!!!Die Kraft des Zweitlings  

!!„Der Glanz des Tages“: Tizza Covis und Rainer Frimmels Highlight heimischen Filmschaffens kommt nun endlich auch regulär ins Kino.

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''Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: [DIE FURCHE|http://www.furche.at] Donnerstag, 18. April 2013''


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Von

__Otto Friedrich__ 


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[{Image src='Walter-Saabel_Philipp-Hochmair.jpg' caption='Beim Filmfestival Locarno wurde Walter Saabel (im Bild rechts, links Philipp Hochmair) mit dem Silbernen Leoparden als Bester Hauptdarsteller ausgezeichnet.\\Foto: © EPA' class='image_right' width='400' alt='Walter Saabel und Philipp Hochmair' height='256'}]



Der österreichische Cineast wird bekanntlich seit Jahr und Tag von Filmproduktionen heimischer Provenienz verwöhnt. Auch im Genre des vorgegaukelten Dokumentarfilms gibt es Meisterliches zu sehen. Zuletzt war da – einmal mehr – Ulrich Seidl in aller Munde. Allerdings darf man nach der nun schon einige Monate andauerenden flächendeckenden Beschäftigung mit seiner „Paradies“-Trilogie ein wenig Ermüdungserscheinung zeigen. Seidl-Themen, Seidl-Style und Welterklärung à la Seidl mögen den Schaffenszenit des Filmmeisters markieren. Allerdings ist auch das Sättigungsbedürfnis des Publikums schön langsam erfüllt. 

Das bedeutet jedoch noch lange nicht, dass der fiktionale [Film|Thema/Medien] mit dokumentarischem Gestus hierzulande am Ende wäre. Im Gegenteil. Denn zunächst mochte „Der Glanz des Tages“, der jüngste Geniestreich des heimischen Filmer-Duos Tizza Covi und Rainer Frimmel, ein wenig im Windschatten der Seidl-Festspiele verborgen geblieben sein. Doch nun kommt der Film endlich in den regulären Spielbetrieb, obwohl er, von Oscar und anderem Preis-Gedröhn übertönt, schon einiges abgeräumt hat, was an Auszeichnung für feinstes Kino bereit liegt. 

Den Anfang machte, schon im August 2012, der Silberne Leopard in Locarno für die Schauspielleistung von Walter Saabel. Bei der Viennale gab es gleichfalls eine Prämierung, dann folgte der Max Ophüls-Preis 2013, und zuletzt errang der Film dann den Großen Diagonale Preis für den Besten österreichischen Spielfilm des Jahres. 

!Nach „La Pivellina“ der zweite Streich 

Tizza Covi und Rainer Frimmel sind längst keine unbekannten Sterne am heimischen Filmhimmel. Mit ihrem Spielfilm-Debüt „La Pivellina“ verzauberten sie bereits vor drei Jahren, obwohl die Low-Budget-Produktion zuerst beinahe unbemerkt blieb. Das hielt aber nicht lange an: Wer hätte vermutet, dass der „gute alte Neorealismo“ (so die Lobeshymne des Rezensenten anno 2009) im 21. Jahrhundert solch fröhliche Urständ feiern würde? 

Österreich schickte „La Pivellina“ 2010 auch ins Oscar-Rennen – zu früh, muss man heute feststellen; wer weiß, ob man solches mit „Der Glanz des Tages“ noch einmal wagt. Berechtigt wäre es, die Kraft dieses Spielfilm- Zweitlings hat es noch mehr in sich. 

Noch einmal die Reminiszenz an die Konkurrenz: Während Ulrich Seidl die Wirklichkeit durch allergrößte Künstlichkeit abzubilden behauptet, vergreifen sich Covi und Frimmel niemals an der Realität. Sondern es kann wahrhaftig so gewesen sein – und es ist, so sagt dieser Film, auch so gewesen. Dass trotz allem Fiktionales erzählt wird, tut dieser wahrhaften Wirklichkeit keine Abbruch.

Kurz: Man entkommt der Betörung dieser gefilmten Legende, dieser Parabel auf das stete wie unstete Leben niemals. Ein Roadmovie – ganz und gar nicht in klassischem Sinn, sondern in der Poesie so vieler Augenblicke, dass ein einmaliger Kinobesuch eine unangemessene Bescheidung darstellt. Nein, den „Glanz des Tages“ muss man mehrmals gesehen haben. Und zwar im Kino. Apropos Klassik: Der Titel allein zeigt schon, dass hier groß gedacht wird. Denn dieser ist ein Zitat aus Goethes „Torquato Tasso“. Und einer der beiden Protagonisten hat es ja auch wirklich mit nämlichem sowie anderen Dichterfürsten. 

[{Image src='Filmszenen.jpg' caption='Szenen aus dem Film „Der Glanz des Tages“.\\Foto: © EPA' width='200' class='image_left' alt='3 Filmszenen aus „Der Glanz des Tages“' height='418'}]

„Der Glanz des Tages“ erzählt die Begegnung des Wiener (Burg-)Schauspielers Philipp Hochmair mit dem ihm bislang unbekannten Onkel Walter Saabel. Walter, den Cinephilen ja längst aus „La Pivellina“ bekannt, ist ein im italienischen Schaustellergewerbe gelandeter Lebenskünstler, der eines Tages vor Philipps Wohnungstür steht. Die – fiktionale – Verwandtschaft mischt sich in der Geschichte mit den – realen – Lebensumständen der beiden. Der eine, Walter, muss für sich quasi tagtäglich die materielle Lebensgrundlage erfinden Der andere, gefeierter Schauspiel-Star zwischen Wien und Hamburg, muss lernen, buchstäblich aus seinen Rollen zu fallen; denn das Theater samt der Kunst des Textlernens und -spielens vernebelt den Geist mehr, als es einem wachen Erdenbürger guttut. 

Und so darf das p.t. Publikum teilhaben an der Entwicklung einer Freundschaft zwischen einem, der in den Tag hinein zu leben gewohnt ist, und einem, der nicht minder im Wolkenkuckucksheim seiner dramatischen Fantasien herumschwebt. Ob das gutgeht? Es geht – und damit ist wirklich noch gar nichts über diesen Film verraten. 

Dazu kommt noch als Geschichte in dieser Geschichte das Schicksal von Philipps Nachbarn Victor: Der Flüchtling aus Moldawien lebt mit seinen beiden Kleinkindern von Schwarzarbeit, seine Frau musste in die Heimat zurück und kann nicht mehr nach Wien. Wie sich Walter der Kinder, aber auch des ob seiner gleichzeitig wahrzunehmenden Vater-, Mutter- und Familienerhalter-Rolle zunehmend verzweifelnden Victors annimmt, bringt selbst den Werther- oder Woyzeck- Mimen Philipp schnell ins Leben zurück, aus dem sich auch ein Hochkulturschauspieler nicht verabschieden kann und darf. 

Wie das funktioniert, und warum das in diesem filmischen Setting aufgeht, ist nicht leicht zu ergründen. Man ahnt, dass die Erarbeitung des Plots, die genuiner Bestandteil dieser Filmwerdung ist, alles andere als einfach war. Sowohl Walter Saabel (aber der war das eben schon aus „La Pivellina“ gewohnt) als auch Philipp Hochmair mussten in einer fiktionalen Geschichte sich selber und niemanden sonst spielen. 

!Sich selber und niemanden sonst spielen 

Gerade beim Schauspielprofi Hochmair, der es eben gewohnt ist, immer jemand anderen darzustellen, war das offenbar die größere emotionale (und professionelle) Herausforderung. Man staunt ob des Ergebnisses dieser Arbeit – und kann die Beteiligten daran nur vor den Vorhang bitten. 

Menschlichkeit in der Kälte des heutigen Lebens, auf diesen Punkt kann das Projekt von Tizza Covi und Rainer Frimmel, durchgeführt von Walter Saabel und Philipp Hochmair gebracht werden. Außerdem ist die Beschäftigung mit dem Leben an den Rändern dieser Gesellschaft des 21. Jahrhunderts natürlich nicht ohne einen politischen Unterton zu haben: Aber der „Glanz des Tages“ kommt auch ganz ohne Moralkeule wider die inferiore Flüchtlingspolitik im Land aus. Sondern der Film erzählt eben, wie es ist, wenn ein moderner Taglöhner wie Victor seine Kinder durchbringen muss und die Frau unerreichbar fern ihr Unglück fristet. 

Doch da hat Walter eine Idee: Wäre gelacht, wenn ein Lebenskünstler nicht eine Spur verfolgen wollte, wie eine durch die europäischen Zustände zerrissene Familie doch wieder zu vereinen wäre. Das ist, wie auch der gelernte Österreicher weiß, weder einfach noch erfolgversprechend. Aber einen wie Walter, der ja auch das Messerwerfergewerbe beherrscht, hat das ja noch nie abgehalten. 

Der „Glanz des Tages“ ist somit beileibe kein leeres Versprechen. Auch wenn der Zuschauer bis zum Schluss nicht sicher sein kann, ob es wirklich in Erfüllung gehen kann. 

--> __Der Glanz des Tages__ ''A 2012. Regie: Tizza Covi und Rainer Frimmel. Mit Philipp Hochmair, Walter Saabel, Vitali Leonti. 90 Min.'' 


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[DIE FURCHE|http://www.furche.at], Donnerstag, 18. April 2013
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[{Metadata Suchbegriff='Der Glanz des Tages  Walter SaabelPhilipp Hochmair Tizza Covis Filmfestival Locarno' Kontrolle='Nein'}]