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Schätze aus Österreichs Frühzeit#

Das Naturhistorische Museum Wien hat seine Funde aus prähistorischen Epochen neu aufgestellt.#


Von der Wiener Zeitung (Dienstag, 29. September 2015) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Heiner Boberski


Ausstellung im Naturhistorischen Museum
Ausstellung im Naturhistorischen Museum
Quelle: Wiener Zeitung

Wien. Wer heute das Wiener Naturhistorische Museum (NHM) betritt, erblickt in der Eingangshalle sofort Jeff Koons’ modernes Kunstwerk "Balloon Venus", der "Venus von Willendorf" nachempfunden und ein erster Hinweis auf die Schätze der Prähistorie, die dieses Haus hütet und seit 29. September in drei Schauräumen und zwei Kabinetten neu präsentiert.

Jüngste Forschungen auf dem Kranawetberg bei Grub an der March, wo NHM-Experten 30.000 Jahre alte Siedlungsreste aus der Altsteinzeit untersuchen, werden im Saal 11 ebenso vorgestellt wie die ältesten österreichischen Spuren von Keramik und Landwirtschaft in Brunn am Gebirge. Zudem gibt dieser Saal Einblick in die Welt steinzeitlicher Pfahlbauten im Salzkammergut. Ein besonderes Zeugnis der Schmiedekunst der Bronzezeit ist der zwischen 1600 und 1300 vor Christus entstandene "Prunkdolch von Maierdorf" bei Wiener Neustadt. Ganz dem Thema Hallstatt, das einer bedeutenden Kultur den Namen gab, ist der Saal 12 gewidmet. Seit 7000 Jahren wird dort Salz abgebaut, wovon viele gut erhaltene Gegenstände zeugen, etwa ein Tragsack aus dem 13. vorchristlichen Jahrhundert oder ein Schöpfgefäß aus Bronze, das zwischen 600 und 400 vor Christus entstanden ist. Weitere besondere Exponate beziehen sich auf das weltberühmte Gräberfeld von Hallstatt und dessen Entdecker Johann Georg Ramsauer. Was moderne Ausstellungstechnik zuwege bringt, führt hier ein imposantes digitales Geländemodell vor Augen: 7000 Jahre im Zeitraffer inklusive der Simulation von zwei großen Murenabgängen, die diesen Ort im Lauf der Geschichte heimsuchten.

Einblick in Völkerwanderung#

Der Saal 13 führt dann von der Bronzezeit bis weit ins Mittelalter - bis zur Ostarrichi-Urkunde von 996. Ein Zaumzeug aus Stillfried an der March stammt noch aus der Bronzezeit, ein Vogelwagen aus Bosnien, aus Bronze gegossen, hat bereits Achsen aus Eisen. Ganz der Eisenzeit sind zuzurechnen: eine 2500 Jahre alte elf Zentimeter hohe Stierfigur aus der Byci-skala-Höhle (Stierfelshöhle) bei Brünn in Tschechien, eine der künstlerisch hochwertigsten Plastiken der Hallstatt-Kultur und die eiserne Druidenkrone von Roseldorf in Niederösterreich, die auf 330 bis 150 vor Christus datiert wird. Als einmalig wertet es Anton Kern, dass in Roseldorf sieben keltische Heiligtümer gefunden wurden, mehr als in jedem Ort Frankreichs, das als Zentrum der Kelten gilt.

Ein in Hauskirchen (Niederösterreich) in einem Frauengrab entdecktes Prunkzaumzeug aus der Zeit um 500 nach Christus gilt als Meisterstück langobardischer Goldschmiedekunst. Die Wege der Langobarden und anderer Völker während der Völkerwanderung sind an einer der Touchscreen-Stationen gut zu verfolgen. "Wir lernen aus der Geschichte, dass sich nichts ändert", meinte NHM-Chef Christian Köberl vor der Presseführung. Was nichts daran ändert, dass ein Besuch der neuen Schausäle sehr lehrreich sein kann.

Langobardisches Prunkzaumzeug (um 500 n. Chr.).
Langobardisches Prunkzaumzeug (um 500 n. Chr.).
© NHM Wien, Alice Schumacher

"Auch an der Urgeschichte geht die Zeit nicht spurlos vorüber", sagte Anton Kern, der Direktor der Prähistorischen Abteilung des NHM, anlässlich der Presseführung. Es sei der Republik Österreich und der Salinen Austria AG zu verdanken, so NHM-Generaldirektor Christian Köberl, dass 45 Jahre nach der letzten Renovierung in diesem Bereich eine Neuaufstellung der prähistorischen Objekte möglich wurde. Damit konnte auch den Fortschritten der Forschung und der Ausstellungstechnik sowie den modernen Sicherheitserfordernissen Rechnung getragen werden.

Das erste Highlight ist das Venus-Kabinett. Es beherbergt neben der nun auf ein Alter von 29.500 Jahren datierten Venus von Willendorf auch die wegen ihrer Tanzpose nach der Tänzerin Fanny Elssler benannte, sogar 36.000 Jahre alte Statuette "Fanny von Stratzing" oder "Fanny vom Galgenberg" - derzeit freilich nur als 3D-gedruckte Nachbildung, da sich das Original bis Jänner 2016 bei einer Ausstellung in Brüssel befindet. Zu diesen beiden Wachauer Funden passt im gleichen Raum ein virtuelles und bewegtes Diorama, das die klimatische Entwicklung des Donautals seit der jüngeren Altsteinzeit darstellt.

Zweitältester Goldfund Europas#

Aus späteren Epochen stammen die Preziosen im Gold-Kabinett, die wegen ihres Wertes bisher großteils im Tresor schlummerten und nicht ausgestellt wurden. Dazu zählt vor allem der 1864 gemachte Depotfund von Stollhof im Gelände der Hohen Wand in Niederösterreich. Nur in Varna in Bulgarien hat man jemals ältere Goldarbeiten als diese etwa 6000 Jahre alten Goldscheiben aus der Jungsteinzeit gefunden. Deutlich jünger ist die 1840 in Tufalau im damaligen Siebenbürgen geborgene Goldaxt aus der Bronzezeit (um 1650 v. Chr.) Erst 2005 wurde der Goldschatz vom Arikogel am Hallstätter See entdeckt - 24 Schmuckstücke mit einem Gesamtgewicht von 506 Gramm aus der späten Bronzezeit (1200 bis 1000 v. Chr.). Von der Steinzeit in die Bronzezeit wird der Besucher auch im ersten der drei Schausäle, dem Saal 11, geführt. Dabei werden immer wieder multimediale Elemente eingesetzt, um eine der umfassendsten und bedeutendsten archäologischen Sammlungen der Welt zu präsentieren. An einer Bildwand kann man zunächst in die frühen Höhlenmalereien des Homo sapiens in Frankreich und Spanien eintauchen.

Wiener Zeitung, Dienstag, 29. September 2015