Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Österreich und der Nationalsozialismus – Opfer oder Täter? (Essay)#

Ernst Bruckmüller

Adolf Hitler kam in Deutschland im Jänner 1933 an die Macht, in Österreich am 13. März 1938. Im Weg an die Macht existiert ein entscheidender Unterschied zwischen Deutschland und Österreich. Im Deutschen Reich verhalfen die konservativen Eliten (die Umgebung Hindenburgs usw.) Hitler zur Macht. In Österreich trugen die konservativ-katholischen Eliten, zentrale Gefolgschaft der Ständestaatsdiktatur von Dollfuß und Schuschnigg, den Staatswiderstand gegen den Nationalsozialismus. Aus diesen Kreisen kamen daher auch viele Opfer des Nationalsozialismus. Später wurden nicht wenige von ihnen Politiker in der Zweiten Republik, wie Leopold Figl. Österreich als erstes Opfer der Aggressionspolitik Hitlers: Erster Akt: die „Tausend- Mark-Sperre“, eine Zwangsabgabe von 1.000 Reichsmark für alle deutschen Österreich- Reisenden, um den österreichischen Fremdenverkehr zu schädigen. Dann: die Unterstützung der Gewalttaten der österreichischen Nationalsozialisten, die nicht wenigen Menschen und am 25. Juli 1934 dem Bundeskanzler Engelbert Dollfuß das Leben kosteten.

Der Putsch scheiterte, Hitler änderte die Strategie, an die Stelle der offenen Aggression trat Unterwanderung. Im Juli- Abkommen von 1936 geriet Österreich bereits in eine gewisse Abhängigkeit vom Reich. Im Februar 1938 wurde Schuschnigg mit wilden Drohungen Hitlers konfrontiert. Als er in letzter Sekunde versuchte, das Ruder herumzureißen und eine „Volksbefragung“ für den 13. März 1938 ansetzte, konterte Hitler mit Ultimatum und Einmarschdrohung. Schuschnigg trat am 11.März zurück. Es begann die Machtübernahme durch die österreichischen Nationalsozialisten. Am Morgen des 12.März marschierten deutsche Truppen ein und am 13. März wurde der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich verkündet.

Daneben steht die Täter-Geschichte: Schon am 12.März begannen die Drangsalierungen von Juden durch österreichische Mitbürger. Am 1. April 1938 wurden Vertreter des Ständestaatsregimes, Mitglieder der jüdischen Gemeinden und Sozialisten ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Ab April mussten Menschen, die nach den „Nürnberger Gesetzen“ als Juden galten, ihr Vermögen deklarieren, das ihnen später weggenommen wurde („Arisierungen“).

In Österreich gab es zwischen 1938 und 1945 besonders viele Mitglieder der NSDAP, besonders viele Mitglieder der SS und eine erfolgreiche Gestapo. Bei der europäischen Judenverfolgung taten sich aus Österreich stammende Täter hervor. Warum? Deutschnationale Selbstdefinition und verbreiteter Antisemitismus boten dem österreichischen Nationalsozialismus gute Entwicklungsmöglichkeiten.

An den „Anschluss“ als Ausweg aus den Problemen der 1930er Jahre glaubten auch viele Nicht-Nazis. „Rassisches“ Überlegenheitsgefühl bot eine tolle Kompensation für persönliches Versagen. Die Politik des Reiches (Rüstungsinvestitionen, Zuteilung von „Judenwohnungen“) verbesserte die Lebenssituation vieler Menschen. Die relativ gute Lebensqualität in Deutschland und Österreich auch während des Krieges war die Kehrseite einer Ausbeutung großer Teile Europas, ebenso wie der (versuchten) Ausrottung der Juden.

Ist der Staat für die Täterschaft jener unter seinen Staatsbürgern verantwortlich, die zwischen 1938 und 1945 Täter waren? Wohl kaum. Aber für die Verfolgung der Täter und für die Entschädigung der Opfer wohl schon. Die Bilanz bleibt zwiespältig.


Dieser Essay stammt mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus dem Buch:

© 2007 by Styria Verlag in der, Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG, Wien
© 2007 by Styria Verlag in der
Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG, Wien


Sicher eine der besten Darstellungen der Ambivalenz der österreichischen Rolle. Der erwähnte Staatswiderstand dürfte allerdings nicht besonders effizient gewesen sein. So gelang es etwa Ronge und seinem Geheimdienst nicht, Dollfuß zu schützen, was zumindest etwas verwundert. Darüber hinaus hatte es der österreichische Gesamtwiderstand natürlich infolge der Effizienz der Gestapo und jener Österreicher, die Täter waren, wahrscheinlich schwerer als in anderen Ländern, es gab ihn aber.

--Glaubauf Karl, Freitag, 21. Mai 2010, 09:17