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Das Bischofsamt – ein Schatten seiner selbst#


Von

Herbert Kohlmaier

Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit Nr. 116/2014


Über das Entstehen des Bischofsamtes wissen wir recht gut Bescheid. Es entwickelte sich in der Folge der Missionstätigkeit des Paulus aus den Kollegien von Ältesten (Presbytern) der Gemeinden allmählich zum Leitungsdienst eines Episkopos (wörtl. Aufseher). Schließlich wurden die Bischöfe – wie nun im Kirchenrecht festgelegt – „kraft göttlicher Einsetzung und an die Stelle der Apostel tretend“ zu obersten Glaubenslehrern und Priestern der Ortskirchen. Das Konzil stellt fest, dass ihnen als „Stellvertreter und Gesandten Christi“ eine „eigene, ordentliche und unmittelbare Leitungsgewalt“ zukommt.

Ein großartiges und anspruchsvolles Amt, wahrlich! Es soll in Kollegialität ausgeübt werden, also einmütig und in gegenseitiger spiritueller Befruchtung. So ist den Bischöfen die Kirche eigentlich ganz anvertraut – ihre Aufgabenerfüllung, Gestaltung und auch ihr Voranschreiten im Laufe der Zeiten. Das erfordert, wie schon in der jungen Kirche erkannt wurde, von diesen Führungskräften große menschliche Qualitäten. In den Pastoralbriefen des Timotheus und des Titus werden ihnen bekanntlich alle erdenkbaren Tugenden abverlangt, wie übrigens auch, dass sie nur einmal verheiratet sein sollen. Sie müssten ja die wahre und gesunde Lehre vertreten!

In der jüngeren Vergangenheit wird allerdings vielfach beklagt, dass dieses wichtigste Amt der Kirche systematisch abgewertet worden sei und gegenüber einem totalitären Zentralismus weichen musste. Dieser Eindruck entsteht tatsächlich und ist vielfach begründet. Ich selbst machte kürzlich eine Erfahrung, die ganz in diese Richtung weist und die ich hier wiedergeben möchte.

Der Bischof von Graz-Seckau Dr. Egon Kapellari hat in der Wochenzeitschrift „DIE FURCHE“ – diese sieht sich einem zukunftsorientierten Denken, Glauben und Handeln verpflichtet – zur Frage der Weihe von Frauen Stellung bezogen (Ausg. v. 5. 12. 13). Er erwähnt hier wiederum als Grund für die Unmöglichkeit, dies zuzulassen, dass Christus der Kirche „keine entsprechende Vollmacht erteilt“ habe. Ich fragte daher in einem Brief höflich an, welche Stütze für diese Feststellung sich im Evangelium fände? Es läge ja sogar die Auffassung nahe, dass uns keine Ermächtigung zu jedweder Weihe überhaupt überliefert wäre.

Auf diese Frage ging der Herr Bischof nicht direkt ein, sondern verwies mich freundlich auf das Buch „Was kommt? Was bleibt?“, wo sein Lebensweg in Interviewform beschrieben wird (Styria Verlag 2013). Den Seiten 113 – 114 könne ich das Wesentliche entnehmen. Der Umstand, dass im Neuen Testament eine solche Ordination nicht angesprochen werde (!), erspare uns nicht den Blick auf die Praxis aller vorreformatorischen Kirchen und auf das meist unterschätzte Gewicht dieser Tatsache.

Die erwähnten Passagen des Buches lassen sich in folgende Feststellungen zusammenfassen:

  • Als Bischof halte sich Kapellari klar an die Vorgaben des kirchlichen Lehramtes. Die Päpste hätten mit der ihnen aufgegebenen lehramtlichen Autorität und keineswegs in Geringschätzung von Frauen erklärt, dass eine Weihe von Frauen nicht möglich sei. Diese Überzeugung könne man nicht als irrational abqualifizieren, sie beruhe vielmehr auf einer an den Anfang zurückreichenden und ununterbrochenen Tradition der Kirche;
  • der Priester als Mann werde in dieser Tradition als jemand angesehen, der in persona Christi die Eucharistie leite. Er repräsentiere dabei den menschgewordenen Gottessohn und sei als solcher nicht ersetzbar.

Bei allem Respekt: Die Antwort, die ich erhielt, wird der Fragestellung keineswegs gerecht. Sie weicht dieser aus und verwendet Scheinargumente.

Zunächst zu Tradition: So sehr diese zu achten und zu schätzen ist – wie oft wich man nicht im Laufe der Kirchengeschichte von ihr ab? Gerade durch Entscheid von Bischöfen, die als Konzilsväter vor einem halben Jahrhundert ganz Wesentliches korrigierten. Überliefertes hat seinen Wert, zweifellos! Es muss dennoch stets auf seine Tauglichkeit geprüft werden. Dies vor allem dann, wenn Tradition zeitgebunden entstand und mit dem Wollen Jesu nicht im Einklang gebracht werden kann. Die früh einsetzende Zurückdrängung der Frauen, die dann zur angeblich achtenswerten Tradition werden sollte, beruhte ja selbst auf einer solchen. Sie folgte den damaligen Auffassungen über den Kult und geltenden Reinheitsgeboten (welche Jesus ja verwarf)!

In den uns überlieferten Aussagen des Herrn findet sich immer wieder die Absage an tradiertes Regelwerk – hunderte Vorschriften aller Art waren es. Jesus sprach und argumentierte mit Frauen „auf Augenhöhe“, er schätzte sie und schützte sie. Die Tatsache, dass Paulus eine Frau als Apostelin bezeichnete, weist überzeugend darauf hin, dass mit Christi Wirken eine Tradition hinfällig wurde. Paulus verlieh der Junia genau jene Würde, die Bischöfe nun zieren soll! Doch man machte sie zum Mann Junias und entblößte mit dieser Fälschung nackte Frauenfeindlichkeit derer, die das Sagen in Anspruch nahmen.

Bischof Kapellari wird demnächst den Ruhestand antreten. Will er die kirchliche Tradition wirklich hochhalten? Dann müsste er jetzt seinen Kollegen in Rom auffordern, den Nachfolger entsprechend den „auf den Anfang zurückreichenden“ Gepflogenheiten auszuwählen. Nämlich unter maßgeblicher Beteiligung der Ortskirche! Ernennungen nach kirchenpolitisch motivierter Willkür, wie sie erst seit einiger Zeit praktiziert werden und gewaltigen Schaden für die Kirche anrichteten, entsprechen ja nicht ehrwürdiger Tradition! Das in Erinnerung zu rufen, wäre von einem Bischof, der diese verteidigen will, konsequent, ehrlich und mutig.

Keineswegs überzeugend ist auch das „Argument“, nur Männer könnten „in persona Christi“ handeln, was immer das bedeuten mag. Schuf Gott nicht Mann und Frau gleichermaßen als sein Ebenbild? Und müsste man der heutigen kirchenamtlichen Haltung nicht entnehmen, dass Frauen, da sie eine andere nicht repräsentieren könnten, gar keine vollwertigen „Personen“ seien? Das wäre doch wahrlich absurd! Fehlt Frauen nur ein Quäntchen der Würde und überhaupt der wunderbaren Fähigkeiten jenes Wesens Mensch, in das Gottes Sohn inkarnierte? War da das Geschlecht das wirklich Entscheidende?

Was zählt antike Tradition gegenüber dem Umstand, dass sich Frauen heute als vollkommen gleichwertige Personen im gesamten öffentlichen Leben nicht nur bewähren, sondern auch da und dort Männern klar überlegen sind? Es ist ein wahrer Segen, dass da eine „Tradition“ verlassen wurde, die sich als unerträglich, dumm und höchst schädlich erwies! Welchen Grund gibt es überhaupt, Frauen anders zu bewerten als Männer? Sollten es gar die Genitalien und Hormone sein, die den angeblich maßgeblichen Unterschied machen?

Diese Attribute der Sexualität des Menschen mit ihren natürlichen und gottgewollten Wirkungen werden ja von der Kirche andererseits nicht nur als verdächtig sondern als eigentlich unwesentlich angesehen. Sie können ja aus dem Priesterleben, weil für einen hingebenden Dienst hinderlich, angeblich bedenkenlos verbannt werden. Aber dann ist die Geschlechtlichkeit wiederum so wichtig, dass sie bei Frauen den Einsatz für das Heil der Seelen ausschließt! Man kann sich nur wundern. Aber all diese Argumente sind uns ja geläufig. Sie rufen nach Widerlegung und nach Gegenargumenten! Doch solche kennt Bischof Kapellari nicht oder er will sie nicht gebrauchen.

Er folgt einfach nur dem Papst. Er begibt sich auf das gefährliche Gebiet, die Vollwertigkeit der weiblichen Person in Frage zu stellen. Und damit macht er sichtbar, wie sehr heute sein Amt abgewertet wurde. In den erwähnten Pastoralbriefen wird den Bischöfen aufgetragen, die wahre und gesunde Lehre zu vertreten. Das schließt die Pflicht und Schuldigkeit ein, sich stets mit der Frage auseinanderzusetzen, ob das heute vorgeschriebene so genannte Kirchenrecht dem wirklich entspricht. Da genügt keineswegs, sich auf den Papst zu berufen. Von wo her sollen um Gottes Willen Anstöße zum Fortschritt kommen, wenn nicht gerade von Bischöfen, die mit offenen Augen und Ohren im Leben stehen?

Denkt also endlich selbst nach, liebe Bischöfe! Und zwar nach eigenem besten Wissen und Gewissen! Dazu seid ihr ja da und dafür bekommt ihr vom Kirchenvolk auch euren Lebensunterhalt. Und hört auf dieses, in seiner lebendigen Vielfalt, und auf Argumente, die Euch wohlbegründet und ernsthaft vorgetragen werden! Dass ihr dem geflissentlich ausweicht, ist eine Verletzung eurer wahren Pflicht und Aufgabe. So degradiert ihr euer Amt selbst, die ihr euch dem Verlangen unterworfen habt, dem Papst im Vatikan bedingungslosen Gehorsam zu geloben. Entspricht das der angeblich so heiligen Tradition? Keineswegs! Und schon gar nicht dem Wollen Christi, der das Schwören ausdrücklich verwarf!

Bischöfe müssen Verantwortung für den Glauben tragen. Dazu gehört, glaubwürdig und überzeugend die Lehre zu begründen und zu interpretieren. Als Filialleiter der Kurie brauchen wir sie nicht, auch wenn von dort droht, verjagt zu werden, wenn man nicht pariert. Fälle der jüngeren Vergangenheit haben das gezeigt, als Beispiel eines heutigen, wenn auch unblutigen, Martyriums. Jesus sagt, dass man nicht zwei Herren dienen kann. Es darf nur einen für euch „Oberhirten“ geben, dem ihr zu gehorchen habt, wollt ihr nicht „Unterhirten“ sein. In eigener Verantwortung dem Kirchenvolk gegenüber, aber nicht den toten Buchstaben des Gesetzes der Beharrung.

Paulus ermahnt uns, dass wir den Geist nicht auslöschen dürfen. Dieser Geist Gottes ist es, der Jesus heute vertritt, nicht irgendeine klerikale Obrigkeit. Er verlangt von uns nicht Unterwerfung und blinde Traditionsverbundenheit sondern Wahrhaftigkeit und Mut. Nur wer diese Tugenden gebraucht – komme es gelegen oder ungelegen – entspricht schließlich auch dem Willen des Konzils, nämlich eine „eigene, ordentliche und unmittelbare Leitungsgewalt“ auszuüben. Nehmt diese doch endlich wahr, so wie es unsere heutige Gegenwart verlangt!