!!!GARDASEE BAHN




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1891:  Lange, und mit viel Geduld verbunden dauerte es bis man mit der gewünschten Bahn zum Gardasee  bei Riva gelangen konnte, gewährt von der Station Nago aus einen Anblick, dem an Großartigkeit kaum eine Vedute selbst von den felsigen Höhen der Adria herab an die Seite gesetzt werden kann. 

Was für eine Umgebung,  unbekannte Pflanzen die sich aus den Felsritzen  an das Sonnenlicht gekämpft hatten, eine Ruine grüßt  aus luftiger Höhe, einst  das Castell  Penede, das einen traumhaften Ausblick über den See, das Tal Santa Lucia bis nach  Torbole bietet. Dieser Rest von Bauwerk verdankt man den Franzosen, wie so viele.

Am südwestlichen Teil des Gardasees wird man auf einen markanten Fels aufmerksam Rocca di Manerba. Minerva besaß hier ihren Tempel. Nicht weit davon  wird  man vom Anblick des  herrlichen Gartens der  Isola Lecchi  gefesselt.  Im funkelnden Sonnenglanz die Moränen des Sarca Gletschers, die Hügel von Castiglione und Pozzelengo, von  Valeggio und Solverino .begossen vom Blute namenloser  Krieger. Von den  Proconsuln an, die ihre Soldaten gegen den  ululatus der Barbaren führten bis zur grande bataille et grande victoire des Johannistages, an dem Italien geschaffen wurde im Ansturm der Imperadorengarde.

Wo jetzt der Schienenweg verläuft,  war im 15. Jahrhundert eine ganze Flotte auf trockenem Land von Mori zum Gardasee in Bewegung. Der venezianische Condottiere Gattamelata führte damals gegen die Mailänder Visconti Krieg. Da machte ein Candiote den Vorschlag, eine Flotte auf der Etsch hinauf bis Mori zu führen und von dort zu Land in den Gardasee zu bringen.

Übrigens war an dem Tag, an welchem die von den Bergen herabgelangte  Flotte vernichtet wurde, nicht die erste und nicht die letzte Schlacht auf diesem See.

Auf dem  Rathaus zu Verona sieht man die Darstellung eines Gemetzels auf dem See, gemalt  von Il  Riccio. Es fand zwischen Brescianern und Veronesern 900 Jahre früher statt, ehe die Franzosen eine Flotte auf dem See besaßen, und ein Jahrtausend früher, ehe die Österreicher von der blauen Fläche aus nach Gargnano hineinschossen.

Der Gardasee ist nun durch die Bahn näher gerückt und man entdeckt mitunter viel Neues. Denn mit Ausnahme sehr weniger Stationen wird der Gardasee von den meisten Reisenden mit dem Schiff vom Nord- bis Südende abgetan.

Hier spielten sich die Tage der Langobarden und die grauenvollen Kämpfe der eingedrungenen Völker um das hesperische Land ab.  Die Jahre Ezzelinos, die Jahre der Hungertürme und Henker, die Morgenröte der über Greuel heraufsteigenden  Wiederbelebung der Geister, die eisernen Käfige und päpstlichen Mordgesandten, Plünderung, Verrat und Pest, das rankt um die Trümmer jener Castelle und rocche, die von den Tyrannen der Städte aufgerichtet wurden. Noch seltsamere Geschichten brachte die Zeit Alboins und Agilulfs, des Desiderus und der Ansa, deren sermionische Kirche noch immer vom Ölwald beschattet wird – die Zeiten von Ravenna, die alle ihre steinernen Denkmäler zerbröckelt  auf dem Eiland von Salo hinterlassen haben.

An all diese Dinge erinnert die Fernsicht von der Station Nago aus. Der Torbogen der kleinen Festung dort ist ein Fenster, aus dem die Österreicher auf die Italiener hinab sah.  Alle Reisehandbücher rühmen die Pracht dieses  Ausblickes, aber sie werden ihr nicht gerecht. Plötzlich dehnt sich das endlos scheinende  Gewässer aus, kornblumenblau. Wohl eine Reise wert um auch in die Tiefe
  der Geschichte zu dringen.

QUELLE:  Dillingers Reisezeitung, 10. Jänner 1891, Österreichische Nationalbibliothek ANNO.

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