichischen Geschichte. Wien 1976
  • Zöllner, Erich: Der Österreichbegriff. Formen und Wandlungen in der Geschichte. Wien 1988.


Zu Punkt 5 "Das Haus Österreich und sein Aufstieg":

2.Absatz: ...Der Versuch von 1245 scheiterte an einem Heiratsprojekt (die Schwester Friedrichs II. Gertrud hätte den Kaiser Friedrich II. heiraten sollen), ....

Nach meinem Wissensstand war die genannte Heiratskandidatin Gertrud nicht die Schwester Friedrichs II (des Streitbaren), sondern seine Nichte (eine Tochter seines Bruders Heinrich).

PS: Vorliegender Kommentar ist meine erste aktive Handlung im Austria Forum. Ich hoffe, dass meine Meldung zumindest ungefähr dem üblichen Vorgehen entspricht und dem Ziel nachkommt, vorkommende Fehler zu korrigieren und die Qualität eines Artikeln zu verbessern!

-- Öhlböck Hermann, Samstag, 11. August 2018, 14:02


DANKE für den Hinweis#

Auch aus dem Eintrag Gertrud im AEIOU (Nachfolger des Österreich-Lexikons) geht hervor, dass es sich um die NICHTE von Friedrich II., des Streitbaren, handelte.

Wir haben die Textpassage geändert!

-- Schinnerl Ingeborg, Montag, 13. August 2018, 09:10