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Die „richtige“ und die „falsche“ Kirche#


Von

Herbert Kohlmaier

Aus: Gedanken zu Glaube und Zeit, Nr. 100/2013


Sonntag, 13. Oktober, der 28. im Jahreskreis – das vorgetragene Evangelium nach Lukas berichtet, dass Jesus 10 Menschen geheilt hat, von denen aber nur einer Gott dankt. Die Kirche St. Anton in Wiener Neustadt ist voll besetzt, denn es findet ein besonderer Gottesdienst statt. Der Pfarrer verabschiedet sich in den Ruhestand, viele Freunde sind gekommen. Er ist kein „normaler“ katholischer Priester, was schon daran erkennbar ist, dass seine Frau unter den Gemeindemitgliedern sitzt. Der Österreicher Viktor Kurmanowytsch gehört der unierten ukrainischen Kirche an und Erzbischof Schönborn hat ihm die Pfarre beim Flugfeld anvertraut.

Schon früh fühlte er sich zum geistlichen Dienst berufen, heiratete dann aber und wurde nach seiner Berufsausübung als Bankfachmann zum Priester geweiht. Dies in einer Kirche, die zwar dem Papst untersteht, aber nach der Vereinigung mit der Römisch-katholischen ihre eigenen Regeln bewahrte. So hat ein verheirateter Geistlicher die Gemeinde von St. Anton geleitet. Ganz offensichtlich ist ihm das gut gelungen. Man spürt deutlich, dass es hier ein lebendiges Pfarrleben gibt, für das sich viele engagieren. (Hört man nicht immer wieder, das alles könne nur zölibatären Priestern ohne Familienpflichten gelingen?) Die Kirche wurde renoviert und erstrahlt in neuem Glanz. Beim Kirchenausgang wird zur Finanzierung dessen fleißig gespendet. Die Stimmung bei der nachfolgenden Agape ist freilich getrübt, denn ein angesehener und offensichtlich beliebter Priester verlässt die Gemeinde.

Natürlich ist kein Nachfolger in Sicht, es wird irgendeine „Lösung“ der zur Regel gewordenen „Vergrößerung der Seelsorgeräume“ geben. Kurmanowytsch spricht das mit erkennbarer Bitterkeit an. (Seine Bedenken, die er zu den bestehenden Plänen äußerte, blieben ungehört.) Er wolle in seinem fortgeschrittenen Alter nicht mehr mitmachen beim „Herumhüpfen“ von einer Pfarre zur anderen. Und dann wendet er sich dem Diakon zu und erzählt, dass man einander bei der Ausbildung zu diesem Amt kennengelernt hatte und dass daraus eine dauerhafte Freundschaft wurde. Allerdings – so wird es der Gemeinde gesagt – hätte der eine Diakon bleiben müssen und der andere konnte Priester werden. Weil dieser nämlich in der richtigen und nicht wie sein Kollege in der falschen Kirche sei.

Dieser Satz will mir nicht mehr aus dem Kopf und lässt mir keine Ruhe. Ja, kommt mir in den Sinn, eigentlich dürfte es nur eine Kirche geben, wenn man schon behauptet, der tief gläubige Jude Jesus habe eine solche errichten wollen. Vielleicht ist es auch so und es gibt nur verschiedene Ausprägungen der Nachfolge in einer umfassenden „Kirche Jesu Christi“. Aber da wird uns ja stets gesagt, nur die eine, nämlich die größte, sei in der mittlerweile entstandenen Vielfalt die wahre und richtige. Und da soll sie nun gar die „falsche“ sein? Was würde Jesus dazu sagen?

Der kannte die Probleme eines zersplitterten und auch zerstrittenen Christentums noch nicht. Aber er sprach stets in Gleichnissen, aus denen wir immer lernen sollen. Darunter gibt es dieses ganz wichtige und so Vieles erklärende: Nur ein guter Baum kann gute Früchte tragen! Doch wie ist es, wenn sich das zeigt, was der enttäuscht in den Ruhestand Tretende mit spürbarer Verbitterung in seiner Ansprache noch sagte: Es komme doch bei der Kirche nur auf das an, was an der Basis geschehe und gelinge oder auch nicht. Und hier fehle es! An der Qualität der Seelsorge, an deren Voraussetzungen und ausreichendem Angebot, sei die Kirche zu messen, nicht aber an dem, was weiter „oben“ geschehe.

Ich bleibe dabei: Verrat an Jesus!#

Trägt das römisch-katholische System dort, wo der Glaube verkündet und gelebt werden soll, wirklich gute Früchte? Werden nicht angesichts des personellen Notstands dennoch Zahllose, die Gott berufen will, von der Seelsorge ausgeschlossen, weil sie, wie es bei meinem Freund Viktor der Fall war, eine Familie gründen wollen? Oder weil sie das falsche Geschlecht haben? Und wenden sich nicht Unzählige ab, weil sie zwar Jesus verstehen würden, aber nicht das skurrile und unbiblische Regelwerk, das man im Lauf der Zeit unter behaupteter Berufung auf ihn ersann und dem man mit „Gehorsam“ zu begegnen habe? Auf diese Art von „Tugend“ pfeifen inzwischen die meisten. Die Schale, die den Kern der Frohbotschaft umfassen soll, ist faulig geworden. Und droht deren Kern zu verderben.

Ich nannte das schon vor Jahren einmal „Verrat der Männer im Vatikan“ an Jesus. Denunziation gehört zum System und so erhielt ich einen mahnende Brief aus Rom. Hatte man mir als Politiker einer Partei mit christlich-demokratischen Grundsätzen doch den Gregoriusorden verliehen! Daher sollte ich mich für diese Aussage entschuldigen. Ich antwortete, dass Entschuldigung ein Schuld voraussetze und deren sei ich mir mit meiner Kritik keineswegs bewusst. So sandte ich den Orden zurück. Damals noch nicht ahnend, dass ein Papst kommen würde, der ganz offensichtlich mit dem ganz und gar irdischen Titel- und Würdenwahn nichts am Hut hat. (Bekanntlich entzog man noch unter Benedikt dem Helmut Schüller den Titel Monsignore, was auch diesen wenig schmerzen dürfte.)

Übrigens war bei meiner vatikanischen Rüge der Umstand absurd, dass sie von einem so genannten Erzbischof ausgesprochen wurde, der aber nur „titular“ ein solcher ist. Ist das nicht bezeichnend für eine herabgekommene und von Jesus weit entfernte Gesinnung? Was ist ein Bischof ohne Gottesvolk wert und damit ohne Aufgabe der Seelsorge? Kommt es nicht, wie zu Recht gesagt wurde, nur auf diese an? Muss das Salz der Erde mit eindrucksvollen Wappen geziert sein und muss die Stadt auf dem Berg mit üppiger Pracht glänzen, was der vatikanische Außenstellenleiter in Limburg offenbar annahm und derzeit große Aufregung verursacht?

Für mich hatte dieser Sonntag in einer eher bescheidenen Gemeinde eine gewaltige Aussagekraft. Ein freundlich und menschlich wirkender Seelsorger verabschiedete sich und sprach gleichsam Klartext – sehr wohl verstanden und mit Zustimmung der „Schafe“, die er zu hüten hatte. Immer sollten wir es bedenken: Was wirklich wichtig ist, spielt sich nicht im Großen ab, sondern im Kleinen, wo es sich auch unübersehbar abbildet. Dort, wo das Samenkorn in eine Erde fällt, die fruchtbar wäre, drohte nicht die Dürre der zentralen Glaubensbürokratie. Wird Franziskus das endlich und gründlich ändern? Hoffen wir es – um Gottes Willen!